Heartracer

2.

Ich bin eine ganze Weile unterwegs und es ist schon Abend, als Kaiden mich anruft. "Schwesterchen, kannst du mich abholen? " Nüchtern klingt anders.
"Sure. Wo bist du? "
Kein Problem, ich bin unterwegs, und meine Orientierung ist tatsächlich extrem gut trainiert. Klar, ich muss meine Umgebung mit geschlossenen Augen kennen.
Von weitem sehe ich Kaiden auf mich warten- die Jungs sind noch bei ihm.
Dann muss ich ja ordentlich fahren...
Ich steige aus und gehe auf die Gruppe zu.
"Was habt ihr denn gemacht?" Lache ich. Alle 4 sind nicht nüchtern- sogar sehr weit davon entfernt. Tatsächlich ist Kaiden sogar noch am zurechnungsfähigsten.
"Also ähmmmm, die Jungs müssten noch nach Hause... wenn du verstehst was ich meine? "
"Na schön. Steigt ein. Wehe einer muss kotzen."
"Müssen wir dann das Auto putzen?" Nuschelt Shane.
"Natürlich. Aber nackt. " lache ich.
Wir sind unterwegs zu Marc und ich sterbe vor Hunger.

"Kalistaaaaa ich hab Hunger!" Tönt es plötzlich vom Rücksitz.
"Pizza?"frage ich hoffnungsvoll.
Shane weist mir den Weg zur "fucking weltbesten Pizzeria! ", wie er sagt.
Könnte schlimmer sein. Denke ich, bis mir auffällt, dass ich jetzt mit 4 alkoholisierten und zum Teil verdammt heißen Typen essen gehen werde. Halleluja.
Erstaunlicherweise können sie sich aber alle noch benehmen- bis auf anzügliche Kommentare zu der Tatsache , dass ich allein eine ganze Pizza schaffe.
Für seinen Spruch 'ich mag Mädels, die ordentlich was schlucken können' bekommt Marc allerdings von Kaiden und Shane einen Ellbogen in die Rippen. Von Shane auch?

Jetzt sitzt nur noch Shane mit Kaiden und mir im Auto. Und schläft tief und fest. Ein Glück haben wir vorher noch seine Adresse geklärt.
"Ich hab den hiesigen Veranstalter getroffen. " eröffne ich Kaiden, der mittlerweile wieder sehr nüchtern ist.
"Du willst weitermachen? Ich hatte gehofft, dass der Umzug deine Trotzphase beendet..."
"Bis ich nicht mehr fahren kann, mache ich weiter. Was dachtest du denn. Und es war niemals aus Trotz, so wie du es sagst. Liebe, mein Bruderherz. Liebe zum fahren und -" auf dem Rücksitz regt sich Shane und ich beschließe, dieses Thema nicht hier auszuduskutieren. Möglich, dass auch Shane schon ausnüchtert.
"Wie hast du ihn gefunden?" Kaiden teilt meine Bedenken offensichtlich nicht.
"Frank hat mir die Nummer gegeben." Frank. Mein Coach, bester Freund, Ersatzvater, Schutzengel und vielleicht auch manchmal mein Gewissen. Ich verdanke ihm so viel.
"Naja wenn er dich unterstützt, kann ich eh nichts mehr machen. "
"Sehr weise, Jojo.."
"Hm. Wann fährst du wieder zu ihm?"
"Übernächstes Wochenende."
"Kann ich mitkommen?"
"Wenn Du möchtest? Aber bislang war es doch immer eher langweilig für dich? "
"Ich möchte mit ihm reden. "
"Jojo, du wirst ihm nicht einreden, mich zum aufhören zu überreden!" Unbeabsichtigt bin ich laut geworden. Kaiden macht sich-vollkommen berechtigt- Sorgen um mich, wenn ich meinem Hobby nachgehe. Hobby? Eher Lebenselixier.

"Shane, wach auf wir sind da." Verdammt sieht er heiß aus, selbst wenn er schläft...

"Fuck. Ich hab keinen Hausschlüssel dabei. Den muss ich vorhin vergessen habe. Meine Eltern sind nicht da..."
Shane kam gerade zu und zurück als ich losfahren wollte.
Die eisige Stimmung zwischen Kaiden und mir bemerkt er nicht- oder ist schlau genug, nicht zu fragen.
"Dann Schlaf bei mir. Meine Couch ist voll bequem. Und morgen früh fahren wir schnell bei dir vorbei damit du deine Sachen wechseln kannst. Schaffen wir doch, oder Kalista?"
"Hm. Bestimmt. Mom und Dad sind eh nicht da."
Shanes Eltermhaus liegt verdammt dicht bei unsrem. Nur knapp mehr als 5 Minuten mit Auto. Das ist mir viel zu nah dran...

Wie erwartet, sind unsere Eltern nicht da. Meist sind sie nur ein Tag in der Woche oder am Wochenende da, ansonsten reisen sie durch die Weltgeschichte zu ihren Firmenstandorten oder Geschäftskunden. Viele beneiden uns um diese Freiheiten die wir dadurch genießen. Ich würde auf einiges verzichten wollen, wenn ich dafür mehr Zeit, besonders mit meiner Mum hätte. Insbesondere vor 2 Jahren hätte ich sie gebraucht. Und wo war sie? In was-weiß-ich-wo.

Wir rollen Richtung Garage, als ich stoppe. "Aussteigen, Männer. "
Kaiden ist verwirrt, normalerweise fahre ich bis in die Garage.
"Tu es einfach." Zische ich ihn an.
Ich brauche einfach kurz Zeit für mich.

Allein fahre ich in meine Garage. Ja, meine Garage. Mit Werkstatt und Platz für meine Schätze. Den Audi lasse ich weit vorn stehen, den brauchen wir morgen früh ohnehin wieder. Langsam und mit zittrigen Schritten gehe ich bis ans hinterste Ende. Dort abgedeckt steht er.
Der Mazda RX 8, mit dem alles anfing
Und irgendwie endete. Ethan hatte damals testamentarisch festgehalten, dass ich seinen Wagen bekommen sollte, wenn er nicht mehr ist. In diesem Wagen habe ich fahren gelernt, bin meine ersten Rennen gefahren... Und habe gelernt, was für unanständige Dinge man in einem Auto tun kann... erst als ich daran zurückdenke, merke ich das ich weinend auf dem Fahrersitz kauere.
Shit.
Ich atme tief durch, trockne ärgerlich mein Gesicht und stiefele Richtung Haus.
Ich lege Maria schnell einen Zettel hin, dass sie sich nicht erschreckt wenn da morgen noch jemand ist. Und vor allem, dass sie uns wenn dann früher wecken muss. Die arme Maria, die irgendwie eine Mutterrolle für uns übernehmen musste. Fuck, warum bin ich so depressiv heute?

Auf dem Flur steht Shane. Unwillkürlich muss ich grinsen. Kaiden muss sicherlich noch schnell etwas Ordnung in seinem Zimmer schaffen, bevor da jemand den Fuß reinsetzen kann.
Ich sehe, wie Shane versucht, mich unauffällig zu mustern.
Na, gefällt dir was du siehst, Hmm?
Ich gehe an ihm vorbei zu meinem Zimmer, als er mich festhält und an sich zieht. Direkt bekomme ich Gänsehaut am ganzen Körper. Wie vermutet,besteht der Kerl aus nichts als Muskeln.
Seine Lippen streifen meine Wange als er sich vorbeugt um in mein Ohr zu flüstern. Mein Kopf ist leergefegt, ich bin wie benebelt von seiner Nähe. Mein Herz rast mindestens so sehr wie sonst meine Autos.
"Kaiden braucht ganz schön lang... Ich könnte doch einfach bei dir schlafen, Kleine?"
"Ich ähh.. hab keine Couch."
"Die wäre auch vollkommen unnötig..."
Himmel hilf. Ich befürchte, er ist wieder nüchtern. Und weiß nicht, dass er schon betrunken auf meinem Rücksitz gelegen hat.
Gerade will ich etwas erwidern, als ich spüre wie seine Lippen erneut über meine Wangen streifen und sich langsam meinen Mundwinkeln nähern. Seine Hände liegen leicht auf meiner Hüfte, seine Finger streicheln sanft die Haut am Saum meines Oberteils. Ich stehe komplett in Flammen. Was zur Hölle passiert hier gerade?!
Ich schüttle den Kopf um wieder klarzukommen- was gar keine gute Idee ist. Durch die Bewegung meines Kopfes treffen sich unsere Lippen und dieser aus Versehen Kuss vertieft sich so sehr, dass ich leise seufzen muss. Ich spüre wie Shane lächelt.
FUCK. So viel zum Thema 3 Wochen. Von mir selbst überrumpelt stolpere ich rückwärts von ihm weg.
"Das ist gar keine gute Idee, Shane..." Ich lecke mir noch kurz über die Lippen und stürme zu Kaiden ins Zimmer. Kaiden, der auf seiner Couch im Sitzen eingeschlafen ist.
"Ach Jojo. Du verträgst einfach keinen Alkohol. " Sanft schubse ich ihn an um ihn zu wecken, bezwecke aber nur, dass er umfällt und nun schlafend auf der Couch liegt. Ich schnappe mir eine Decke und decke ihn zu. Ich trete zurück und spüre Shane direkt hinter mir stehen.
Er riecht verdammt gut...Moment, warum ist mir wichtig wie er riecht?
Er schließt von hinten seine Arme um mich und legt seinen Kopf auf meiner Schulter ab. Bitte lass das... es fühlt sich zu gut an. Zu... vertraut?
"Du bist echt süß, weißt du das? " grinst Shane leise in mein Ohr.
Ich atme tief durch, meine Kehle fühlt sich an wie zugeschnürt. "Shane, bitte nicht. Leg dich einfach ins Bett. Gute Nacht. " Ich winde mich aus seiner Umarmung und fliehe in mein Zimmer. Ohne lange zu überlegen hüpfe ich noch schnell in mein Bad unter die Dusche. Viel zu lange stehe ich unter dem heißen Wasser und denke über alles nach.
Wenn ich nicht davon überzeugt wäre dass das alles nur eine Masche von Shane ist, wäre es irgendwie echt ...romantisch? Süß? Irgendwie sowas. Aber Typen wie Shane kenne ich zu Genüge. Und ich möchte mir nicht mein kleines, noch angeschlagenes Herz zertrümmern lassen. Ich schlüpfe in mein Xxl-schlafshirt und einen slip und kuschel mich in mein Bett.

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