Do You Know What I'm Seeing?

Kapitel 9 - Folie à deux

"Und dann mussten wir komplett nass nach Hause laufen" so beendet Gerard seine Geschichte, wie er mal mit Frank schwimmen war und Handtücher vergessen hatten.

"Ihr seid auch echt zwei Idioten" sage ich mit einem gelachtem Unterton.

Wir sitzen wieder zusammen im Baumhaus - so wie wir es die ganze Woche getan hatten.
Jedes mal als ich ihn fragte, ob wir nicht ins Haus zu Lisa und Frank wollen hat er Nein gesagt. Und erklären will er es auch nicht, deshalb traue ich mich nicht weiter nachzufragen. Vielleicht versteht er sich nicht mit denen ?

"Hey Thalia, hat Lisa dich eigentlich weiter nach mir ausgefragt?"

"Ja das hat sie, und du weißt gar nicht wie weh es mit tut sie anlügen zu müssen. Sie kann es am meisten anscheindend nicht glauben, dass du den Namen Gerard trägst und rote Haare hast"

"Es tut mir wirklich leid Thalia. Aber glaub mir, es ist wirklich am besten für alle, wenn du mich nicht kennen würdest"

"Aber ich kenne dich gerne Gerard! Sag sowas nicht"

"Ich mag es doch auch dich zu kenne, aber..."

"Aber du kannst mal wieder nicht sagen wieso"

Er schweigt und schaut nur den hölzernen Boden an.

"Schon gut Gerard. Ich Frage nicht weiter nach"

Nach diesem Satz herrscht eine trübe Stille im Baumhaus. Gerard spielt mit einem Feuerzeug herum. Er sagte mir er raucht nicht, aber trozdem hat er immer ein Feuerzeug bei sich. Er meinte man kann nie wissen.

Ein knacken der Leiter außerhalb lässt uns beide zur Tür blicken, die kurz danach von Frank geöffnet wird.

"Frank, warum bist du hier?" Fragt Gerard, der sein Feuerzeug schnell versteckt.

"Ich wollte euch Gesellschaft leisten. Außerdem wundert sich Lisa mittlerweile was du Thalia immer 'alleine' im Wald treibst. Deswegen bin ich jetzt da"

Erst jetzt wird mir auch klar, dass Lisa sicher denkt ich sei verrückt.
Die ganze Woche bin ich immer nach der Schule hier her gekommen, und erst abends wieder nach Hause.

"Stimmt... dann muss ich das wohl ändern"

~

Früher als normaler Weise bin ich wieder bei Lisa zuhause angekommen. Frank und Gerard sind noch im Baumhaus geblieben.
Ich betrete durch die offene Hintertür das Haus. Bevor ich meine Stimme erheben wollte um Hallo zu sagen, höre ich wie Lisa und ihre Mutter sich unterhalten. Sie scheinen nicht bemerkt zu haben , dass ich da bin und ich kann nicht anders als zu lauschen, als der Name von Gerard in ihrem Gespräch gefallen ist.

"Ich bin mir wirklich sicher, dass Thalia Gerard erwähnt hat. Aber wie kann das denn sein? Er ist doch nur eine Kindheitsfantasie von Frank..." höre ich Lisa sagen.

"Ich weiß auch nicht wie das sein kann. Ich war auch bereits bei Franks Psychologen, und er meinte nur dass sowas durchaus sein kann. Aber auch nur wenn Thalia dasselbe durchgemacht hat wie er."

"Das ist ja schrecklich" entgegnet Lisa lauter als gewöhnlich.

"Das ist es... so ein Phänomen nennt sich Folie à deux meinte der Artzt nur."

"Hast du Thalias Eltern eigentlich erreicht Mama?"

"Nein. Und ihr Klassen Lehrer hat mir versichert, dass mit ihr alles in Ordnung sei. Sie ist zwar oft in Gedanken, aber sie ist nie aufgefallen"

"Uns was sollen wie jetzt tun, Mama?"

" Ich mache erstmal Abendessen, und du kannst später nochmal mit Thalia reden, ob der Junge wirklich Gerard hieß"

Die Schritte von Donna reißen mich aus meiner schockstarre und ich gehe die Treppe so schnell und so leise ich kann hoch.
Franks Kindheistfantasie?
Sein Psychologe?
Folie à deux?
Was hat das alles bitteschön zu bedeuten ? Und was hat Gerard damit zu tun.

In meinen Zimmer angekommen schnappe ich mir mein Handy um das mir fremde Wort zu googeln.
Das Internet bezeichnet das Phänomen Folie à deux nur als eine Psychose, dass zwei oder mehrere Personen dieselben Halluzinationen haben.

Aber ich habe keine Psychose. Und Frank hat auch nicht so gewirkt als ob er eine hätte. Allerdings kann man oft sowas jemandem nicht anerkennen.

Als mein Vater abgehauen ist war ich zwar mal bei einen Kinderpsychologen, aber daraus sind nie feste Sitzungen geworden, und mit mir war alles in Ordnung. Da war es warscheinlicher, dass meine Mutter eine Psychose hätte, anstatt ich.

Halluzinationen? Bedeutet das etwa, könnte es etwa sein, dass Gerard eine Halluzination ist? Und ich und Frank ihn sehen?
Aber das ist unmöglich. Jedoch würde das so vieles erklären. Unter anderem auch, warum Gerard nie mit unter Menschen will, und nie im Unterricht anwesend ist. Andererseits habe ich ihn angefasst. Er hat mich angefasst. Wir haben miteinander gesprochen.
Er ist echt, er muss einfach existieren.
Lisa und Donna müssen sicher was anderes meinen. Oder sie wollen mich nur reinlegen, als Strafe dafür, dass ich in letzer Zeit so wenig mit Lisa Unternehmen.

Meine Umgebung wird dunkel-blau und ich spüre mein Mittagessen in mir hoch kommen. Mit schnellen Schritten eile ich ins Bad. Kaum da angekommen lehne ich mich über die Toilettenschüssel und lasse alles aus mir raus.

Ich verliere jegliches Zeitgefühl, dafür Gewinne ich Lisa, die mich gehört hat und mir nun die Haare aus dem Gesicht hält.

~

"Geht's dir jetzt besser, Thalia?"
Fragt mich eine besorgte Lisa, die für mich eine Suppe kocht.

"Ja danke Lisa. Ich habe nur was unangenehmes Gelesen und musste mich an etwas erinnern"

"Schon gut. Die Suppe ist gleich fertig"

Noch nie in meinem Leben war ich glücklicher, nicht reden zu müssen.
Lisa verlangt keine Erklärung von mir, warum ich erbrochen habe, oder warum ich schon da war. Oder auch, was ich ich im Baumhaus im Wald treibe. Ich bin einfach froh, gelb orange von innen.

Allerdings weiß ich, dass Lisa mich wieder nach Gerard ausfragen wird, und ich sie nach Franks Kindheistfantasien. Und was alle vor mir verheimlichen.

Was Gerard wohl gerade macht? Ob er noch im Baumhaus mit Frank ist? Oder ob die beiden wieder an den See gegangen sind zum schwimmen? Obwohl, zum schwimmen wäre es mittlerweile zu Kalt, und auch zu spät. Andererseits sind das Gerard und Frank, die beiden Unternehmen viele verrückte Sachen, wenn man Gerards Geschichten glauben schenken kann.

Und ich weiß auch nicht, ob ich den folgenden Worten von Lisa auch glauben schenken kann.

"Gerard existiert nicht, Thalia"