26.

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"Okay, okay. Ihr habt da also auf der Wiese gelegen und rumgemacht. Dass er einen Wahnsinnns-Körper hat, erwähntest du schon so ungefähr fünfzig Mal. Weiter?"
Versonnen starre ich aus dem Fenster ohne wahrzunehmen, was dort passiert. "Hey!" Jennys Kaffeelöffel landet klatschend auf meinem Oberarm.
"Hee. Das ist fies." maule ich und seufze. "Okay. Plötzlich kam so ein blöder Parkaufseher." Ich richte mich etwas auf, um den Mann von gestern Nacht imitieren zu können, strecke meine Brust vor und spreche mit verstellt tiefer Stimme. "Sie da! Was machen Sie da?! Das ist Erregung öffentlichen Ärgernisses!" Jenny und Bea fallen in mein Lachen mit ein. Das Liam mir in dem Moment noch ins Ohr geflüstert hat, was da gerade noch alles erregt ist, verschweige ich den Beiden geflissentlich. "Wir haben uns aufgerappelt, unsere Sachen geschnappt und sind weggerannt. Wir sind noch kurz in seine Wohnung, um ..." "Uhhhh in seine Wohnung, ja?" Bea und Jenny werfen sich kichernd vielsagende Blicke zu.
"Ach ihr seid doch blöd. Er hat mir noch was Trockenes zum anziehen gegeben und dann hat er mich nach Hause gefahren." Auch das rummachen im Auto verschweige ich, die beiden Mädels müssen nun wirklich nicht so viele unanständige Details wissen. "Das wars. Kein Sex beim ersten Date, ich bitte euch!"
"Das sagst du nur, weil der Wächter gekommen ist."
"Wer weiß, was sie uns alles verschweigt, wer da noch alles gekommen ist..." raunt Bea Jenny zu, allerdings absichtlich so laut, dass ich es auch höre.
"BEA!" entsetzt werfe ich sie mit meinem zusammengeknüllten Muffin Papier ab und unser lautes Lachen bringt uns erneut missbilligende Blicke der anderen Gäste ein. Die Kellnerin kommt an unseren Tisch gewackelt. Es ist Mel, und als sie mich erkennt, verzieht sie ihren viel zu stark geschminkten Mund zu einem diabolischen Lächeln. "Ich muss Sie wohl bitten, zu gehen. Sie sind eine Belästigung für die anderen Gäste."
Liebenswürdig lächle ich sie an. "Kein Problem, wir sind eh lieber hier, wenn fähige, nette Kellner da sind. Wir würden dann gern zahlen. Danke." Ich lege das Geld für unsere Kaffees und Kuchen auf den Tresen, dann verschwinden wir drei Mädels zum Parkhaus. Wir haben beschlossen, den Jungs heute die Zockerhöhle streitig zu machen. Natürlich hatten Svea und Anna ganz wichtige, andere Dinge zu erledigen und können leider, leider nicht den Nachmittag mit uns verbringen. Innerlich zucke ich mit den Schultern. Wenn sie nicht reden wollen, was los ist, dann kann ich da auch nichts dran ändern.

Der Abend und unser Alkoholpegel sind bereits vorangeschritten, als Kaiden mit Shane im Schlepptau auftaucht.
"Huch, was macht ihr denn hier?" Kaiden ist sichtlich überrascht, während Shane mich nur mit einem nachdenklichen Blick mustert.

Ich hebe mein Glas und proste ihnen zu. "Also, ich wohne hier. Und irgendwie dachte ich, dass ich ja auch mal mit meinen Freunden den Raum nutzen könnte. Wollt ihr mitmachen?"
Bevor sich jemand anderes dazu äußern kann, tut Marc seine Begeisterung zu diesem Vorschlag kund. Wo auch immer er jetzt herkam, bis eben dachte ich, dass es nur Shane und Kaiden wären. Doch wie immer ist die ganze Truppe versammelt. Seufzend rutsche ich ein Stück auf der riesigen Couch, um Platz zu machen. Dann kuscheln wir Mädels eben etwas. Dachte ich. Dass ich plötzlich halb auf Shanes Schoß sitze, statt an Jenny gelehnt, merkt außer uns beiden zum Glück niemand. Ich spüre, wie Shane seinen Oberkörper an mich presst und als wäre es eine Droge, atme ich seinen einzigartigen Duft ein, als ich den Kopf etwas zur Seite drehe. Die federleichte Berührung an meinem Hals kann nur er sein und ich muss mir ein zufriedenes Hmmmmm verkneifen. Irgendwie fühlt es sich verdammt richtig an, ausgerechnet Shane so nahe zu sein. 
Plötzlich packen mich seine Hände an den Hüften und heben mich von ihm runter. Jetzt sitzen wir zwar nicht mehr aufeinander, dafür aber sehr dicht nebeneinander. Für sieben Personen wird die Couch dann wohl doch etwas knapp. Meine Nerven sind geradezu überreizt, durch den permanenten Kontakt zu Alex' Haut, doch werde ich mich sicher nicht auch nur einen Millimeter von ihm entfernen, wenn es nicht unbedingt sein muss.
Nach knapp zwei Stunden beschließen wir, eine Pause einzulegen. Marc und Tom möchten rauchen gehen, Bea muss auf Toilette und naja, Jenny und mein Bruder freuen sich auch, wenn sie mal zwei Minuten für sich haben. So sitzen innerhalb weniger Augenblicke nur noch Shane und ich auf der Couch. Trotzdem bewegen wir uns kein Stück auseinander.
Schließlich bricht er die Stille zwischen uns. 
"Und dein Date, wie wars?" Höre ich da Enttäuschung?
"Ehm. Ganz gut, schätze ich."
"Hm."
"Hm?"
Sein Blick streift mich und er zuckt mit den Schultern. "Hm halt. Was soll ich dazu sagen, du gibst mir keine Chance auf ein Date mit dir, aber irgendwelchen dahergelaufenen Typen? Ich will gar nicht wissen, wie weit ihr schon seid."
"Ist das dein Ernst? Gut zu wissen, was du so von mir denkst. Das hätte ich wirklich nicht erwartet. Gute Nacht Shane. Und- fick dich. Wirklich, fick dich einfach. Schieb dir deinen Freunde-Kram sonst wo hin und wag es dir, mich nochmal anzufassen." Meine Augen brennen verräterisch und so werfe ich dem Mann, der mich so sehr anzieht nur einen vernichtenden Blick zu, bevor ich mich abwende und die ersten Tränen über mein Gesicht laufen.
Was genau jetzt mit mir los ist, weiß ich selbst nicht. Nur, dass ich maßlos enttäuscht von Shane bin. Dass es ihm nicht gefällt, dass Liam und ich auf einem Date waren glaube ich ihm mittlerweile. Aber dass er deswegen gleich so von mir denkt...
Erschöpft lasse ich mich auf mein Bett fallen und atme tief durch. Ein genervter, leiser Schrei entlädt sich in mein Kissen, dass ich mir vor das Gesicht drücke. Warum ist das alle so kompliziert? Eigentlich ist doch alles ganz einfach.
Ich stehe auf Shane. Alles an ihm zieht mich an. Seine Art, seine blöden Sprüche, von seinem Körper ganz zu schweigen. Wenn er in meiner Nähe ist, geht es mir gut und ich fühle mich wohl. Wenn er nicht bei mir ist, denke ich ständig an ihn. Er ist immer in einer kleinen Ecke in meinem Kopf und geht da einfach nicht weg.
Aber da ist der Punkt, der es kompliziert macht: Er weiß nichts über mich und diese verdammten, blöden Autorennen. Und vermutlich wird der Moment, in dem er es erfährt alles zerstören, was sich irgendwie zwischen uns befindet.
Ein leises Klopfen an der Tür reißt mich aus meinen Gedanken.
Ich brumme nur ein "Hm?"
"Kalista?" Bea steckt vorsichtig ihren Kopf durch die Tür und als sie mich mit verheulten Augen auf dem Bett liegen sieht, kommt sie einfach rein und setzt sich zu mir.
Schweigend zieht sie mich etwas auf ihren Schoß und umarmt mich. Kein Ton kommt über unsere Lippen, nur ein leises Schluchzen schüttelt mich ab und zu. Im Flur höre ich Kaiden's Stimme. "Shane ist nach Hause, keine Ahnung wo meine Schwester hin ist, Bea ist gerade in ihr Zimmer nachschauen." Was Marc, Tom und Jenny sagen, verstehe ich nicht, wohl aber Kaidens Antwort. "Okay Jungs, wir sehen uns ja morgen in der Schule. Bis dann."
Dann öffnet sich schon meine Zimmertür erneut und Jenny kommt zu Bea und mir.
Seufzend lässt sie sich neben uns auf das Bett fallen und streicht sanft über meinen Kopf und wirft mir einen fragenden Blick zu. Doch ich starre weiter in die Leere, bevor ich schlucke und mich dann selbst etwas aufrapple. 

Grob erzähle ich, was Shane zu mir gesagt hat. Das empörte Schnaufen der beiden bestätigt mich darin, dass seine Aussage tatsächlich weit unter die Gürtellinie ging.
"Du stehst wirklich ziemlich auf ihn." stellt Jenny ganz trocken fest.
Ich zucke gleichgültig mit den Schultern. "Ändert das noch irgendwas? Ich hätte ihn gern richtig kennengelernt, bevor ich dem ganzen eine Zukunft gebe. Aber anscheinend sieht er das anders."
"Kali, ich weiß, dass du das nicht hören willst, aber warum bist du dann mit Liam ausgegangen und so?"
"Keine Ahnung, ich... ich weiß nicht. Vielleicht um Shane etwas aus meinem Kopf zu bekommen, oder so. Irgendwie ist mir auch erst dadurch klar geworden, dass ich an Shane mehr mag, als nur seinen Körper. Liam ist wirklich heiß und die Wahrscheinlichkeit dass wir im Bett landen würden ist echt hoch, aber ich würde niemals mir ihm eine Beziehung anfangen können. Er ist mehr so ein Friend with Benefits. Und ich habe nicht das Gefühl, dass ihn das stören würde."
"Du solltest mit ihm darüber sprechen. Und danach kannst du dich dem größeren Problem zuwenden. Shane."
Nachdenklich nicke ich. Wahrscheinlich ist die Idee gar nicht mal so schlecht.

HeartracerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt