Tag 81 // Tag 79

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Tag 81

Es war wieder Mittwoch und ich saß wieder bei Dr. Della Bryson. Sie trug diesmal babyrosa und lächelte mich warm an. Ich zwang meine Mundwinkel in die Höhe.

»Also, wie war deine letzte Woche, Jo?«, fragte sie. Ich überlegte.

»Gut«, sagte ich und diesmal war es nicht einmal gelogen.

»Was hast du so gemacht?«, fragte wie weiter.

»Ich war Angeln. Mit einem Jungen aus der Schule. Und ich arbeite an einem Projekt für die Schule.«

»Wieso angeln?«, hakte sie interessiert nach.

»Das wollte ich immer schon einmal machen. Kyle hilft mir dabei, die Dinge zu tun, die ich noch erledigen möchte.«

»Weiß er, dass du krank bist?« Überrascht blinzelte sie.

Ich schüttelte heftig den Kopf. »Nur über meine Leiche.« Kurz lachte ich über meinen schlechten Witz. »Wir tun es zwangsweise im Rahmen des Projektes.«

»Worum geht es in dem Projekt?«

»Um mich. Und um ihn. Kyle. Wir müssen Profile voneinander erstellen.«

»Und kommst du gut voran?«, bohrte sie weiter.

»Was soll diese ganze Fragerei?«, fragte nun ich und verschränkte die Arme vor der Brust.

Meine Therapeutin seufzte. »Jo, für so eine Aufgabe muss man sich öffnen. Und ich glaube, du hast ein Problem damit, dich zu öffnen«, lenkte sie ein.

»Ich sterbe ja auch. Das muss ich nun nicht jedem auf die Nase binden, oder?«, keifte ich. Dr. Della Bryson nahm die Brille ab.

»Das ist nicht das, was ich meine. Dir fällt es extrem schwer, anderen Leuten zu vertrauen. Ich würde sogar behaupten, du hast Angst davor. Dieses Projekt in der Schule könnte dir helfen, zumindest jemanden in deine Nähe zu lassen. Ich spreche ja nicht davon, dass du ihm alle deine Geheimnisse erzählen sollst, aber ihn lediglich dafür zu missbrauchen, Dinge zu tun, die du noch nie getan hast, ist nicht fair. Das solltest du inzwischen schon gelernt haben.« Sie sah mich streng an.

»Den Leuten zu erzählen, man würde sterben, ist, als würde man erzählen, dass man für den Zweiten Weltkrieg verantwortlich ist. Das ist keine kleine Sache, die man mal eben vergessen hat, zu erwähnen. Sie ist weltbewegend. Nichts wird so sein, wie zuvor. Es ist mir lieber, alle sehen in mir das grimmige, wahrscheinlich drogensüchtige Mädchen, als das arme Ding, das sterben wird.«

»Was ist, wenn sie dich nicht so ansehen?«, meinte meine Therapeutin provokant.

Ich lächelte traurig. »Das werden sie.«

In der Schule grübelte ich über die Worte von Dr. Della Bryson nach. Ich wünschte, sie hätte recht, aber auch wenn ich mich sehnsüchtig an diese Vorstellung klammerte, wusste ich doch, dass es nicht so war.

Erst Nathalie brachte mich auf andere Gedanken, als sie mir davon erzählte, dass sie nach der Schule ins Altersheim musste. Und mich bat, mitzukommen.

»Was machst du da?«, fragte ich leicht irritiert.

Logan kicherte. »Die Gute muss Sozialstunden ableisten.« Er grinste Nathalie an, welche ihm prompt den Mittelfinger zeigte.

»Die Gute haut dir gleich eine rein«, drohte sie ihm. Schnell sprang ich dazwischen.

»Wieso musst du Sozialstunden ableisten?« Jetzt grinste Nathalie.

»Ich wurde schon drei Mal betrunken von der Polizei erwischt. Es gab erst immer eine Verwarnung, aber dem dritten Polizisten, der mich erwischte, reichte es.«

The Bucket ListWo Geschichten leben. Entdecke jetzt