Gegenwart und Vergangenes

897 41 11
                                    

„Gureeen~"
Keine Antwort.
„Hey, Gureeen~."
Stur lief der Schwarzhaarige weiter.
„Komm schon. Ignorier mich nicht."
Abrupt blieb er stehen und drehte sich genervt zu seinem weißhaarigen Freund um.
„Was ist?", fragte er, während er das breite Grinsen seines Freundes betrachtete. Doch dieser zuckte nur mit den Schultern.
„Nichts. Du ignorierst mich nur schon den kompletten Tag."
Guren verdrehte die Augen. Zwar hatte Shinya irgendwo recht, aber ‚den kompletten Tag' war maßlos übertrieben. Zudem war dies nun wirklich nichts besonderes. Von dem ersten Tag an, seit sie sich in der Highschool kennen gelernt hatten, war ihm Shinya auf Schritt und Tritt gefolgt. Doch der eigentliche Grund dafür, dass er ihn ignorierte, war, dass der Weißhaarige mehr als nur nervig war. Nicht einmal Mito war so schlimm was dies anging, obwohl sie schon sehr an der Grenze kam.

Shinya wartete darauf, dass sein Freund irgendwas antwortete, doch dieser starrte ihn einfach nur genervt an. Der blauäugige legte den Kopf schief und fragte:
„Ist was? Hab ich irgendwas im Gesicht oder bewunderst du es einfach nur, weil es so wunderschönes ist?"

Gurens Augen verengten sich augenblicklich, bevor er sich umdrehte und kopfschüttelnd weiterlief. Sein Freund hatte sich in den letzten Jahren überhaupt nicht verändert.
Sein Blick wanderte hoch in den blauen Himmel. So einen friedlichen Moment wie jetzt hatten sie selten. Seit dem Tag an dem der Großteil der Menschheit ausgelöscht wurde und die Reiter der Apokalypse, sowie die Vampire aufgetaucht waren, hatten sie alle Hände damit zu tun zu überleben. Mittlerweile haben sich zwar die Überlebenden der Situation angepasst, doch sie befanden sich trotzdem seit einigen Jahren im Dauerkrieg.

Shinya folgte dem Blick seines Freundes und betrachtete das helle Blau. Dann legte er seine Hand auf Gurens Schulter und fragte leise:
„Vermisst du die alten Tage? Die Tage, bevor Weihnachten?" Jegliche Fröhlichkeit war aus seiner Stimme verschwunden. Sie war ernst und vielleicht auch etwas traurig. Der Ichinose schwieg kurz, bevor er antwortete:
„Ich weiß nicht, ob es damals wirklich so viel besser war."
Shinya lief vor seinen Freund und drehte sich zu ihm um.
„Hast ja recht." Seine Tonlage hatte wieder den normalen Ton angenommen und ein Grinsen zog sich über sein Gesicht.

Guren sah Shinya nachdenklich an. Mittlerweile kannte er den Weißhaarigen lange genug, um manchmal zwischen dessen echten und falschen Grinsen unterscheiden zu können. Zwar war es selbst für ihn noch extrem schwer, doch diesmal wusste er, dass die Fröhlichkeit des Scharfschützen nur gespielt war. Shinya hatte ihm zwar bis jetzt noch nicht wirklich etwas über seine Vergangenheit erzählt, jedoch reichten die Informationen, dass Shinya in die Hiragi-Familie adoptiert wurde und der Verlobte von Mahiru Hiragi war, aus, um zu wissen, dass er es ziemlich schwer gehabt haben muss. Schon öfters hatte Guren sich gefragt, wer von den zweien es wohl schlimmer gehabt hatte. Auch wenn seine Familie verachtet worden war, hatte er immerhin eine richtige gehabt.
Guren beobachtete wie sein Freund sich wieder nach vorne drehte und mit federnden Schritte dem Weg folgte. Stumm seufzte er. Vergangenes hin oder her, die Bürde, welche er sich bei dem Vorfall an Weihnachten aufgeladen hatte, musste er ganz alleine tragen.
Niemand durfte es erfahren.
Und jedesmal, wenn er Shinya oder sein Team sah, wurde er daran erinnert.
Plötzlich blieb sein Freund stehe und lächelte:
„Also dann bis zum nächsten Treffen."
Guren nickte und erwiderte Shinyas Winken. Dann trennten sich die beiden und liefen in unterschiedlichen Richtungen zu ihren Wohnungen.

Gureshin ~ Leben oder ÜberlebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt