41« Tears

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»Du bist verliebt.«

Ohne mich zu begrüßen oder sich gar anzukündigen, ließ sich Leah auf die Sitzbank vor mir fallen und grinste mich schelmisch an.
Ich zog meine Augenbrauen zusammen und trank demonstrativ einen Schluck von meinem Cocktail, bevor ich ihre Aussage überhörte und sie begrüßte, als sei nie etwas gewesen.

»Hi, Leah.«
Sie zog eine Grimasse.
»Hallo. Jetzt spann mich schon nicht auf die Folter und erzähl mir, was passiert ist, nachdem wir gegangen sind.«
Sie lehnte sich über den Tisch und schob den Kellner weg, der sich zu uns an den Tisch gestellt hatte, um nach Getränken zu fragen.

»Jetzt nicht.«, murmelte Leah mit den Augen fest auf meinem Gesicht.
Ich zuckte entschuldigend mit den Schultern und wartete bis der Kellner verschwunden war, bevor ich seufzend nach meinem Glas griff und es leer trank.

Der Alkohol prickelte meinen Hals hinab und betäubte genau die richtigen Sinne, die ich heute Abend vergessen wollte.

Was sollte nach meinem Geburtstag vor drei Tagen schon passiert sein?
Er war schlafen gegangen.
Ich war schlafen gegangen.
Und am Morgen hatten wir zu unterschiedlichen Zeiten das Haus verlassen. Es herrschte beklemmende Kälte und von seiner Seite kam kein einziges Kommentar über das gemeinsam ausgesprochene »Vielleicht«.
Was das Vielleicht also doch nur ein »Nein!«?
Er mochte mich nicht.

»Was sollte passiert sein? Nichts ist passiert!«, fluchte ich und deutete dem Barkeeper mit meiner Hand mir etwas Starkes zu mixen.
Ich brauchte Alkohol.
»Wie? Nichts ist passiert?«
Leah schien verwirrt. Was hatte sie denn erwartet? Dass Davis mich an sich gezogen und mir ins Ohr geflüstert hätte, dass er aus dem Vielleicht schleunigst ein Ja machen wollte?

Zugegeben, genau das hatte ich mir erhofft, als er die Haustür hinter Peter geschlossen hatte.
Aber Fehlanzeige. Das einzige was geherrscht hatte, war eine beklemmende Stille, der wir schnell ausgewichen waren.

Ich hatte begonnen aufzuräumen und Davis war in sein Büro geflüchtet. Dort hatte er sich so lange verkrochen, bis ich längst im Gästebett lag und sauer an die Decke starrte. Wir hatten uns gar nicht mehr zu sagen.

»Es war gar nichts. Er ist schlafen gegangen, ich bin schlafen gegangen und das war's. Es herrscht Funkstille, meine Liebe. Wir reden seit Tagen kein Wort mehr miteinander.«
Dankend nahm ich den dahergeflogenen Drink entgegen und ließ ihn sofort meine Kehle hinunterfließen. Ich wollte nicht mehr traurig sein. Ich wollte nicht mehr leise sein, ich wollte zu Davis.
Aber das geht nicht.

Dieser nämlich verkroch sich seit meinem Geburtstag auf der Arbeit und wechselte zwar – nach wie vor – Worte mit mir, blieb aber immer ein wenig distanziert. Ich war mehr als enttäuscht und diese Abweise ließ mich alles andere als kalt.
Im Gegenteil ich war sogar ziemlich verletzt, aber an unserem Problem waren wir diesmal tatsächlich beide schuldig.

Wieso muss immer alles so kompliziert sein?
Ja! Wieso lag ich nicht einfach in seinen Armen und ließ mich von ihm in den Schlaf küssen?
Warum saß ich in einer Bar und betrank meine Liebe mit Alkohol, um ihren Hunger zu stillen? So lächerlich es auch war, ich brauchte es. Ich brauchte es!

»Aber wieso? Ich dachte dieses Wortspiel am Samstag hätte euch endlich zusammengeführt. Ihr wart euch zwar ziemlich uneinig, aber das Vielleicht am Ende war doch niemals ein Nein!«
»Anscheinend doch«, brummte ich und kippte mir einen neuen Schluck in den Mund.
»Er mag mich eben nicht so sehr, wie ich ihn«, setzte ich ein wenig unklar hinzu.

»Tears, das ist völliger Quatsch. Dieser Junge ist dir dermaßen verfallen, das glaubst du nicht.
Hast du nicht gesehen, wie gerne er dich den Abend über näher bei sich gehabt hätte. Er liebt dich, sonst wärst du längst nicht mehr bei ihm.«
Leah schien sich sicher.
Ich hingegen war mehr als unsicher, warum sollte Davis mich ignorieren, wenn er mich doch so liebte. Diese Probleme kamen doch nicht nur von mir!

TEARSWhere stories live. Discover now