Kapitel 1

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lilalume1 gewidmet

Redakteurin vermisst! stand auf dem Titelblatt der Zeitschrift Smile. Eigentlich wollte ich es nicht lesen, da diese Zeitungen nur Tratsch und Klatsch beinhalteten, doch irgendwie interessierte mich diese Vermisstenmeldung. Mit einer Tasse Kaffee in der anderen Hand ging ich zum Wohnzimmer, wo meine Mutter am Computer saß und konzentriert auf den Bildschirm starrte. Vorsichtig stellte ich die heiße Kaffeetasse ab, entfaltete die Zeitung und räusperte mich laut, um die Aufmerksamkeit von Mom zu bekommen. „Hör mal, was die Smile auf ihrem Titelblatt zu stehen hat:

Redakteurin vermisst! Am 17. Juni um circa 15 Uhr, verließ unsere mutige Sarah Emells die Zentrale unserer Nachrichtenagentur, mit dem Ziel, ein Interview mit dem Direktor einer Schule in Berlin zu führen. Doch sie kehrte nicht zurück, hinterließ keine Nachricht, weder schriftlich noch telefonisch. Seitdem wird sie als vermisst gemeldet. Zu dieser Zeit trug sie schwarze Absatzschuhe, blaue Jeans und eine orangefarbene Jacke. Wer sie gesehen oder irgendwelche Hinweise hat, bitte sofort bei der Polizei melden oder rufen sie uns an, unter...Ich dachte sie schreiben nur über Promis und so. Wie kann überhaupt eine Redakteurin spurlos verschwinden?“ murmelte ich am ende leise vor mich hin. „Schätzchen, leider ist es heutzutage fast alltäglich, dass irgendwelche Menschen verschwinden und man sie entweder nie oder als Tote wiederfindet.“ Mit einem Seufzer meinerseits landete die Zeitschrift im Papierkorb, womit das Thema beendet war.

Meine Mutter hockte nun schon den ganzen Vormittag vor dem Computer, suchend nach passenden Internaten. Ja, meine Schulzeit an der Friedrich-Hochschule war nun endgültig vorbei, nicht als hätte ich den Abschluss gemacht. Ich war erst sechzehn, nur mein Problem war, dass ich diese Schule hasste und damit meine ich nicht das Hassen, das jeder Schüler empfindet, sondern richtiges Hassen. Erstmal hatte ich dort überhaupt keine Freunde gehabt, die meisten Mädchen führten sich auf wie Zicken, denen angeblich die Welt gehörte und die Jungs waren hormongesteuerte Affen, die sich jede Pause um ihr Schulbrot prügelten. Ein paar Leute waren ganz okay, aber sie ignorierten mich alle eiskalt. Nächster Punkt waren die Lehrer, hauptsächlich steinalte Exemplare, bei denen man die Antwort auf ihre Fragen durch den ganzen Klassenraum brüllen musste, damit sie einen verstanden. Wir hatten nur ein Schulgebäude und einen kleinen gepflasterten Schulhof gehabt, auf den sich täglich 900 Schüler quetschten. Es war fast der schönste Tag in meinem Leben gewesen, als mom mein Flehen erhört hatte und meinte, sie würde mich auf eine andere Schule schicken. Leider hatte sie dabei vergessen zu sagen, dass ihr eher ein Internat vorschwebte. Als ich dies erfuhr, hielt sich meine Begeisterung ersteinmal in Grenzen, weil ich eher ein Bücherfan und ziemlich menschenscheu bin. Seit Freitag verbrachte sie nun jede freie Minute, ein Internat zu suchen, das ihr und mir gefiel, was extrem schwierig war, da unsere Geschmäcker beide sehr verschieden sind. Meinen Dad hatte ich nie kennengelernt und wenn ich nach ihm fragte, wich meine Mutter immer aus. Mit der Zeit hatte ich aufgehört Fragen zu stellen und mich mit der Situation abgefunden.

Es war das Wochenende der fünften Sommerferienwoche und ich bekam jetzt schon Bauchschmerzen, wenn ich daran dachte, in einer Woche in eine neue Schule zu gehen, in der ich praktisch das ganze Schuljahr über war. Am Anfang der Ferien hatten wir bereits einigen Internaten geschrieben, Zusagen bekommen, ja sogar besucht hatten wir reichlich davon. Ich mochte sie alle nicht. Also starteten mom und ich einen letzten Versuch, vielleicht spontan ein Besseres zu bekommen. Bisher hatten wir kein großes Glück...

„Schätzchen, komm mal her! Das hier sieht doch wirklich schön aus, oder?“ Interessiert guckte ich über ihre Schulter und erblickte zuerst ein Foto mit einem riesigen Schulgelände, im Vordergrund drei lächelnde Schüler, die sich unterhielten. Während meine Mutter langsam herunter scrollte, überflog ich den Text.

...großer, grüner Garten... Schulgebäude mit 40 Klassenräumen... Zimmer für jeweils vier Schüler... Unterricht bis zur achten Stunde...

Klang wirklich nicht schlecht. „Oh, ähm, ich denke das fällt schon mal raus!“ sagte meine Mutter zu meiner Überraschung. „Nein warte! Was hast du denn? Das klingt doch wirklich gut!“ Ohne ein Wort scrollte sie bis ganz nach oben und klickte auf Home, wo man den Namen des Internats deutlich lesen konnte, darunter fast zu übersehen und klein geschrieben, dass diese Schule ausschließlich nur für Jungen zugelassen war. Mit einem vernichtenden Blick auf diesen kleinen Textabschnitt, wandte ich mich schließlich ab und ließ mich auf die Couch fallen. Unterdessen sank meine Motivation bis zum Mittelpunkt der Erde.

„Ich glaube, wir können es aufgeben. Wir haben eh alle Internate in Deutschland gegoogelt und werden bestimmt kein weiteres finden, das wir noch nicht kennen. Ich suche mir einfach eins aus, das schon zugesagt hat!“ brummte ich. „Aber, aber. Verliert da jemand die Hoffnung? Hör zu, wir werden... Ah diese blöde Werbung immer!“ unterbrach sie sich, als der Computer automatisch eine Werbeseite für Real anzeigte. Sie versuchte sie wegzuklicken, öffnete dabei aber eine neue Seite. Ich konnte förmlich spüren, wie sie wütender wurde und dem Bildschirm, der eigentlich gar nichts dafür konnte, tötende Blicke zuwarf. Meine Mutter war echt ein hoffnungsloser Fall in Sachen Technik. So erbarmte ich mich ihrer, stand auf, ging zum PC, erlangte die Kontrolle über die Maus und klickte gekonnt auf die roten Kreuze in der Ecke. Sie hatte es tatsächlich geschafft fünf neue Seiten zu öffnen! Gerade wollte ich die letzte Seite endgültig verschwinden lassen, als ich innehielt.

Angel Academy.

Die Homepage war nicht gerade toll gestaltet (schwarz, weiß), aber in der Beschreibung stand, es sei ein Internat für Mädchen und Jungen, im Alter von 14-18 Jahren und vergebe nur noch einen freien Schülerplatz. Langsam richtete sich auch mom auf und überflog den Wilkommenstext, sichtlich entspannter, als vor einigen Minuten. Ein fragender Blick ihrerseits und ein bettelnder Blick meinerseits führten dazu, dass sie etwas später dabei war, die Bewerbungsformulare auszufüllen. Ich wusste nicht warum, aber ich wollte mir diese Akademie unbedingt einmal aus der Nähe anschauen. Außerdem hörte sich der Name für einen Bücherleser und Fantasyfan sehr verlockend an, obwohl ich keine Ahnung hatte, wie man eine Schule so benennen konnte.

„Ich drücke jetzt auf schicken, okay?“

„Ja! Tu es!“ Ein Klick und meine Daten waren unterwegs zur Leitung des Internats. „Ganz ehrlich? Von dieser Bildungseinrichtung erwarte ich nicht so viel. Noch nie habe ich Angel Academy gehört, geschweige denn in Zusammenhang mit einer Schule für Jugendliche. “Zur Antwort zuckte ich nur mit den Schultern und ließ mich wieder auf das Sofa plumpsen. Plötzlich ertönte der Ton, der ankündigte, dass eine email angekommen war. Sofort ging sie in ihr Postfach und murmelte nach einiger Zeit: „Wow, die waren aber schnell.“

Neugierig, was sie bekommen hatte ging ich wieder an ihre Seite und stutzte. Die Angel Academy hatte geantwortet. Bevor ich mir alles durchlesen konnte, meldete sich mom schon wieder ab und fuhr den Computer herunter. „Hey, ich wollte vielleicht auch lesen, was meine möglicherweise zukünftige Schule mir geschrieben hat!“ Rasch holte sie einen Zettel hervor und schrieb eine Adresse darauf. „Es war eine Zusage.“ sagte sie stolz. „Wir sind nächste Woche mittwochs eingeladen, das ganze Schulgelände zu besuchen, in Berlin Odeon-Straße 11. Ach ja, sie freuen sich, dass du gerne in ihr Internat gehen würdest, fühlen sich geehrt und so weiter...“ Mit diesen Worten stand sie auf, gab mir einen Kuss und eilte ins Schlafzimmer, um sich zurecht zu machen und dann einkaufen zu gehen. Innerlich freute ich mich schon auf Mittwoch. Noch nie zuvor wollte ich so gerne in eine Schule gehen.

So, wie geschrieben, das erste richtige Kapitel.  Bitte kommentiert auch hier, wie es euch gefällt und was ich verbessern kann.

Bis Bald :)

Angel AcademyWhere stories live. Discover now