1. Kapitel

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★Jax★

„Schatz, jetzt beeil dich doch mal!"

Dass er immer so lange brauchen muss!
Wozu bin ich denn mit einem Kerl zusammen, wenn er im Bad noch länger braucht als manche Mädchen?
Wenn er raus kommt, sieht er doch ohnehin noch genauso aus wie vorher.

„Stress mich nicht!", schreit er zurück.

Manchmal will ich ihn einfach nur erwürgen.
Aber dann erinnere ich mich daran, was er schon alles für mich getan hat und verwerfe den Gedanken wieder.
Er hat mir so quasi das Leben gerettet, da kann ich ihm seines doch als Belohnung nicht nehmen.

Ich höre, wie eine Tür zuknallt und im nächsten Moment schlendert Simon fröhlich pfeifend zu mir und grinst mich stolz an.

Meine rechte Augenbraue hebt sich wie von allein. „Sollte mir irgendwas auffallen oder so?"
Er schüttelt lachend den Kopf. „Ach vergiss es."

Er nimmt es mir nach zwei Jahren Beziehung endlich nicht mehr übel, dass es den Unterschied nicht erkenne, wenn er beim Friseur war oder irgendetwas Besonderes trägt.
Für mich sind solche Sachen einfach nicht so wichtig.

Ich liebe ihn ja nicht für seinen Haarschnitt oder seine Klamotten, obwohl ich mir eingestehen muss, dass er heute schon besonders gut aussieht.

„Wieso hast du dich so rausgeputzt?", frage ich zu ihm hoch, während wir zu Studentenbar laufen.

Unsere Wohnung liegt ziemlich zentral, so sind wir in der Nähe der Uni und der Stadt und doch im perfekten Abstand.

„Wieso nicht? Nur weil ich schon einen Freund habe, heißt das doch nicht, dass ich eingehen muss. Das ist wie bei einer Blume, Liebling. Selbst die schönste vergeht, wenn man sie nicht regelmäßig gießt"

Ich lache kopfschüttelnd.

Er hat schon Recht, aber es ist echt typisch, dass er sich selbst mit einer Blume vergleicht. Anfangs kommt er immer so schüchtern und süß rüber, aber in Wahrheit ist er einfach nur selbstverliebt bis zum Mond.
Aber ich stehe da drauf also who cares?

„Außerdem..." Wie beiläufig schlingt er seinen Arm um meinen Rücken, um die Hand in meine Pottasche zu stecken.
„Außerdem?", hake ich nach. Dabei weiß ich schon längst, was dieses Grinsen, das er gerade trägt, zu bedeuten hat.

„Außerdem will ich, dass du den Abend über ungeduldig wirst, sodass es dann in der Nacht schön wild wird" Simon grinst mich an und ich kann nicht anders als es zu erwidern.

Wenn mir vor drei Jahren einer gesagt hätte, dass eine Situation wie diese einmal geschehen würde... Ich hätte gelacht.

Aber nun betrete ich mit meinem Freund eine Studentenbar und fühle mich einfach nur wohl.

Simon hat mich aus einem tiefen Loch geholt, in das Reece mich nach unserem Sprung von der Brücke geworfen hat, hat sich um mich gekümmert, mir gezeigt, dass ich es niemals wert war, wie Reece mit mir umgegangen ist.

Unglaublich, dass wir damals beide so blind und dumm waren und für den jeweils anderen von dieser verdammten Brücke gesprungen sind.
Und ein Wunder, dass wir das beide überlebt haben.

Zwar waren wir über Wochen und Monate schwer verletzt, aber wir waren zusammen.
Das ist es immer gewesen, was wir wollten.

Aber Reece war es nicht genug. Er wollte mehr.
Er wollte etwas, von dem ich mich endlich befreit hatte, und deshalb haben wir uns getrennt.

Fast schon lächerlich, dass wir füreinander gestorben wären, aber nicht im Stande sind, zusammen zu leben.

„Liebling" Simon legt eine Hand an meinen Kopf und sieht mich besorgt an.
Er kennt alle Blicke in meinen Augen, erkennt wahrscheinlich, woran ich gerade gedacht habe und zieht mich seufzend in seine Arme.

Ich bin so unendlich froh, dass ich ihn habe.
Reece hat mich damals alleine gelassen.
Wegen ihm hatte ich kein Leben, weil alle mich für tot gehalten haben.
Ich war sogar verzweifelt genug, um wieder zu meiner Familie zurückzukehren, aber Simon hat mich abgefangen und mir geholfen.

Er hat mir eine neue Identität verschafft, wir haben mein Aussehen weitestgehend verändert und er ist mit mir weggezogen, sodass wir jetzt ein sicheres Leben haben, ohne meine Familie.

Obwohl er mich ein Jahr lang für tot gehalten hat und ich ihm vor meinem Sprung von der Brücke so quasi gesagt habe, dass ich ihn niemals lieben werde, hat er die Hoffnung niemals aufgegeben.

Simon liebt mich wirklich, er würde alles für mich tun, Reece nicht.
Er hatte die Wahl und er hat sich gegen mich entschieden.
Und ja, selbst 2 Jahre später bricht es mir noch das Herz, wenn ich nur daran denke.

Es ist einfach die Tatsache, dass meine erste große Liebe, für die ich mich selbst umgebracht habe, niemals dazu bereit war, alles für mich zu tun.
Behauptet hat er es, doch als es dann dabei war, das auch zu beweisen? Die Enttäuschung pur.

Simon würde mich niemals enttäuschen.
Simon hat sein Leben für mich aufgegeben. Das ist Liebe.
Genauso, dass er es akzeptiert, dass ich manchmal in meine Vergangenheit abschweife, dass er sich dann um mich kümmert, obwohl ich weiß, dass es ihm wehtut, wenn ich an Reece denke.
Aber mir tut es mehr weh.

Und trotz allem versuche ich mich zusammenzureißen, damit der Abend nicht komplett in die Brüche geht.

Simon und ich sind gerade mit dem dritten Semester an der Uni fertig und haben jetzt Ferien.
Das soll der Einstieg sein.

Er soll feiern und Spaß haben können, denn er hat es sich echt verdient. Sich mit 25 noch an einer Uni einzuschreiben und dann auch genommen zu werden, ist nicht gerade ein Leichtes.
Mich beschleicht auch manchmal der Verdacht, dass er nicht ganz legal einen Platz bekommen hat, aber es wäre auch ein Wunder, wenn in meinem Leben mal etwas auf rechtlichem Wege passiert.

Seufzend schmiege ich mich enger an Simon.

Wir stehen mitten auf der Tanzfläche und eigentlich dröhnen gerade Partylieder, doch wir kuscheln hier einfach nur stehend und ich finde es wunderbar.

„Ich liebe dich", murmele ich an seine Schulter.
Er löst einen Arm von mir, ehe er einen Finger unter mein Kinn legt und mein Gesicht zu sich hochdrückt.

In derselben Bewegung streicht er mir die langgewordenen Haare zurück und lächelt mich an.

Jedes Mal, wenn ich es ihm sage, strahlen seine Augen heller als verdammte Diamanten.

„Ich dich auch, mein Liebling.", lächelt er, ehe er sich zu mir runter beugt und seine Lippen sanft auf meine legt.

Die Liebe und das neue Leben (boyxboy)Where stories live. Discover now