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Tag 4

Ich lag in einem Krankenhausbett. Die weiße Bettwäsche kratzte und das stete Piepen meines EKGs im Hintergrund nervte mich. Aber was mich wirklich störte - und zwar jedes Mal - war der Geruch. Es roch nach Krankenhaus. Die meisten meiner Erinnerungen sind mit diesem Geruch verknüpft.

Ich erwachte allein. Ich öffnete einfach meine Augen und war wach. Zu mehr fehlte mir die Kraft. Ich war völlig ausgelaugt. Der Krampfanfall, der einige Tage zurücklag, hatte mich völlig ausgelaugt. Stumm starrte ich an die Decke. Ich glaubte nicht daran, dass ich dieses Krankenhaus wieder verlassen würde.

»Mortem?«, fragte ich leise und als ich meine Augen schloss und wieder öffnete, stand er neben dem Bett und sah auf mich herab. Er lächelte.

»Es geht los, nicht wahr?«, flüsterte ich. Mortem nickte bedauernd.

»Es tut mir leid«, sagte ich schwach. »Dass ich dann weg bin und du wieder einsam bist.« Mortem setzte sich neben mich auf das Bett und ich rutschte automatisch ein Stück zur Seite, um ihm Platz zu machen.

»Ich bin nicht mehr einsam, Jo«, erwiderte er sanft. »Du hast mich mal gefragt, ob ich nicht einen Freund hätte.« Mortem lehnte sich näher zu mir herab.

»Du bist dieser Freund, Jo.«

Eine Schwester kam herein.

»Oh Liebes, du bist ja wach«, sagte sie und kam zu mir ans Bett. Sie lächelte mich traurig an. »Deine Eltern sind gerade nach Hause gefahren, um sich etwas frisch zu machen. Brauchst du etwas?« Ich schüttelte matt den Kopf. Die Schwester nickte verständnisvoll. Dann ging sie wieder. Und auch Mortem verschwand mit einem Nicken.

Nach ein paar Stunden kam mein Arzt Dr. Daniel Harper. Er rauschte in mein Zimmer mit seinem wehenden Kittel und blieb am Ende meines Bettes stehen. Ich wandte meinen Blick von der Decke ab und sah ihn an.

»Jo«, sagte er nur. Sein Blick sagte mir vieles. Er sagte: Es tut mir leid. Er sagte: Dir wird es nicht besser gehen. Er sagte: Ich habe versagt.

»Danke«, krächzte ich. »Für alles.« Danny kam um das Bett herum an meine Seite. Dann setzte er sich halb auf mein Bett und drehte sich mit dem Oberkörper zu mir herum.

»Ich kann dir Medikamente geben. Betäubungsmittel. Du wirst keine Schmerzen haben«, erklärte er mir. Ich schüttelte sofort meinen Kopf, so sehr, dass mir schwindelig wurde.

»Noch nicht«, flüsterte ich. Ich wartete noch auf jemanden.

Sie kamen alle gegen Abend. Als Erstes meine Eltern. Meine Mum drückte mir einen Kuss auf den Kopf und strich mir zärtlich über das Gesicht.

»Wir lieben dich, mein Schatz.«, sagte sie. Dann setzte sich Mum auf mein Bett und Dad zog sich einen Stuhl heran und wir sahen zusammen eine dämliche TV-Show auf dem kleinen Fernseher in meinem Krankenhauszimmer. Dad musste oft lachen und Mum und ich gaben ihm deutlich zu verstehen, leiser zu sein, damit wir das Finale nicht verpassten. Irgendwann schlief Dad ein und Mum und ich lagen noch eine ganze Weile still nebeneinander.

»Ich bin stolz auf dich, Jo«, unterbrach meine Mutter die behagliche Stille zwischen uns. »Ich möchte, dass du das weißt. Du hast dich zu so einer unglaublichen Person entwickelt.« Ich drehte meinen Kopf und betrachtete das Profil meiner Mutter.

»Ich weiß, ich hab dir viele Sorgen bereitet«, gestand ich leise, um Dad nicht auf zu wecken. Mum zuckte die Schultern. Ihre dunkelblonden Haare breiteten sich um sie herum aus wie ein Fächer. Von der Seite konnte ich ihre Lachfältchen um die Augen sehen.

»Das tun doch alle Kinder. Es wäre wesentlich langweiliger, wenn dem nicht so wäre.« Mum wandte sich zu mir und grinste mich an. Auch ich musste leise kichern, wurde aber schnell wieder ernst.

The Bucket ListWo Geschichten leben. Entdecke jetzt