30« Tears

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Ich war noch nie mit einem Flugzeug geflogen.
Und ich war erst recht nicht mit einem Flugzeug nach Britannien geflogen.

Das Getümmel am Flughafen und die vielen Menschen, die auf Stühlen und Bänken saßen oder mit ihren Koffern zum Gate liefen, prasselten als vollkommen neue Erfahrungen auf mich ein.
Unbeholfen lief ich neben Davis her, der relativ entspannt unsere Koffer trug und immer wieder auf den Anschlagtafeln nach unserer Fluglinie Ausschau hielt.
Er beachtete die neugierigen Blicke der Passanten nicht, schenkte niemandem Beachtung, zog aber immer wieder seine Kapuze tiefer ins Gesicht und spielte mit seiner Sonnenbrille.

Es war nicht wirklich sonnig, aber die Blicke der anderen schienen ihn dennoch zu blenden. Ich konnte es ihm nicht verübeln, dass er so erhoben und mit gleichgültiger Miene neben mir herlief und mir keinerlei Beachtung schenkte, denn würde er es tun, sähe ich schon bald genauso aus, wie er.
Ich wäre dazu gezwungen, mich zu verstecken, damit niemand mich unnötig anstarrte und womöglich Bilder von mir machte. Er handelte also zu seinem und vor allem auch meinem Schutz, was mich wieder einmal rührte.

Es war merkwürdig vor Tagen noch tief innerlich enttäuscht von ihm gewesen zu sein und ihm nun wieder näherzustehen. Doch irgendwas hatte sich seit vorgestern geändert. Etwas Entschiedenes.
Die Wahrheit.
Davis war aus Selbstschutz gegangen, zu seinem und meinem.
Er hatte seine Gründe und eben diese hatten ihn letztendlich wieder zu mir zurückgeschickt.

Ich hatte keine Ahnung, was zwischen uns war. Wir waren kein Paar. Aber vielleicht waren wir zwei Menschen, die begonnen hatten sich zu mögen und ihr Kennenlernen auf Anfang stellen wollten.
Vielleicht waren wir Menschen, die eine gemeinsame Zeit ihres Lebens beschrieben hatten und diese noch nicht zu beenden wagten.

Mir war egal, was wir waren.
Ich wollte nur in seiner Nähe sein und mich dem Bauchkribbeln hingeben. Was immer es war.

Seit einer Woche war mein Leben aus allen Fugen gerissen und ich wusste wirklich nicht wo mir der Kopf stand, bis Davis plötzlich hinter mir stand. Er war einfach wieder da. Einfach so.
Und er hatte mich mit dieser Leichtigkeit in die Arme genommen und getröstet und beschützt, als seien wir beide dazu bestimmt gewesen.
Zwei Fremde auf einem Friedhof.
Welche Ironie. Ich liebte die Ironie!

»Kommst du, Tears?«
Seine raue Stimme riss mich aus meinen Gedanken und ich lächelte ihm entgegen, während ich nickte und meinen Rückfall zu ihm aufholte. Mir war danach zu lächeln, obwohl es nichts zum Lächeln gab. Ich hatte meine Schwester verloren, besaß keine Existenz mehr, hatte kein Geld und war auf dem Weg nach England um dem Freund meiner Schwester womöglich das Herz zu brechen.
Und ich lächelte. Ich liebte die Ironie!

Ich liebte die Ironie!

***

Ich war unglaublich nervös, als das Flugzeug in die Luft stieg. Irgendwie fühlte sich dieser Flug ganz anders an, als der in einem Hubschrauber. Voller Panik klammerte ich mich an Davis Arm, der neben mir saß und erst bei meinem Anblick zu verstehen schien, warum ich drohte zu kollabieren.

Er begann zu lachen und drückte meine Hand, ehe er sich vorlehnte und eine Strähne hinter mein Ohr schob.

»Bist du etwa noch nie Flugzeug geflogen?«

Ich drehte, eingeschnappt wegen seiner schelmischen Arroganz, meinen Kopf zu ihm und schlug ihm auf den Arm.
Wie konnte man nur so eingebildet und gleichzeitig perfekt sein?

Natürlich bin ich schon einmal geflogen.
In deinen Armen beginne ich immer zu schweben.

Ich gönnte ihm diese Antwort nicht, sondern krallte mich stärker an seinen Arm, mit der festen Absicht ihm einen blauen Fleck zu hinterlassen.

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