19. Wie eine Nacht kürzer erscheint, als sie eigentlich ist

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Müde reckte ich mich, als wir auf dem Sofa saßen und sowohl Robin als auch Mum gar kein Ende fanden und immer weiter redeten. Vor allem Amelia wurde mit Informationen der Schwangerschaft versorgt, was wohl daran lag, dass sie im Gegensatz zu Gemma und mir immer wieder Fragen stellte und ehrliches Interesse zeigte. Dabei war es nicht so, dass es mir egal war, das Bild von meiner Mutter mir kugelrundem Bauch war nur sehr ungewohnt und ich wusste noch nicht, was ich davon hielt. Auch nach all den Monaten, die ich Zeit hatte, mich daran zu gewöhnen.

„Bist du etwa schon Müde?" Meine Mum sah mich mit ihrer typisch mütterlichen Art an. „Willst du ins Bett?"

Etwas verlegen sah ich zu Amelia, die mich leicht anlächelte. „Also ich könnte tatsächlich schon schlafen gehen", gestand sie mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. Sofort nickte meine Mum, sah uns dann aber etwas ratlos an. „Wir haben gar kein Gästezimmer mehr. Wo willst du denn schlafen?"

Amys Blick huschte zu mir und ich überlegte nicht lange. „Ich kann mir die aufblasbare Isomatte holen und sie bekommt mein Bett."

Meine Mum und Robin nickten und ich hätte Gemma am liebsten gegen das Bein getreten, damit sie aufhörte, mich so anzugrinsen. Aber sie sagte nichts dazu, sondern huschte mit den Worten, sie müsse ebenfalls dringend schlafen nach ihrem anstrengenden Tag, nach oben.

Amelia verabschiedete sich erst höflich von meiner Mum und Robin, bevor ich sie mit nach oben nahm und die Tür zu meinem öffnete, in dem es noch immer genau so aussah wie damals, als ich mit 16 in die große weit Welt gezogen war. Dusty lag wie so oft zusammengerollt auf meinem Kopfkissen und schnurrte zufrieden, als ich ihn hinter den Ohren kraulte.

„Du musst nicht auf der Isomatte schlafen Harry." Amelia stand so dicht neben mir, dass ich ihre Wärme spüren konnte.

„Wie? Wo soll ich denn sonst schlafen?"

Ihre Mundwinkel zuckten nach oben. „Eventuell in dem Bett, das hier steht?"

„Aber ich lasse dich ganz bestimmt nicht auf der Isomatte schlafen." Dazu war ich nicht erzogen worden und meiner Meinung nach gehörte es sich nicht, eine Frau auf dem Boden schlafen zu lassen, wenn doch ein weiches, warmes Bett zur Verfügung stand.

„Musst du auch gar nicht." Auf ihren Wangen zeichnete sich eine feine röte ab, die mich stutzen ließ. Leise räusperte sie sich, bevor sie weitersprach. „Dein Bett ist groß genug für uns beide."

Sprachlos sah ich sie an und war mir nicht sicher, ob ich sie richtig verstanden hatte. Amy lächelte ein wenig unsicher und richtete den Blick schließlich auf Dusty der immer noch zufrieden schlief. „Wenn du nicht möchtest, ist das auch okay. Ich verstehe das", redete sie nun weiter, offensichtlich hatte sie mein Schweigen falsch gedeutet.

„Nein. Ich meine, ich hab nichts dagegen. Ich war mir nur nicht sicher, ob ich dich richtig verstanden hab", nuschelte ich und fühlte mich einmal mehr wie mit 15, als es darum ging, das erste Mal mit einem Mädchen die Nacht zu verbringen.

„Okay." Leicht lächelte sie mich an und trat von einem Bein aufs andere. „Zeigst du mir das Bad?"

„Klar." Mit klopfendem Herzen zeigte ich ihr, wo sie sich umziehen konnte und tat das gleiche in meinem Zimmer. Amelia brauchte viel länger als ich erwartet hatte und das trug nichtgerade dazu bei, mich zu beruhigen. Immer wieder betete ich mir vor, dass sie einen Freund hatte, dass wir nur befreundet waren und dass eine Nacht im gleichen Bett nichts zu bedeuten hatte. Nur das ich mir dabei gar nicht so sicher war. Denn wenn ich ehrlich zu mir war, hatte ich noch nie eine Nacht mit einer Frau im gleichen Bett verbracht, ohne dass etwas passiert war. Und keine einzige von ihnen war wie Amelia.

LebenslichtWhere stories live. Discover now