12. Kein Zurück mehr!

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Helles Licht blendet mich, ich kneife die Augen zusammen. "Wird's dann bald?", fragt eine undefinierbare Stimme. Blinzelnd versuche ich etwas zu erkennen. Aus dem hellen Licht bilden sich Gestalten heraus. Erst jetzt merke ich, dass ich auf einer Bühne stehe.

"Fängst du jetzt endlich an?"

Womit soll ich denn anfangen?

"Na los, wir haben nicht ewig Zeit!", keift eine andere Stimme. Ich will etwas sagen, mich verteidigen, aber ich bringe kein Wort heraus. Irgendwo vor mir beginnt eine Stimme zu lachen, und hunderte andere schließen sich ihr an. Plötzlich geht das grelle Licht aus. Ich stehe kurz im dunkeln da, bis überall rund um mich herum Lichter aufflackern, die einen großen Saal enthüllen, der bis ganz nach hinten mit Menschen gefüllt ist, die mich auslachen. Ganz vorne in der ersten Reihe sitzt mein Bustyp, der Tränen lachend mit dem Finger auf mich zeigt. Daneben sitzen Kim, Sophie und Jo, die traurig den Kopf schütteln. Ich will einfach nur weg, aber ich kann meine Füße nicht von der Stelle bewegen. Ich starre auf meine Füße, die barfuß sind. Und anstelle einer Hose trage ich - nichts! Oh mein Gott. Vor lauter Peinlichkeit wird mir schwindelig. Zusätzlich dringt jetzt auch noch ein durchdringendes Piepen an meine Ohren.

Verschwitzt und mit rasendem Herzen wache ich auf, mein Wecker piept wie verrückt.

Ach du Scheiße. Heute ist Castingtag.

Die letzte Woche ist wie im Flug vergangen, und meistens war ich zu sehr damit beschäftigt, diesen Tag auszublenden, als mich darauf vorzubereiten. Den ganzen Weg zur Schule versuche ich mich positiv zu stimmen und zu erinnern, warum ich noch mal geglaubt habe, dass das hier eine gute Idee wäre. Ich bin total zwiegespalten. Einerseits möchte ich wirklich gerne mitmachen, ich glaube, dass es mir total Spaß machen könnte. Da hatten Kim und Co schon recht. Andererseits möchte ich mich am liebsten in einem tiefen Loch verkriechen und erst nach dem Abitur wieder rauskommen. Ich bin einfach nicht gemacht für solchen Stress.

Erst als ich aus dem Bus aussteige, bemerke ich, dass ich vor lauter Sorgen über das Casting meine Klaustrophobie ganz vergessen habe. Ich verbuche es als Erfolg und stapfe mit neuer Energie ins Schulgebäude.

Schon zwei Stunden später ist mein kleiner Kraftschub verraucht, und ich sitze wie auf heißen Kohlen im Unterricht. Ich bin ein einziges Nervenbündel. Meine Freunde sind zwar echt lieb, schenken mir aufmunternde Blicke und bequatschen mich in den Pausen und tun allgemein ihr bestes, um mich zu beruhigen, aber es hilft alles nichts.

War nicht deine beste Idee, frotzelt mein Ego. Es hat recht. Das bekomme ich nie hin.

Es ist 13:40, als endlich die Pausenglocke läutet. Mit zitternden Fingern packe ich meine Schulsachen zusammen. In zwanzig Minuten ist es soweit.

Es geht sich genau so aus, dass ich die letzte Stunde sausen lassen kann, alle Castingteilnehmer sind großzügigerweise von der Schulstunde entschuldigt, in die ihr Termin fällt.

"Du schaffst das schon, mach dich nicht unnötig nervös", versucht Sophia mich nochmal aufzuheitern. "Was musst du eigentlich genau machen?", fragt Valentin, der neben Jo sitzt, und lehnt sich im Sessel zurück.

Ich zucke mit den Schultern, versuche zu überspielen, dass mir mittlerweile sogar schlecht geworden ist. "Keine Ahnung. Ich musste auf jeden Fall nichts vorbereiten."

"Ich nehme an, sie muss irgendeine Szene aus dem Stegreif spielen", mischt sich Kim ein.

Valentin nickt. "Na, viel Glück auf jeden Fall. Ich würde mich ja nie trauen so was zu machen."

Oh, ich mich ja eigentlich auch nicht. Aber er meint es lieb, also lächle ich ihm zu. "Danke, das werd' ich brauchen. Ich glaube, ich sollte schön langsam gehen."

Wie tausend ChilisWhere stories live. Discover now