Tag 9 // Tag 7

En başından başla
                                    

»Ich werde es vermissen, dir nicht jeden Tag auf den Sack gehen zu können. Aber ich gönne es dir, Logan. Du bist doch mein Freund«, sagte Nathalie und prostete Logan zu. Dann breitete sich ein Grinsen auf ihrem Gesicht aus. »Und außerdem komme ich euch am anderen Ende der Welt besuchen.«

»Das ist eine gute Idee«, sagte Maya und lächelte Nat an. Nat grinste und trank weiter von ihrem Bier.

»Und nach dem Reisen?«, fragte Kyle weiter. Logan überlegte.

»Eigentlich wollte ich immer sofort studieren. Aber das Leben hat doch so viel mehr zu bieten. Und lernen werde ich danach vermutlich genug. Also wieso nicht erst mal was von der Welt sehen?«

»Richtig so«, pflichtete ich ihm bei.

»Ich werde freiwillig im Altenheim aushelfen«, erzählte da Nathalie. Sie stellte ihr Bier vor ihre Füße und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, die Arme verschränkte sie hinter ihrem Kopf. »Die Golden Girls vermissen mich schon und so kann ich sie ein ganzes Jahr lang nerven, Geld sparen, um euch zu besuchen, und mir darüber klar werden, was ich eigentlich vom Leben möchte.«

»Und was ist mit dir?«, fragte Maya Kyle. Kyle zuckte die Schultern.

»Keine Ahnung. Ich habe meinen Platz in Harvard aufgeschoben. Ich habe mir noch keine Gedanken gemacht. Vielleicht jobbe ich hier und da ein bisschen. Vielleicht fahre ich eine ganze Weile einfach nur von Stadt zu Stadt. Vielleicht besuche ich euch auf euren Reisen, vielleicht helfe ich dir im Altenheim, Nat. Vielleicht mache ich einen Roadtrip einmal quer durch die Staaten. Ich lasse es auf mich zu kommen.« Kyle sah zu mir und lächelte. »Ich will meine eigene, ganz persönliche Sonne finden und wenn ich das getan habe, dann trete ich mein Stipendium an und studiere.«

Logan hob seine Flasche. »Carpe diem«, sagte er und trank von seinem Bier. Die anderen taten es ihm nach.

Ein dumpfer Schmerz machte sich in meinem Inneren breit. Ich wusste, dass meine Freunde zwar einen unbeschwerten Sommer geplant hatten, aber dass sie trotzdem trauern würden. Kurz schloss ich meine Augen, um mich zu sammeln und um nicht von einer Gefühlswelle überrollt zu werden. Als ich sie wieder aufschlug, entdeckte ich hinter meinen Freunden Mortem stehen. Er hatte die Hände in den Hosentaschen vergraben und nickte einmal lächelnd. Ich nickte zurück. Ich blinzelte und er war verschwunden. Weil er mir diesen Moment lassen wollte. Also sprang ich auf und klatschte ich in die Hände.

»Lasst uns tanzen, Leute. Dieser Abend ist so schön und ich war schon eine ganze Weile nicht mehr so ausgelassen wie jetzt. Lasst uns tanzen.«

Also taten wir es. Wir drehten die Musik lauter und tanzten zu fünft in der immer dunkler werdenden Sommernacht.

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Tag 7

Heute war ich wieder im Hospiz. Ich entschied mich dazu, früh zum Frühstück dazu zukommen und setzte mich zu den anderen. Mein Essen war anders als das der anderen. Ich bekam eine abgewandelte Version des Frühstücksbreis, den die anderen aßen. Doch mittlerweile fiel es mir immer schwerer, die einfachsten Dinge bei mir zu behalten.

Ich wurde immer kränker, das ließ sich nicht leugnen. Ich hatte immer weniger Kraft und musste mich mehrmals am Tag hinlegen, um zu schlafen, weil ich sonst einfach nicht über den Tag kam. Ich verlor immer mehr an Gewicht, weil ich nichts mehr bei mir behalten konnte. Und weil ich immer kränker wurde, musste ich immer mehr Tabletten nehmen.

Ich erinnerte mich noch, als ich einmal krank war, weil ich beim Fahrradfahren gestürzt war und eine Gehirnerschütterung hatte. Ich lag einige Tage auf der Kinderstation zur Überwachung. Ich spielte mit den anderen Kindern ein Spiel. Jedes Mal, wenn wir uns zusammensetzten, um unsere Mahlzeiten zu uns zu nehmen, zählten wir unsere Tabletten. Und wer die meisten Tabletten neben seinem Teller liegen hatte, hatte gewonnen. Und so übertrumpften wir uns und erzählten uns stolz, wie viele Pillen wir diesmal schlucken mussten.

Doch es gab dieses eine Kind, das irgendwie ein bisschen anders war. Blass und ohne Haare. Wann immer dieses Kind mitspielte, gewann es.

Es spielte keine Rolle, wessen Namen dieses Kind trug. Jedes Mal, wenn ich auf der Krankenstation lag, sei es, weil ich mir den Fuß gebrochen hatte oder eben von besagtem Fahrrad gestürzt war, jedes Mal war es ein anderes Kind. Ich sah nie dasselbe zwei Mal.

Und irgendwann begriff ich, dass der Gewinner dieses Spiels dem Tod ins Auge blickte.

Und nun saß ich im Hospiz und zählte meine Tabletten.

Am Vormittag gingen wir unserer Stillbeschäftigung nach und ich widmete mich meiner Geschichte für Sie, Mrs D. Ich schrieb die letzten Tage auf.

Irgendwann wurden wir zusammengetrommelt, weil wir eine Gruppensitzung hatten. Ich stemmte mich also vom Sofa hoch und lief mit den anderen in den Gruppenraum. Ich setzte mich und betrachtete die anderen. Und da fiel mir auf, dass Lucy, das kleine Mädchen, fehlte.

»Wo ist Lucy?«, fragte ich also prompt unsere Leiterin. Sie lächelte wehmütig.

»Lucy ist vor ein paar Tagen gestorben«, sagte sie leise. Das Mädchen neben mir strich mir mitfühlend über den Arm. Ich blinzelte. Ich konnte mich nicht mal verabschieden. Das war so unfair.

Von der Sitzung bekam ich nicht viel mit. Meine Gedanken kreisen nur um Lucy, meine Tabletten und dass mein Tod wahrscheinlich bald bevorstand. Irgendwann vibrierte mein Handy und ich las eine Nachricht von Kyle, dass er mich am Nachmittag besuchen kam.

Nach der Sitzung wartete ich also im Foyer auf ihn. Als er kam, warf ich mich in seine Arme. Er drückte mich fest und strich mir beruhigend über den Kopf.

Wir wanderten durch das Hospiz. Kyle erzählte mir von seinem Tag und ich erzählte ihm von Lucy.

»Logan und Maya haben heute ihren ersten Flug gebucht. Es geht nach Barcelona«, meinte Kyle schließlich. Ich lächelte halbherzig. Im Moment konnte ich mich nicht für die beiden freuen, im Gegenteil, ich war sogar ziemlich neidisch. Deshalb fühlte ich mich prompt schuldig. Kyle merkte, dass es mir heute nicht gut ging. Er steckte seine Hände in die Hosentaschen und lief schweigend neben mir her.

Als wir wieder im Foyer ankamen, entdeckte ich ein Bild von Lucy an einer Wand mit den Mitgliedern des Hospizes. In diesem Moment drehte ich mich um und stürzte zum nächstbesten Mülleimer. Dort übergab ich mich und würgte mein klägliches Mittagessen hinaus. Ich richtete mich auf und hielt mir meinen Bauch. Im nächsten Moment bekam ich einen Krampfanfall, verlor aber Gott sei Dank nicht mein Bewusstsein. Das einzige, was ich tat, war, mich vor Schmerzen zu krümmen und zu winden. Nach ein paar Minuten ließ er nach. Trotzdem war ich schon von einer kleinen Traube von Menschen umringt.

Kyle sah mich erschrocken an. Der Blick gab mir den Rest. Ich stemmte mich auf meine Füße, drängte mich durch die Leute und rannte die Treppen hinauf in den ersten Stock.

Ich verkroch mich in die letzte Klokabine, setzte mich auf den Boden und fing an zu heulen. Ich heulte für Lucy. Für meine Eltern und meine Freunde, die bald auch um mich weinen würden und ich heulte, weil ich leben wollte. Wieso musste es mich treffen? Ich wollte noch viel mehr Jahre für mich mit wunderbaren Ereignissen. Aber das bekam ich nicht.

Irgendwann fand mich Kyle. Ich fragte ihn nicht, was er in der Mädchentoilette suchte. Ich erklärte nicht, wieso ich einen Nervenzusammenbruch hatte. Ich sah ich nicht einmal an. Und Kyle?

Kyle setzte sich neben mich und nahm mich einfach in den Arm.

Es ist leicht, jemanden zu lieben, wenn er fröhlich und glücklich ist und die ganze Welt umarmen könnte. Was es schwierig macht, ist es, jemanden zu lieben, der so von seinen Gefühlen und Gedanken überrannt wird, dass er sich in den Schlaf weint.


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