Kapitel 26

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Wieder ein Schuss ins Rote. Zitternd steckte der Pfeil in der Mitte meines Ziels und Frau Varen klatschte daraufhin begeistert mit ihren Händen.

„Sehr gut, deine Technik und die Zielgenauigkeit werden immer besser! Du machst Fortschritte." sagte sie, während sie sich daran machte, die versenkte Spitze des Pfeils wieder herauszuziehen, was ihr sichtlich Mühe abverlangte.

„Könnte ich vielleicht einmal aus einer anderen Entfernung zielen oder mit einem anderen Bogen schießen?" fragte ich etwas frustriert. So langsam hatte ich nämlich den Dreh raus, sodass ich eine Abwechslung gebrauchen könnte. Am Anfang meines Unterrichts hatte es ja noch Spaß gemacht, aber mittlerweile wurde es mir einfach zu langweilig immer dieselbe Übung auszuführen. Eine andere Entfernung wäre nicht schlecht, oder noch viel besser: bewegliche Ziele. Gut, wahrscheinlich war ich dazu wirklich noch zu sehr Amateur, doch es würde wohl kaum einen Dämonenschatten oder etwas anderes Unheimliches geben, dass absolut stillstand, wenn ich es erschießen wollte. Sehr unwahrscheinlich.

Meine Lehrerin schnalzte auf meine Frage missbilligend mit der Zunge.

„Celina, unter anderem brauchen Bogenschützen auch Geduld. Das ist in dieser Kampfart besonders wichtig! Sieh es einfach als Geduldstraining, du musst zuerst deine Grundlage stabilisieren, bevor wir überhaupt mit etwas anderem beginnen können." belehrte sie mich in einem Tonfall, der deutlich machte, dass sie daran gewöhnt war, Jugendliche in meinem Alter zu korrigieren. Innerlich seufzte ich und zog die Sehne des Bogens zurück, um ein weiteres mal, wie so oft in dieser Stunde, den langen Pfeil in die entfernte Kunststoffscheibe zu schießen.

*****

Der tiefe Gong erklang auf die Minute genau und befreite mich somit von Frau Varen und ihrer tollen Methode, mich immer das Gleiche machen zu lassen. Zufrieden, da mein Pfeil heute öfter als sonst seinen geplanten Bestimmungsort gefunden hatte, legte ich Bogen mitsamt Köcher an die Seite und verabschiedete mich von meiner Lehrerin.

Mit neu erlangter Freude trat ich aus der großen, nicht ganz so gut riechenden Halle und lief die endlosen Flure entlang. Als ich diese zum allerersten Mal beschritten hatte, war es mir wie ein Labyrinth vorgekommen, doch nun kannte ich mich hier so gut aus, dass ich jeden Winkel kannte. Nicht zuletzt sollte ich wahrscheinlich Hailey danken, die mich immer mit großer Geduld durch Flure, Treppen und Klassenräume hindurchschleifte, zu welchen sie mir immer eine passende Geschichte liefern konnte. Belustigt dachte ich daran, wie sie mir im zweiten Stock, den Flur links nach der Treppe, von Tiadara erzählte. Ein Mädchen in unserem Alter, hatte bereits Flügel, Spinnenphobie. Tja, und ausgerechnet an einem Tag, an dem ein Mitschüler sein geliebtes Haustier vermisste -eine Vogelspinne- trafen beide aufeinander. Man konnte nicht sagen, wer sich mehr erschreckte, und obwohl mir Spinnen nicht symphatisch waren, tat mir dieses Exemplar leid. Natürlich reagierte Tiadara wie jedes andere Mädchen, das Spinnen eklig findet: Panisch werden und anfangen zu schreien. Was allerdings ein Riesenproblem von Nephilim ist, dass die Flügel dann in solchen seltenen Panikattacken ganz automatisch aus dem Rücken treten und ebenfalls wild um sich schlagen. Meine Freundin erzählte mir, dass die Flügel nicht so weich und flauschig sind, wie sie scheinen. Jedenfalls können sie wie riesige Messer, alles aufschlitzen, was ihnen in den Weg kommt. Zuerst wollte ich das gar nicht glauben, ich konnte mir das einfach nicht vorstellen. Doch Hailey hob einen Wandteppich im Flur leicht an und darunter konnte ich eine centimeter tiefe Schramme ausmachen. Die Flügel vom besagten Mädchen hatte dicke Kerben in die Wände geschlagen, erklärte sie mir.

Eine unglaubliche Geschichte, fand ich. Zwar war es für mich immer noch schwer vorstellbar, dass Nephilimflügel sogar Stein durchtrennen konnten, aber wenn Hailey das sagte, musste es stimmen. Zumindest tat es das bisher immer.

Unterdessen hatte ich den schuleigenen Park erreicht und schlenderte gemütlich den Sandweg entlang. Meine Freundinnen und ich hatten uns zum Picknick verabredet. Leider zählte dazu nicht nur essen bis nichts mehr hineinpasst, sondern auch Hausaufgaben und für Prüfungen aller Art mussten gelernt werden, aber zusammen macht ja bekanntlich alles mehr Spaß.

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