Kapitel 6 - Look Alive Sunshine

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Endlich wache ich mal ausgeschlafen auf.
Und wieder einmal sehe ich nichts. Ich stehe auf und haste zum Lichtschalter, nur um von dem grellen Licht geblendet zu werden. Direkt danach gleitet mein Blick auch schon zu der Uhr über dem Schreibtisch . Diesmal zeigt er mir an, dass es 22:46 Uhr ist .
Wow ich habe echt lange geschlafen und werde bis morgen früh sicher nicht mehr schlafen können.
Eigentlich ist das Gar nicht so schlimm, morgen ist Samstag also muss ich nicht zur Schule.
Mein Blick wandert von der Uhr zu dem Schreibtisch darunter, auf dem ein Zettel liegt.

'Was ist passiert, du warst nicht mehr in der Schule und meine Mutter hat dich richtig aufgebracht gesehen?
Aber du schläfst so friedlich, da lass ich dich lieber schlafen. Wenn du reden willst komm ruhig zu mir, auch wenn es mitten in der Nacht ist.
Ich bin für dich da.
Lisa'

Wow. Lisa ist echt süß. Sie ist die ersten Person seit langem, die sich Sorgen um mich macht.
Ich öffne meine Tür und schaue zu Lisas Tür rüber, die geschlossen ist. Auch sehe ich kein Licht brennen.
Sie schläft bestimmt schon, deshalb beschließe ich, sie auch lieber schlafen zu lassen, und morgen ihr von meinem Retter zu erzählen .
Ich schließe wieder die Tür, und bewege mich in richtung Bett.
Was soll ich jetzt bloß tun ?
Es ist mitten in der Nacht, und ich bin kein Stück müde .
In diesem Moment meldet sich mein Bauch. Ich habe den ganzen Tag nichts gegessen, kein Wunder, dass ich Hunger habe .
Bevor ich so leise wie möglich zur Küche gehe, ziehe ich wieder den Pulli an, der noch auf meinem Bett liegt. Ich weiß auch nicht, aber ich fange an diesen Pulli sehr zu mögen.
Auf den weg durch den Flur in Richtung Treppe statte ich dem Bad nochmal einen Besuch ab, um meine Blase zu entleeren .
Das einzig komische hier ist, dass man es nicht abschließen kann . Vor der Tür hängt lediglich ein Schild mit 'Besetzt' ,welches man umdrehen kann.

Nun stehe ich vor einer weiteren Entscheidung. Was soll ich essen ?
Ich habe nicht wirklich Appetit also nehme ich mir einfach einen Apfel und Schütte mir ein Glas saft ein.
Als ich in den Apfel beise, schweifen meine Gedanken wieder zu Gerard, so wie sich der Junge von heute morgen vorgestellt hat.
Mir läuft ein kalter Schauer über den Rücken, als ich an seine strahlenden Augen denke. Diese ganze Situation mit ihm war komisch . Oder ist sowas in Amerika normal? Auch, dass er fließend deutsch konnte, und mich auch direkt auf deutsch angesprochen hatte, obwohl er mich nicht kannte .
Ich werde einfach nicht schlau aus ihm.

Ein knartschen auf der Treppe reist mich von dem Gedanken an Gerard weg , und lässt mich vor Schreck zusammenzucken. Als ich mich umdrehe, erhastet mein Blick direkt die roten Haare, und die brauen Augen, mit einem grünen Schimmer.

Vor Schreck fange ich an zu schreien, doch bevor nur ein Ton rauskam legte Gerard seine Hand auf meinen Mund.
Was macht er hier !?
Hat er mich etwa auch noch ins Haus verfolgt? Ich kann Gar nicht aufhören in seine weiche Hand zu schreien bis er seine Stimme erhebt .
"Hör doch auf zu schreien, Thalia"
Begeistert davon, wie seine dunklen Lippen meinen Namen formen, beruhige ich mich und höre auch auf zu schreien. Jedoch bekomme ich meinen Blick von ihm nicht ab, und meine Angst will mich auch nicht verlassen .

"Ich nehme jetzt die Hand weg, versprich mir nicht wieder loszuschreien"
Ich nicke, ohne zu wissen ob ich das Versprechen halten kann.
Gleich nachdem er seine Hand von meinem Mund gelöst hat, erhebt sich meine Stimme wieder.
"Was machst du hier Gerard? Verfolgst du mich etwa ?" Flüstere ich so laut ich kann.

Doch er fängt an zu schmunzeln und ich erblicke ein erneutes mal seine Augenfalten .
"Hat dir niemand von mir erzählt? Ich wohne hier" .
Mir fällt die kinnlade runter . Gerard wohnt hier? Ist er vielleicht Lisas mysteriöser Bruder? Warum hat Lisa mir das nicht erzählt? Naja, ich hätte sie auch selber fragen können...

"Wieso hast du mir das nicht schon in der Schule gesagt ? Wieso hattest du dich nicht am anfang vorgestellt? " sagte ich nur, und ich klang unhöflicher als ich wollte, aber ich brauche dringend mehr wissen, um den Magen in meinem Kopf zu füllen .

"Tut mir leid, das hätte ich vielleicht tun sollen. Ich will mich auch nicht rechtfertigen, ich habs einfach vergessen"

"Hmm. Und als du mich nach Hause gebracht hast, woher wusstest du, dass ich Lisas Austausch Schülerin bin ?"

"Naja, man hat mir von dir erzählt, bevor du hier angekommen warst. Und ich habe bilder gesehen, also von dir"

Nach diesem Satz herrschte Stille . Ich spüre ein komisches ziehen in meinen Magen, und ein Gefühl von Unwissenheit. Irgendwas stimmt an Gerard nicht. Ich beise wieder in meinen Apfel, und Gerard schüttet sich auch Saft ein, und setzt sich darauf hin gegenüber von mir an den Tisch.

"Aber in echt siehst du viel besser aus als auf dem Foto" grinst er und trink darauf hin einen Schluck.

Ich spüre die röte in mein Gesicht steigen, und hoffe nur, dass er es bei dem gedimmten Licht hier nicht zu sehen bekommt.

"D-danke ." sage ich während ich mich fast an meinen Apfel verschlucke.

"Tut mir leid, dass ich heute morgen keinen Satz von mir geben konnte, und du mich deswegen nachhause begleiten musstest . Auch wenn ich das alleine geschafft hätte. "

"Entschuldige dich nicht. Ich wollte dich auch nach Hause begleiten. Nicht dass die Typen wieder kommen, die dich in meinen Spind gesteckt haben."

Er trinkt wieder einen Schluck.

"Dein erster Schultag hier und dann passiert sowas . Du bist echt ein pechvogel, Thalia"

Als er meinen Namen sagt, muss ich wieder zusammenzucken. Ich kann mir nicht erklären wieso .

"Ah was. Ich war da sowieso nicht lange drinnen, du warst mir ja schnell zur Stelle. Danke"

"Immer wieder gerne" sagt er lächelnd zu mir.

" Was heißt hier immer wieder ? Willst du etwa, dass sowas nochmal passiert ?" Frage ich ihn gespielt empört .

"Nicht unbedingt, aber ich würde mich freuen, wenn du wieder auf mich fallen würdest."

"Das hättest du wohl gerne" sage ich und Strecke meine Zunge zu ihm aus.

Irgendwie Wundert es mich auch nicht mehr, dass er sowas sagt. Und trotzdem kann ich nichts schlechtes über ihn denken.

"Wieso trägst du eigentlich meinen Pulli?" Fragt Gerard nach einer kurzen Stille.

"Was das ist dein Pulli ? WARTE . Also war das deine Wäsche bei mir im Zimmer? Also warst das du, der nachts in mein Zimmer kam? "

"Ja und Ja. Keine Sorge, ich habe dir nichts angetan. Allerdings konnte ich nicht keinen Blick auf dich werfen . Süß hast du da in meinem Pulli geschlafen."

Ich kann es nicht glauben. Ich wusste doch, dass ich angestarrt wurde !
Aber irgendwie war es meine schuld . Ich hatte immerhin seinen Pulli an.

"Tut mir leid . Ich kann ihn dir jetzt wieder geben wenn du will-"

"Behalte ihn . Er steht dir sowieso besser als mir" grinst er mich mal wieder an .

Meine Gefühle fahren Achterbahn.
Ich verspüre Wut auf ihn, weil seine Art mich aufregt, aber es ist keine erliche Wut. Es macht ihn im Gegenteil interessant und sympatisch . Außerdem ist er unglaublich fürsorglich bis jetzt und auch nett . Aber auch Freue ich mich, aus einem unerklärlichem Grund .
Ich freue mich einfach, dass er hier ist und da sitzt. Dass er mit mir redet und mich nicht auslacht. Sowas passiert mir selten, so jemanden kennenzulernen .

"Danke" grinse ich ihn zurück an.

Und so verlief unser Gespräch weiter . Ich habe viel über Gerard erfahren. Zum Beispiel dass er bereits 20 ist, und an der Schule nur sein 'Abi' nachholt, da er nach der Schule eine Lehre angefangen hatte.

Er ist unglaublich sympatisch, aber auf eine komische Art und Weise. Ich spüre eine Farbkombination, eher gesagt eine neue Farbe in mir, welches ich noch nie hatte . Es fühlt sich warm an , und ich möchte es erkunden . Gerard lässt mich meine Gedanken vergessen, mit denen ich vorhin eingeschlafen bin, und bringt mich zum Lächeln, wie ich es schon lange nicht mehr getan habe.

Gerard ist der erste, der mich nicht verurteilt. Zumindest der erste Junge.

Und ich muss verdammt nochmal vorsichtig sein.

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