Kapitel 7

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Heiligabend verlief genauso, wie ich es erwartet hatte.

Angespannt. Verkrampft. Langatmig.

Gemeinsam mit meinem Dad, Lukas und Mia hatten wir die Kirchenmesse besucht. Unterdessen garrte zuhause der Braten im Ofen, sodass wir gemeinsam zu Abend essen konnten, wenn wir zurückkamen. Und das taten wir. Schweigend. Die einzige, die noch einigermaßen Stimmung an diesem trostlosen Abend verbreitete, war Mia. Sie brabbelte wirres Zeug über Geschenke und den Weihnachtsmann. Zu meiner Schande musste ich zugeben, dass ich ihr gar nicht richtig zugehört hatte, zu sehr war ich in Gedanken versunken.

Nicht einmal die Tatsache, dass es an Heiligabend schneite, konnte meine Stimmung noch aufmuntern.

Gedanken darüber, wie sehr ich Mom an diesem Abend vermisste.
Gedanken über den Streit mit meinem Dad.
Gedanken an Tante Carolyn und Adam.
Gedanken über Logan. Was er heute Abend wohl machte?

Nach dem Abwasch saßen Dad, Lukas, Mia und ich noch gemeinsam im Esszimmer und spielten Brettspiele, während auf dem Fernseher im Hintergrund Tim Allens Santa Claus lief. Alles in allem war der Abend recht ereignislos, doch ich bemühte mich darum, gute Miene zum bösen Spiel zu mimen, denn ich wollte meiner kleinen Schwester keine schlechten Erinnerungen bescheren.

Kurz vor neun Uhr legte sich ein schläfriger Ausdruck über Mias Züge, woraufhin wir die Spiele beiseite räumten. Ich hatte Mia gerade zu Bett gebracht und mich wieder auf den Weg nach unten begeben, als die Klingel der Haustür ertönte.

Überrascht hob ich den Blick.

»Erwarten wir noch jemanden?«, fragte ich Lukas, der gerade aus der Küche kam.

»Joanna kommt noch«, hörte ich ihn sagen, als er auch schon eilig zur Haustür sprintete.

Joanna?

Erstaunt hob ich die Brauen und folgte ihm zur Haustür. Verbrachte Joanna Heiligabend denn nicht mit Logan?

Und tatsächlich, vor der Tür stand sie. Ihr blondes Haar war nach oben zu einem unordentlich Dutt gesteckt und sie trug eine weit fallende, rote Satinbluse auf ein paar schwarze skinny Jeans. Wie immer strahlte sie nur so vor Schönheit. Doch irgendetwas in ihrem Gesicht sagte mir, dass ihr Heiligabend ebenso mies gewesen war, wie unserer. Unter ihren Augen zeichneten sich dunkle Halbkreise ab und ihr Blick wirkte müde und erschöpft.

»Hallo«, ein schwaches Lächeln erschien auf ihren Lippen, als sie Lukas erblickte.

»Hey du«, Lukas begrüßte sie mit einem Kuss auf die Wange. Im ersten Moment empfand ich diese Vertrautheit zwischen den beiden als seltsam, da ich es noch gewöhnt war, dass Lukas so mit Poppy umging.

Auf den zweiten Blick allerdings erkannte ich es. Ich erkannte, wie die beiden sich ansahen, wie sie sich berührten - auf eine ganz andere Weise, wie es mit Poppy der Fall gewesen war. Die beiden begegneten sich auf Augenhöhe und die Verbundenheit, die man ihnen ansah, war eine ganz andere, wie die zwischen Lukas und Poppy.

Joanna passte viel besser zu meinem Bruder.

»Möchtest du etwas trinken? Wein?«, erkundigte sich Lukas und nahm ihr gentlemanlike den Mantel von den Schultern, um ihn an der Garderobe aufzuhängen.

»Wein klingt gut«, erwiderte Joanna lächelnd. Lukas nickte und verschwand daraufhin in der Küche. Unterdessen kam Joanna auf mich zu und zog mich zur Begrüßung in eine herzliche Umarmung.

»Hallo Drea.«

»Hey Joanna, ich wünsche dir frohe Weihnachten«, nuschelte ich, während ich ihre Umarmung erwiderte.

Please stay with meWhere stories live. Discover now