4. Wie jemand die falschen Schlüsse zieht

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Das Frühstück, oder ehr das Essen, was wir um 15 Uhr zu uns nahmen, war Auslöser einen mittelschweren Diskussion zwischen uns. Darüber, wie wir unser Essen nennen sollten waren wir uns nicht einig .

Ich meinte, wir können es ruhig Mittag nennen, aber Gemma war der Meinung, dass es mehr Kaffee war. Das passte allerdings auch nicht so recht, immerhin aßen wir keinen Kuchen oder sonstiges Gebäck.

Irgendwann beschlossen wir, die Diskussion sein zu lassen und uns lieber noch etwas in London umzusehen.

Das Wetter war bescheiden, was für uns aber ehr von Vorteil war. Es waren nicht so viele Menschen wie sonst unterwegs und die Chance unerkannt zu bleiben, stieg etwas an.

„Zeig mir deinen Lieblingsort Harry. Wo bist du in London am liebsten?" Aufmerksam betrachtete meine Schwester mich von der Seite. Wir verließen grade das Restaurant und liefen durch den Nieselregen.

Nachdenklich lief ich neben Gemma her, ehe ich nach kurzem Überlegen abrupt die Richtung wechselte. Gemma konnte kaum mit mir mithalten, aus dem Konzept gebracht dackelte sie mir hinterher.

„Wo willst du denn jetzt auf einmal hin Haz?" Verwirrt versuchte sie, mit mir Schritt zu halten.

„Zu meinem Lieblingsort. Oder willst du ihn nicht mehr sehen?" Gemma musterte mich und folgte mir.

„Doch will ich, aber wir müssen keinen Sprint dahin zurücklegen. Schalte bitte mal einen Gang zurück. Der Ort läuft dir schon nicht weg", keuchte sie atemlos neben mir und griff nach meinem Arm, um mich so dazu zu bewegen, etwas langsamer zu gehen.

Ich kam ihrer Bitte nach und schlenderte dann mit ihr in einem gemütlichen Tempo durch die Straßen Londons. Als sie mich nach meinem Lieblingsort gefragt hatte, war mir sofort dieser eine Ort eingefallen, an dem ich mich auf Anhieb wohl gefühlt hatte.

„Das ist aber nur mein Lieblingsort in London Gemmy, meinen Lieblingsort auf der Welt zeige ich dir nicht", zog ich sie auf, meinte aber gleichzeitig auch, was ich meinte.

Meine Schwester ging nicht auf meine Worte ein. Sie sah sich nur aufmerksam um und schien alles was sie sah in sich aufzusaugen.

„Manchmal bist du ein echter Turi." Sanft stupste ich sie in die Seite und legte einen Arm um ihre Taille.

„Und du bist manchmal eine echte Nervensäge. Wenn du mich öfter zu dir einladen würdest, dann würde ich mich auch nicht wie ein Turi verhalten Haz."

Kommentarlos bog ich mit ihr in die Straße zu Clark's Music Hall ab. Ich wusste, dass ich mir mehr Zeit für meine Familie nehmen sollte, aber ich wollte sie nichts ständig einladen oder besuchen, sie sollten mich nicht als Klette oder nervig empfinden.

Je näher wir jedoch dem Musikladen und vor allem Amelia kamen, desto langsamer wurden meine Schritte. Ich hatte in den letzten Tagen wirklich oft an die junge Frau denken müssen, aber jetzt, wo sich mit tatsächlich die Möglichkeit bot, sie endlich wieder zu sehen, zögerte ich. Ich wusste nicht, wie ich mich ihr gegenüber verhalten sollte und vielleicht war sie auch gar nicht da, dann war mein Besuch hier hinfällig.

Meine Schwester deutete mein Zögern allerding falsch und hakte sich freundschaftlich bei mir unter. „Du brauchst keine Angst zu haben, dass ich dich für deinen Lieblingsort auslachen könnte Hazza. Wir wissen doch beide, dass du einen recht exotischen Geschmack hast", plapperte sie fröhlich drauf los und zog mich weiter mit sich die Straße herunter, bis ich schließlich vor Clark's Music Hall stehen blieb.

Lächelnd sah Gemma vom Schild des Geschäfts zurück zu mir und zog mich schließlich mit sich in den Laden hinein. „Dafür musst du dich nicht schämen Haz. Ein Musikgeschäft ist doch ein schöner Ort, passt zu dir."

LebenslichtWhere stories live. Discover now