»Das Mädchen«

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•Rob•

"Finja?" fragte ich sie etwas misstrauisch.

"Das ist auch dein echter Name?"

Sie schaute mich fragend an.
"Ja natürlich, warum sollte er es nicht sein?"
"Keine Ahnung." entgegnete ich.

"Was willst du, woher kennst du mich?" Immer noch misstrauisch betrachtete ich sie.
Eindeutig zu dünn angezogen für dieses Wetter und diese Uhrzeit, wirkte sie auf mich eher harmlos.

Sie war recht zierlich und sah brav aus. Außerdem schien sie so alt zu sein wie ich, erkennen konnte man das daran, dass sie quasi keine Schminke trug.

Oder ich täuschte mich aufgrund der Lichtverhältnisse.

"Ich kenne dich durch die Nachrichten, ich hab so erfahren, dass du der feste Freund von Simon bist. Irgendwie führte eins zum anderen und bin dir gefolgt. Das ist aber unwichtig, denn ich muss mit dir reden."

Sie wirkte nervös und etwas aufgekratzt, sprach relativ schnell und so als ob das gerade Gesagte keine Bedeutung hätte.

"Was willst du von mir?" fragte ich genervt und wollte mich zum gehen wenden, als sie meinen Arm nahm und mich festhielt.

Ruckartig zog ich ihn weg, ein dazugewonnener Reflex, seit der Sache mit Felix.

"Entschuldige" sagte sie kleinlaut, "aber es ist wichtig, dass du mir zuhörst."

"Sprich endlich!" so gereizt wie ich klang wollte ich nicht rüberkommen, allerdings sprach sie daraufhin weiter.

"Naja, Simon ist ja verschwunden. Ich weiß vielleicht wo er sein könnte."

Als sie das sagte, riss ich sofort die Augen auf und starrte sie an.

Sie könnte es wissen? Woher? Hektisch machte ich einen Schritt auf sie zu, woraufhin sie ein kleines Stück zurückwich.

"Wo ist er? Sag es mir, sofort!" fast brüllte ich sie an, allerdings war mir das egal.
Wenn es eine Chance gab ihn zu finden, dann wollte ich sie nutzen.

"Können wir dafür vielleicht irgendwo hin? In Ruhe lässt sich das besser besprechen."

Ich sah wie sie zitterte und auch mir war arschkalt.

"Ja ok. Komm mit." sagte ich ein bisschen verständnisvoll.
Allerdings lief ich so schnell, dass sie fast nicht mitkam.

Sie beschwerte sich aber nicht, allgemein machte sie einen eher zurückhaltenden Eindruck, so als ob sie niemandem zur Last fallen will.

Schon komisch, ich kannte dieses Mädchen nicht. Was wenn sie mich verarscht?
Egal, wenn sie wirklich einen Anhaltspunkt dafür haben könnte wo Simon ist, dann will ich auf jeden Fall alles darüber wissen.
Außerdem scheint sie irgendetwas über das Verschwinden von ihm zu wissen.

Zuhause angekommen setzte sie sich auf einen der Stühle und ich blieb stehen.
Eine kurze Zeit blieb es still, bis ich anfing zu reden.

"Also, wo ist Simon?" fragte ich sie ernst.

Kurz rutschte sie auf ihrem Stuhl hin und her und antwortete zögerlich.
"Also es ist eine Vermutung, jedenfalls eine ziemlich sichere. Ich kenne Simon und Felix von früher desh-" weiter kam sie nicht, denn ich schnitt ihr das Wort ab.

"DU? Du kennst Simon von früher? Und diesen Arsch Felix auch?"

Den Namen von Felix sprach ich voller Hass aus, diesen Kerl kannte ich bis jetzt nur von Erzählungen und anhand von Fotos, aber meine Abneigung ihm gegenüber brachte ich gern zum Ausdruck.

"J-Ja, wir waren früher sowas wie eine Clique. Wir hingen oft ab, bis wir halt Teenager waren und diese Sachen passiert sind. Von da an hab ich Felix gemieden, allerdings war Simon nicht stark genug und blieb bei ihm."

Sie schaute kurz traurig auf ihre verschränkten Hände.
Irgendwie war es faszinierend, von der Vergangenheit von Simon zu erfahren.

Er hat nie mit jemandem darüber geredet, deshalb wollte ich mehr erfahren. Da sie wohl merkte, wie sie abschweifte ,sprach sie schnell weiter.

"Naja, jedenfalls gingen wir alle immer in die selben Einrichtungen. Kindergarten, Grundschule und weiterführende Schule. Im Kindergarten haben wir uns kennengelernt, deshalb war das immer ein besonderer Ort für uns. Simon war zwar eine Stufe unter uns, jedoch genauso alt wie wir. Als wir in der 6. Klasse waren wurde der Kindergarten geschlossen. Zwar waren wir traurig, sind aber immer dort hin um zu chillen und Blödsinn zu machen. Es war unser Rückzugsort, um uns vor Problemen und ab und zu auch vor der Polizei zu verstecken. Niemand kannte bzw. kennt diesen Ort, es ist, als hätte es ihn nie gegeben. Als ich mich von den beiden zurückzog, sind sie immer noch dort hin."

Überrascht von ihrem Redeschwall schaute ich sie an.

Ich ließ ihre Worte noch einmal Revue passieren und fragte mich, was sie mir damit sagen wollte.

Als mir endlich ein Licht aufging holte ich tief Luft und riss die Augen auf.

"Das heißt Simon ist..." und schaute sie erwartungsvoll an. "...in diesem alten Kindergarten, ja." beendete sie meinen Satz.

Mich überkamen tausend Gefühle. Hoffnung, Freude und Aufregung machten sich in mir breit und ich konnte nicht anders, als das Mädchen zu umarmen.

Ich drückte sie wohl ziemlich fest, denn ihr Kichern ging in tiefe Atemzüge über.

Ich setzte das zierliche Mädchen ab und sprach bevor sie etwas sagen konnte. "Worauf warten wir? Los holen wir Simon!" aufgeregt schnappte ich mir ihren Arm und wollte sie mit zur Tür zerren, als sie plötzlich stehen blieb. 

"So einfach ist das nicht." meinte sie und schaute mich enttäuscht an.

"Warum? Wir gehen da hin, befreien Simon, übergeben Felix der Polizei und fertig."

"Nein eben nicht. Rob, dort sind Fallen. Viele Fallen, die zum Teil auch schwere Verletzungen verursachen können. Einfach so, unvorbereitet und unwissend, dort hin zu gehen wäre...Selbstmord. Damals war das schon ein wenig übertrieben, ich will nicht wissen wie schlimm das jetzt aussieht."

Erst wollte ich etwas entgegnen, doch meine Vernunft siegte. "Okay." sagte ich schließlich. "Was machen wir dann jetzt?"

"Einen Plan." sagte sie und holte einen Zettel aus ihrer Jackentasche.
Grinsend gab sie mir das Blatt, ich faltete es auseinander und atmete tief ein. "Was zur Hölle?" fragte ich sie ungläubig, erkannte aber was es darstellte und musste ebenfalls grinsen.

969 Wörter

Forever with You || CrispyWill [Beendet]Where stories live. Discover now