Kapitel 16

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"Aber was bedeutet lieben? Es bedeutet wählen- um lieben zu können, muss man frei sein." ~ Flora Tristan



Für einen Moment starrte Luis mich ungläubig an. Dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck von erstaunt zu unfassbar wütend. „Wie kommst du darauf das ich schwul bin?", schrie er mich fast an. Das war das erste Mal, das ich wirklich Angst vor Luis hatte. Die Adern an seinem Hals standen heraus, sein Gesicht war rot vor Wut und seine Augen versuchten mich zu erstechen. „I-Ich dachte...eigentlich. Luis...bitte du machst mir Angst.", flüsterte ich, leicht verwirrt von der ganzen Situation. Der Angesprochene seufzte einmal ehe er sich neben mir niederließ.

„Woher weißt du das?", sagte er schließlich in einem ruhigeren Ton. „Ich konnte es dir ansehen. So wie du diesen Tarik angesehen hast? Nicht als Freund oder Mitarbeiter. Sondern eher als Schwarm. Und dann das was Adam eben zu dir gesagt hat.", meine Stimme hatte zum Glück wieder ein wenig Festigkeit gewonnen. „Du hast gehört was er gesagt hat?", fragte er mich vorsichtig. „Ja.", antwortete ich schlicht. Luis fuhr sich gestresst durch die Haare ehe er einmal tief durchatmete und mich müde ansah. „Ja, ja ich bin schwul. Und ja ich kann Tarik gut leiden. Aber du darfst es niemandem sagen. Ich bekomme große Schwierigkeiten, wenn Adam davon erfährt.", erzählte er mir. Fragend sah ich ihn an: „Was sollte Adam dagegen haben?". Luis lachte nüchtern auf: „Es ist vielleicht nicht unbedingt Adam der ein Problem darstellt. Tarik ist da viel schlimmer. Er hasst Menschen, die so sind wie ich. Er lässt sich auf andere aber auch nicht ein. Naja, und Adam schätzt Tarik sehr.".

Mir blieb der Mund offenstehen? Ich verstand nicht wie ein Mensch nur solche Ansichten haben könnte. Warum sollte Adam seinen besten Freund plötzlich hassen? In meinem Kopf drehte sich alles. Ich musste mich irgendwie von diesem Thema ablenken.

„Worüber hast du mit Adam gesprochen?", na großartig. Von einem zum anderen unangenehmen Thema geschliddert. Luis legte seine Stirn in Falten und sah mich dann leicht unsicher an. „Eigentlich soll ich mit dir darüber nicht reden. Und eigentlich möchte ich es dir auch nicht erzählen aber ich finde, du hast die Wahrheit verdient. Adam hat sich überlegt dich auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Oder doch umbringen. Hauptsache er wird dich so schnell wie möglich los.". diese Antwort war niederschmetternder als ich erwartet hatte. Ich hatte gedacht wir würden schon irgendwie zurechtkommen. Vielleicht hätte er mich als sein Hausmädchen hierbehalten oder mich vielleicht sogar zurück zu meinem Vater gelassen. Aber irgendwie hatte ich nicht damit gerechnet, dass er mir doch was Schlimmes antuen wollte. Luis ließ resigniert seinen Kopf hängen. „Es tut mir so leid. Ich wollte dich beschützen. Ich hatte mich sogar dafür stark gemacht dich gehen zu lassen. Ich hatte nie gewollt, dass er so weit geht.", jammerte er ehe er mich in seine Arme schloss und leise wimmerte. Ich konnte nicht weinen. Nicht jetzt. Also hielt ich diesen verletzten jungen Mann in meinen Armen und versuchte ihn zu trösten. Nach einiger Zeit wurde aus Luis anfänglichem Wimmern ein heftiges Schluchzen und er klammerte sich so dolle an mich als ob er derjenige sei der bald sterben würde. Und ich war sein Anker, der ihm Hoffnung schenkte. Der ihm durch die Dunkelheit half und ich unterstützte.

Und wer unterstützt mich? Luis versinkt so sehr in Selbstmitleid und Trauer um mich, dass er kaum noch Platz in seinem Kopf für mich hat. Adam ist der Mann, der mich tot sehen will und mein Vater...mein Vater glaubt vermutlich schon, dass ich bereits tot bin. Ob er und Alec noch nach mir suchten? Oder hatten sie schon lange aufgegeben? Wussten die Beiden um den Tod des Anführers der Wölfe? In meinem Kopf waren noch zu viele offene Fragen.

Ich wurde aus meinen grausamen Gedanken gerissen als sich die Tür öffnete und zwei, mir sehr bekannte, Personen den Raum betraten. Tarik und Adam. Tarik ging sofort auf Luis zu, packte ihn grob am Arm und versuchte ihn von mir weg zu zerren. Dumpf hörte ich Luis Schreie an mein Ohr dringen. Alles um mich herum fühlte sich an wie in Watte gepackt. Wie in Zeitlupe wurde Luis von mir gerissen und aus dem Raum geschliffen. Und ebenso langsam kam auch Adam auf mich zu. In seiner rechten Hand hielt er eine Pistole. Und erst als ich kaltes Metall an meiner Stirn spürte fühlte ich, wie ich zurück ins hier und jetzt befördert wurde.

Ängstlich sah ich zu ihm auf. In Augen konnte ich so viele Gefühle ablesen. Hass, Wut, Trauer, Bedauern, vielleicht sogar ein bisschen Liebe. Jetzt liefen auch mir stumme Tränen über die Wangen. Ich traute mich nicht mich zu bewegen. Fast schon traute ich mich nicht zu atmen. Ich saß einfach nur da, starrte Adam in die blauen Augen und ließ meine Tränen laufen.

„Hast du noch etwas zu sagen?", seine Stimme war kaum mehr als ein Zischen. Seine markanten Wangenknochen stachen gefühlt noch mehr heraus als sie ohnehin schon taten. Ich wollte nichts sagen doch meine Stimme machte sich selbständig: „Bitte sag meiner Familie das ich sie liebe. Und pass gut auf Luis auf. Er hat das nicht verdient.". Mit einem einzigen Nicken machte Luis mir klar, dass er verstanden hatte.

„Steh auf", forderte er mich kurz angebunden auf. Mit zitternden Beinen und weichen Knien stand ich auf. Den kalten Lauf der Pistole immer noch an meiner Stirn. So sollte es also enden mit mir. In den letzten Tagen hatte ich mir oft Gedanken darüber gemacht aber jetzt wo dieser Moment kam, war er so surreal. So als wäre ich gar nicht wirklich hier. So als würde ich das alles träumen. Nur Adams eisblaue Augen erinnerten mich an die Wirklichkeit. Seine schmalen Lippen verformten sich zu einem gequälten Lächeln. Und dann geschah alles ganz schnell.

Er ließ seine Waffe für einen kurzen Moment sinken, lehnte sich nach vorne und schon spürte ich seine Lippen auf meinen. Die Zeit blieb in diesem Moment stehen. In diesem Kuss waren so viele Gefühle, die sich mit meinen salzigen Tränen vermischten. Ich spürte diesen jungen Mann, der mir so viel Angst machte und mich gleichzeitig faszinierte. Und so schnell wie dieser Moment gekommen war, war er auch wieder vorbei.

Adam löste sich ruckartig von mir, sah mich an und hob seine Waffe erneut. „Es tut mir so leid.", flüsterte er. Ein Schuss ertönte und ich schloss meine Augen.





Beast and his BeautyWhere stories live. Discover now