7. Jetzt ist es amtlich

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Es ist Dienstag, wir haben Mathe bei Professor Fink und warten alle nur auf den Moment, in dem er die Mathe-Arbeiten austeilt.

Aber Fink wäre ja nicht Fink, wenn er nicht zuerst in einer langen Rede mit viel Gespucke die Vorzüge der Mathematik preisen und unsere Inkompetenz kritisieren würde.

Wenn es einfach nur langweilig wäre, dann könnte man wenigstens abschalten und das Gelaber ignorieren, aber wir sind alle ziemlich gespannt auf unsere Ergebnisse. Das ist dann doch eine sehr grausame Mischung. Nach unendlich erscheinenden Minuten schließt Fink seinen Monolog mit dem Satz "Wenn das so weitergeht, werden die meisten von euch bei den Abschlussprüfungen durchfallen!" und bugsiert dann den Heftstapel aus seiner Leinentasche auf den Lehrertisch.

"Auer.", ruft er die erste Schülerin im Alphabet auf, die zufällig Sophie ist. Aufgeregt nimmt sie ihr Heft in Empfang, und wagt es erst einen Blick hineinzuwerfen, als schon fünf andere Klassenkollegen aufgerufen wurden.

"Und?", frage ich neugierig. Sophie dreht sich zu mir, mit einem fetten Grinsen im Gesicht. "Eine zwei." Anerkennend mustere ich ihr Angabeblatt. Sie hat die Eins nur um zwei Punkte verfehlt, die kleine Streberin.

Ungeduldig warte ich, bis Fink mich endlich aufruft. Die letzte im Alphabet zu sein hat meistens nur Nachteile.

"Winter." Ich stehe auf und stakse nach vorne, mein verhasster Lehrer reicht mir das Heft mit einem nichtssagendem Blick.

Mit zitternden Fingern blättere ich vor, bis mir eine fette fünf ins Gesicht springt. Na super.

Frustriert kneife ich die Augen zu und lasse meinen Kopf auf die Tischplatte sinken. Ich hasse Mathe! Als ich die Augen wieder öffne, liegt direkt vor meiner Nase ein kleiner zusammengeknüllter Zettel.

Hä? Ich untersuche ihn genauer und bemerke, dass etwas oben steht.

Heute Frustessen/saufen?, kann ich die Sauklaue, die eindeutig von Jo stammt, entziffern. Grinsend male ich einen Daumen-hoch darunter, und reiche den Zettel zurück. Vielleicht ist heute doch kein schlechter Tag.

Dann klingelt es endlich zur Pause. Mit meinem Apfel (heute ausnahmsweise gesund unterwegs), setze ich mich zu Jo, der "Fünfer-High-Five!" ruft und die Hand hochstreckt. Natürlich schlage ich ein. "Du also auch?"

"Wie nicht anders erwartet. Und, was hat Sophie?"

"Eine Zwei. Die hat brav gelernt", antworte ich. "Genau, anstatt wie so komische Kinder die Zeit mit YouTube-Videos zu verschwenden", mischt sie sich auch schon lachend ein.

"Ich mag eben diese lustigen Katzenvideos", rechtfertigt sich Jo.

"Schon gut", grinse ich. "Also - das Angebot von vorher steht noch?"

Jo nickt. "Klaro. Pizza, Chips und Bier, um fünf Uhr bei mir? Kommet und feiert, bis einer reihert!"

"Schon gut, Johannes! Lass es einfach", entgegne ich lachend und verwuschle ihm die Haare, die er sich genervt wieder richtet. Er schenkt mir einen verachtenden Blick, dann wendet er sich Sophie und Valentin zu, der neben ihm sitzt. "Du hast zwar 'ne gute Note, aber du kannst trotzdem kommen, wenn du willst." Sie schüttelt bedauernd den Kopf. "Hab keine Zeit. Muss leider Babysitten." Valentin zuckt mit den Schultern. "Ich würd gerne, aber ich hab' meiner Freundin versprochen mit ins Kino zu gehen."

"Schade. Na gut, dann bleibt es wohl oder übel bei uns zwei", antwortet Jo vergnügt. "Muss ich in schwarz kommen, um unsere Noten zu betrauern?", witzele ich. "Natürlich. Du sorgst für die Trauermusik und ich für die Blumen, damit wir sie nach dem Ersäufnis angemessen beerdigen können", entgegnet Jo ernst.

Sophie kriegt sich nicht mehr ein vor Lachen. "Ihr seid echt wahnsinnig bescheuert."

"Danke", sagen Jo und ich gleichzeitig, nur um Sekunden später in Sophies Lachen einzustimmen.

***

Nach weiteren vier Kräftezehrenden Unterrichtsstunden können wir endlich unsere Sachen packen und nach Hause gehen.

Am Weg zu den Spinds kommen wir an den Plakaten für Romeo & Julia vorbei.

"Hast du dich da eigentlich schon angemeldet?", fragt Sophie und mustert den Castingtermin.

"Ähm. Nein. Vielleicht mach' ich doch nicht mit, ich-"

"Das kommt auf gar keinen Fall in Frage, du feige ... Feige!", würgt mich Jo ab.

"Oh Gott Jo, lass bitte deine dummen Wortspiele", stöhnt Sophie. "Aber wenn du es nicht tust, dann tun wir es eben für dich!", bekräftigt sie, und gemeinsam schieben sie mich zum Sekretariat, wo man die Anmeldung ausfüllen muss.

"Aber Leute-", probiere ich es noch einmal, doch Sophie lässt mich gar nicht ausreden. "Du hast es Kim versprochen, und außerdem ist es eine richtig gute Chance. Du hast echt das Zeug dazu, vertrau uns."

"Was, wenn sie mich nicht nehmen?"

"Dann machen sie den größten Fehler ihres Lebens", antwortet Jo. Unentschlossen stehe ich vor der Tür des Sekretariats. Es stimmt, ich würde wahnsinnig gerne mitmachen. Aber ich habe Angst mich zu blamieren, falls sie mich nehmen. Falls. Davor wäre ja noch das Casting, vor dem ich jetzt schon Panik habe.

Aber was soll's.

Entschlossen klopfe ich an die Tür.

Pf, von wegen feige Feige. Jo hatte auch schon bessere Wortspiele parat.

Auf ein schnelles "Herein" öffne ich. "Ich würde mich gerne für Romeo & Julia anmelden", teile ich der Schulsekretärin mit, die hektisch auf die Tastatur ihres Laptops einhämmert.

"Die Formulare liegen da drüben. Einfach ausfüllen und herlegen. Ach, und die große Liste musst du dich auch eintragen", antwortet sie gestresst.

Ich nehme mir ein Formular, und fülle es unter Jos und Sophies strengen Blicken aus.

Bei dem Punkt Wunschrolle zögere ich kurz, dann kreuze ich Julia an. Wenn schon, denn schon. Und mit meinem Namen habe ich ja ganz gute Voraussetzungen.

Die große Liste entpuppt sich als eine Tabelle mit der Überschrift Casting für Romeo & Julia - 24. März - im Festsaal des Henri-Bergson Gymnasiums, auf der schon einige Namen eingetragen sind. Vor jeder Zeile steht eine Zeitspanne, jeder hat 10 Minuten Zeit, dazwischen sind immer 5 Minuten Pause eingeplant. Ich schreibe mich über einer Ema Jevtic ein, von 14:00 - 14:10.

Sophie betrachtet die Liste. "Hey, schau mal, Jo! Paul macht auch mit." Jo grinst. "Oh, das war definitiv eine Wette." Ich glaube, sie meinen den besten Freund von Jos kleinem Bruder. Die beiden schließen andauernd irgendwelche Wetten ab.

"Da sind aber nur Leute von unserer Schule eingeschrieben.", stellt Sophie nach erneutem studieren der Liste fest. Ich nicke. "Kim hat gesagt, dass die vom Reinkegym am Tag davor drankommen, die haben natürlich 'ne eigene Liste an ihrer Schule."

"Ach so." Sophie nickt. "Und, bist du mit dem Formular fertig?"

"Fast."

Mit zitternden Fingern setze ich meine Unterschrift und das Datum auf die dafür vorgesehene Zeile. Jetzt ist es amtlich.

Wie tausend ChilisWhere stories live. Discover now