🖤Teil 2🖤

643 28 48
                                    

»Mum? Dad?«

Mit langsamen Schritten ging ich auf meine Eltern zu.

»Natasha.«

Ein Glücksgefühl durchströmte meinen Körper und für einen Moment setzte sich ein selten vorkommendes Lächeln auf meine Lippen, doch im nächsten Augenblick verdunkelte sich meine Miene wieder. Ich stellte fest, dass ich in der Trainingshalle stand und wenige Schritte vor mir die Umrisse meiner Eltern zu sehen waren. Verzweiflung kam in mir auf.

»Holt mich hier raus, bitte!«, bettelte ich.

»Das können wir nicht, Nat.« Ihre Worte waren gedämpft.

Ich ging auf sie zu. Meine Schritte wurden immer schneller, doch es schien als käme ich kein Stück voran.

»Bitte!«

»Komm nicht näher. Warte auf den Falken.«

Die Umrisse meiner Eltern verblassten. »Nein, geht nicht!«

Ich schrak hoch und erblickte das große Zimmer.

Verdammt, schon wieder derselbe Traum.

Meine Atemzüge wurden wieder ruhig und gleichmäßig. Mein Blick streifte durch das Zimmer. Es war bereits hell und alle Mädchen schliefen noch. Ein Blick auf die Uhr an der Wand verriet mir, dass wir in wenigen Minuten vom Hausmeister aufgeweckt werden.

Ein ruhiger Moment. Alle schliefen tief und fest. Keine Schüsse, keine Schmerzensschreie, nur die tickende Uhr.

Ich beschloss in den Waschraum zu gehen, bevor die anderen Mädchen hineinstürmen.

Leise schlich ich zur Tür und öffnete sie langsam, damit sie nicht laut quietschte. Hinter mir schloss ich die Tür und atmete tief durch. Ich genoss weiterhin die angenehme Stille, als ich auf dem Weg zum Waschraum leises Gerede hörte.

Es kam aus Mrs Kasakow's Büro. Neugier erweckte mich und transportierte meine Beine an die angelehnte Tür zu ihrem Büro. Ich presste meinen Körper fest an die Wand und senkte meinen Kopf zur Seite, um besser hören zu können.

»So etwas unterstütze ich nicht.« Es war Tyler's Stimme.

»Du weißt, wie wichtig das ganze ist. Ich kann mir irgendwelche gutherzigen Bemerkungen nicht länger leisten.« Ich erkannte einen Hauch Verzweiflung in Mrs Kasakow's Tonlage.

»Nein, das war's. Ich kündige.« Durch den offenen Türspalt sah ich Tyler's Hand, welche Papiere hielt und sie über den Schreibtisch in Richtung Sessel reichte.

Plötzlich haute Mrs Kasakow auf den Tisch und stand auf. Ich wich einen Schritt zur Seite und spürte mein Herz rasen.

»Du hast einen großen Fehler gemacht. Geh davon aus, die Welt da draußen nie wieder sehen zu können, denn deine Arbeit ist hier. Für immer.« Mit jedem Wort wurde die Hexe lauter und aggressiver.

Angsterfüllt drückte ich mich von der Wand weg und rannte so schnell es geht in Richtung Waschraum. Dabei hörte ich eine Tür an die Wand knallen und bog so schnell es geht am Ende des Flures ab.

»Wer war da?«, brüllte Mrs Kasakow. Zitternd versteckte ich mich in den nächsten Raum und landete in der Besenkammer.

Mit jedem Schritt den sie näher kam pochte mein Herz umso schneller.

»Wer war da?«, fragte sie erneut, doch dieses Mal unsicherer.

Die Besenkammer war kleinräumig und mit jeglichen Putzmitteln ausgestattet, sodass ich mit jeder Bewegung etwas umkippen könnte.

Die immer näher kommenden Schritte machten direkt vor der Tür zur Besenkammer Halt. Sie musste nur den Griff herunterdrücken und ich wäre Tod.

Mein Herz pochte schneller und schneller, doch ich wagte es nicht zu atmen, sonst würde es Mrs Kasakow noch hören. Allein mein schnell schlagendes Herz war zu laut, doch plötzlich wurde das Pochen durch wildes Gerede im Flur übertönt.

Die Mädchen wurden aufgeweckt. Sie haben mich gerettet.

»Ich finde dich.« rief Mrs Kasakow warnend in den Flur und das laute klackern ihrer Absätze entfernte sich.

Nach ein paar Minuten traute ich mich, die Tür zu öffnen. Die Hexe war nirgends zu sehen, also rannte ich so leise wie möglich in den Waschraum und mogelte mich unauffällig durch die Menge.

Erst jetzt realisierte ich, was Tyler und Mrs Kasakow im Büro besprochen haben.

»Deine Arbeit ist hier. Für immer.«

»Hast du etwa doch trainiert? Du siehst so verschwitzt aus.«, bemerkte Lucy. Sie stand neben mir am Waschbecken und wusch sich ihre Hände.

Ich warf einen Blick in den Spiegel und - tatsächlich. Mein Gesicht war von Schweißtropfen umhüllt.

»Nein. Kein Training.«, antwortete ich trocken.

Ein besorgter Blick verriet mir, dass Lucy nachhaken würde.

»Hatte das Rotlöcken etwa einen Alptraum?«

Ich schaute sie etwas verdattert an. Sie weiß wovon ich träume und sie weiß auch, dass diese Träume mir nichts ausmachen.

Ich wischte ihre Frage zur Seite und zog Lucy am Handgelenk aus dem Waschraum.

Ich musste es jemandem erzählen.

»Was machst du denn da? Du tust mir weh.«

An einer stillen Ecke angekommen ließ ich ihr Handgelenk locker und blickte sie verängstigt an.

»Ich muss dir was erzählen.« Meine Hände fingen an zu schwitzen.

»Was ist denn los?«, fragte Lucy, die nun völlig außer Konzept war.

»I-Ich habe heute morgen Mrs Kasakow belauscht wie sie mit Tyl-«

»Du hast Mrs Kasakow's Privatsphäre verletzt?« Lucy starrte mich ungläubig mit großen Augen an.

»Naja, a-also könnte man so sagen. Jedenfalls wollte Tyler kündigen, aber Mrs Kasakow meinte irgendwas mit er werde hier für immer arbeiten.«

Ich zitterte am ganzen Körper. Auch Lucy schien das zu bemerken.

»Zwang ist doch nichts Neues in dieser Anstalt, also wieso hast du solche Angst?«

Mein Blick blieb fest an ihren Augen. »Sie hat mich fast bemerkt. Ich hatte solche Angst.«

Ich brach in Tränen aus und keine Sekunde später umarmte mich Lucy tröstend. Sie war wie eine große Schwester für mich.

Doch ich wusste, ich weinte nicht nur wegen der Sache mit Mrs Kasakow. Meine Tränen galten meinem Leben. Meinem Leben hier in dieser abscheulichen Anstalt.

Ich wollte nicht mehr für irgendwelche Einsätze und Missionen, die mich einen Dreck angehen, trainiert werden. Ich wollte einfach nur ein normales Leben führen.

Black Widow [FF]Where stories live. Discover now