Kapitel 2

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Lustlos spielte ich mit dem Bleistift in meiner Hand herum und starrte gedankenverloren auf das weiße Blatt vor mir. Nicht ein einziges Wort hatte ich zustande gebracht - und das, obwohl ich morgen einen Aufsatz von mindestens tausend Wörtern abgeben musste, wie Poppy mir mitgeteilt hatte. Und trotz der Tatsache, dass es hierbei um Jane Austen ging, herrschte in meinem Kopf völlige Leere.

Ich seufzte und stützte mein Kinn auf der Hand ab. Natürlich wusste ich genau, woher diese fiese Schreibblockade in meinem Kopf herrührte. Nämlich von niemand Geringerem, als derjenige, für den ich diese Arbeit schrieb.

Logan Black.

Allein an seinen Namen zu denken, tat so furchtbar weh, dass mein Herz sich anfühlte, als könnte es wie Glas in tausend Splitter zerbrechen. Ohne es verhindern zu können wanderten meine Augen zu meinem Handy, das vor mir auf dem Schreibtisch lag. Zum gefühlt hundertsten Mal an diesem Tag. Und obgleich mir klar war, dass der Bildschirm sicherlich keine neue Nachricht anzeigen würde, da ich vor genau einer Minute schon einmal drauf geschaut hatte, musste ich dennoch einen erneuten Blick wagen.

Nichts.

Wieder seufzte ich resigniert und donnerte den Bleistift auf den Schreibtisch zurück. Seit dem Vorfall im Krankenhaus letzte Woche hatte ich nichts mehr von Logan gehört, was mich allerdings nicht weiter verwunderte, denn sicherlich war sein Gespräch mit meinem Dad ebenso unschön ausgefallen, wie meins.

Ergeben ließ ich mich noch weiter in den Stuhl sinken und dachte an den morgigen Tag. Endlich würde ich wieder in die Schule gehen können. Eigentlich hatte der Arzt mich die letzte Woche vor Weihnachten noch krankschreiben wollen. Allerdings hatte ich mich vehement dagegen gesträubt. Ich wollte so schnell wie nur irgend möglich wieder zu meiner Normalität zurückkehren. Denn die letzten paar Tage hatte ich damit verbracht, von einem Beratungsgespräch zum nächsten zu rennen.

Wie sich herausstellte, war Diabetes mellitus doch nicht solch eine harmlose Krankheit, wie ich zunächst angenommen hatte. Ich war jetzt schon genervt davon, mir sechs Mal am Tag eine Spritze in den Bauch jagen zu müssen, um meine Blutzuckerwerte zu stabilisieren. Einfach nur lästig.

Wie aufs Stichwort ertönte ein Klopfen an meiner Zimmertür und einen Augenblick später streckte Dad den Kopf herein.

»Wir müssen deinen Zucker messen«, hörte ich ihn sagen.

»Ich weiß«, entgegnete ich frostig und vermied es, ihm ins Gesicht zu blicken. Seit unserem Gespräch vor einigen Tagen herrschte Stillschweigen zwischen uns. Unser Verhältnis war so unterkühlt, dass wir nur das Nötigste miteinander sprachen, was sich meistens auf meine Krankheit begrenzte.

Also ließ ich die Prozedur schweigend über mich ergehen, versuchte mir alles ganz genau einzuprägen und hoffte darauf, bald so viel Übung darin zu haben, dass ich meinen Dad zur Verabreichung des Insulins nicht mehr brauchte. Mein Arzt hatte mir sogar von anderen Therapieformen erzählt, einer Insulinpumpe oder auch einem Insulinsensor, der am Körper angebracht wurde und den Insulinspiegel über den Tag hinweg von selbst regulierte. Allerdings waren diese Therapieformen, wie der Arzt mir mitgeteilt hatte, sehr kostenintensiv und für mich als Neuling auf diesem Gebiet noch nicht zu empfehlen. Ich sollte zuerst einmal lernen mit dieser Krankheit zurecht zu kommen und das Spritzen des Insulins mit einem Pen verinnerlichen, ehe ich auf eine dieser Optionen zurückkommen konnte.

»Okay, das war's«, räumte Dad ein, nachdem ich mir das Insulin gespritzt hatte und den Pen wieder absetzte. Zum Glück waren die Nadeln so hauchdünn, dass man den Stich kaum spürte. Dad machte sich sogleich auch wieder auf den Weg zur Zimmertür. Im Augenwinkel erkannte ich, wie er kurz innehielt, als hätte er die Intention, noch etwas sagen zu wollen. Einen Wimpernschlag später war er jedoch schon zur Tür hinaus verschwunden.

Please stay with meWhere stories live. Discover now