12. Angriff

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Wie mechanisch lief ich durch die leeren Gänge des Schlossen und vergrub meine Hände noch ein Stück tiefer in meinen Jackentaschen. Stumpf drang das Geräusch meiner Schritte an meine Ohren als ich durch eine große Tür in einen weiteren Gang trat, der genauso aussah wie der, aus dem ich gerade gekommen war. Ein blaues Licht stach mir entgegen und betrübt ließ ich meinen Blick auf den Boden gleiten, als mich der kalte Schein traf und ich zitternd den Reißverschluss meiner Jacke bis unter mein Kinn zog.
Es war kälter geworden in letzter Zeit. Mein Zimmer, die langen Gänge, die Anderen, die Gespräche und ich. Einfach alles wirkte wie eingefroren und selbst wenn ich von morgens bis arbens trainierte, um den Stimmen in meinem Kopf zu entkommen, kühlte mich der Eisblock in meiner Brust sofort wieder ab, wenn auch nur ein Stückchen Wärme es wagte, sich in mich zu verirren.

Fünf Tage war es nun her, seitdem Keith tot war.
War es wirklich schon so lange her?
Für mich gab es kein Morgen und Abend mehr, kein Heute und kein Gestern. Für mich verschwamm alles in der Routine, in der ich lebte.
Trainieren, bis mir jemand sagte, ich müsste mal wieder etwas essen. Dann würgte ich mir irgendwie einen Teller Schleim runter und trainierte weiter. Und das drei mal, bis Shiro irgendwann kam und mich ins Bett schickte.
Ich weiß nicht wie lange ich dann schlief, bis die Albträume kamen, aber es reichte anscheinend, um zu überleben. Jedes mal starb er vor meinen Augen und jedes mal war ich zu schwach, um etwas dagegen zu tun. Danach weinte ich vor mich hin, bis ich es nicht mehr aushielt und wieder trainieren ging.
Und das immer und immer wieder.

Bis heute, da Kolivan, Shiro und Allura beschlossen hatten, dass es an der Zeit war, weiter zu machen und die Einzelteile der Superwaffe zu beschafgen. Eigendlich wusste ich, dass sie Recht hatten und dass wir so schnell wie möglich dafür sorgen mussten, dass sie fertig gestellt würde. Aber Logig und Vernunft waren mir gerade so egal. Dass Einzige, was ich im Moment wollte, war allein zu trainieren oder jemanden abzuschießen.
Vielleicht hatte ich ja Glück und das Meeting mit Kolivan würde nicht so lange dauern, da wir die Missionen schon eigentlich alle besprochen hatten, nachdem Keith und ich damals die Pläne besorgt hatten.

Erschöpft atmete ich tief durch und trat zu der Tür, die zur Brücke führte. Eigendlich hatte ich mich immer auf solche Teambesprechungen gefreut, aber jetzt wurde mir bei dem Gedanken, einfach so weiter zu machen, die Zukunft zu planen, wieder als Team mit den Anderen zu arbeiten und dabei einfach so zu tun, als ob Keith nie existiert hätte, so übel, dass ich hätte kotzen können.
Aber da musste ich jetzt durch.
Ein letztes mal atmete ich tief durch, so als ob ich mich für einen Kampf bereit machen müsste und trat durch den Eingang.

Ich war noch nicht einmal ganz im Kontrolltaum, schon spürte ich die Blicke aller Anwesenden auf mir.
Nur Coran fehlte, er war im Maschinenraum um irgendetwas zu überprüfen oder zu reparieren.
Eigendlich war ihr Starren verständlich, da ich mich die letzten Tage engagiert darum bemüht hatte, so wenig wie möglich mit irgendwem zu sprechen. Mir war einfach nicht danach gewesen.
Normalerweise wäre es mir unangenehm gewesen, von allen so angestart zu werden, als würde ich gleich das Mittel gegen Krebs der ganzen Menschheit präsentieren müssen, aber nun, da die große Eiszeit in meiner Brust eingezogen war und mein Herz in einen Eisklotz verwandelt hatte, war es mir egal.

Fast schon gelangweilt setzte ich meinen Weg fort, ignorierte die besorgten Blicke von Hunk und Pidge und stellte mich mit etwas Abstand zu den Anderen vor den großen Bildschirn und schaute aus der Glaskuppel nach draußen.
Selbst das All, das immer so warm und bunt geleuchtet hatte, schien sich den Mantel der Trauer übergezogen zu haben und wirkte genauso leer und kalt, wie das Schloss und ich.
Winzig kleine, blass strahlende Punkte waren alles, was man mit zusammengekniffenen Augen erkennen konnte, wenn man lange genug nach draußen starrte.

Eine sanfte Berührung holte mich aus meinen Gedanken, und ließ mich innerlich zusammenzucken. Müde drehte ich meinen Kopf mach hinten und erkannte Allura, die ihre Hand auf meine Schulter gelegt hatte. Ein schwachen, aufmunterndes Lächeln lag auf ihren Lippen und auch wenn ich wusste, dass sie nur versuchte mir zu helfen, hatte ich im Augenblick nicht wirklich Lust, mit irgendjemandem zu sprechen. Ohne eine Mine zu verziehen sah ich wieder auf, zu dem Bildschirm und spürte sofort mein Gewissen, dass sich mit einem tiefen Schlag in die Magengrube meldete.
OK, das was unhöflich gewesen, ich war schließlich nicht der Einzige, der trauerte und dem es Scheiße ging.
"Danke, Allura."
Ein leises Flüstern, dass selbst ich kaum gehört hatte, war alles, was ich raus bekam.  Als Antwort drückte sie lediglich einmal mitfühlend meine Schulter und stellte sich dann ein paar Meter neben mir zu den Anderen, die sich mittlerweile auch vor dem Bildschirm versammelt hatten.
Auch wenn ich eigentlich ein sehr geselliger Mensch war und es vorzug mit anderen zusammen zu sein, war ich meinen Freunden im Moment einfach nur dankbar dafür, dass sie wussten, wann ich Abstand braucht um allein zu sein.

So wie ich bin.Where stories live. Discover now