Kapitel 11

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Die letzten Tage ist mir Destiny glücklicherweise nicht mehr auf die Nerven gegangen, zwar hat sie das ein oder andere Mal versucht mich wieder anzusprechen, doch ich habe immer abgeblockt. Was auch immer sie von mir will, kann sie sich bei jemand anderem besorgen, sie hat ja bereits die halbe Schule um den Finger gewickelt.

In Gedanken versunken, laufe ich durch die Flure unserer Schule. Als ich gerade die Tür zum nächsten Gang öffne und die Treppen hochsteigen möchte, höre ich plötzlich leise Knutschgeräusche hinter den Treppen. Auch wenn ich nicht hinhören möchte oder es mit ansehen möchte, schweift trotzdem mein Blick auf das sich fast auffressende Paar und der Typ kommt mir irgendwie bekannt vor. In diesem Moment öffnet er seine Augen und sieht mich direkt an, während er das Mädchen noch immer am küssen ist.

Meine Wangen färben sich rot, als ich bemerke, dass es Mika ist, der irgendeine Blondine küsst und mich dabei ansieht. Sofort wende ich meinen Blick von ihnen ab und laufe schnell die Treppen hoch.

Seit der... naja, Sache auf der Minigolfanlage habe ich nicht mehr mit ihm gesprochen, geschweige denn ihn gesehen. Und nun, zwei Wochen später muss ich ihn in so einer peinlichen Situation wiedersehen. Was soll's, immerhin weiß ich jetzt, dass ihm der Kuss nichts ausgemacht oder bedeutet hat, denn wieso sollte er sonst eine andere küssen. Außerdem war der Kuss ja auch nur eine Aufgabe des Spiels. Ich sollte mich eigentlich erleichtert fühlen, dass ich mein Leben wieder dramafrei genießen kann, das tue ich auch. Glaube ich.

Ich werde aus meinen Gedanken gerissen, als mich plötzlich jemand an meinem Handgelenk packt, herumwirbelt und an eine harte Brust presst. Erschrocken hebe ich meinen Kopf und sehe in zwei dunkle, braune Augen.

"Hey", höre ich Mika leise sagen.

"Hi", erwidere ich noch immer verdattert von seinem Kunststück gerade eben. Das war's dann wohl mit dramafreiem Leben. Moment, war er nicht gerade noch dabei jemanden zu küssen?

"Ich habe dich lange nicht mehr gesehen", stellt er fest, als er den Kopf neigt und mein Gesicht ansieht. Ich zucke nur mit den Schultern. Seine Augen werden von Sekunde zu Sekunde immer dunkler, hypnotisieren mich und benebeln meine Wahrnehmung.

"Hm?", frage ich und blinzle, als er irgendwas gesagt hat, ich mich aber nur auf seine Augen konzentrieren konnte.

"Du bist echt neben der Spur", lacht er leise auf und lässt meine beiden Handgelenke los, ich bemerke jetzt erst, dass er sie die ganze Zeit über festgehalten hat. "Es hat geklingelt. Du solltest in den Unterricht", wiederholt er sich noch einmal, da ich ihm beim ersten Mal nicht zugehört habe, und geht in die Richtung aus der er kam. Mika dreht sich ein letztes Mal um und grinst, als er sieht, dass ich immer noch perplex da stehe und wendet wieder seinen Kopf von mir ab.

Ich räuspere mich und laufe hastig mit hochrotem Kopf in die andere Richtung. Die Klingel ertönt zum zweiten Mal. Toll, jetzt rede ich anscheinend wieder mit Mika und ich komme zu spät zu Englisch. Na das kann ja mal was werden...

*
"Wieso so spät zum Unterricht?", flüstert mir Liz zu, als ich mich mit einer ausgedachten Ausrede beim Lehrer entschuldigt habe und nun neben ihr sitze.

"Es gab... Komplikationen", antworte ich nur, da ich ihr die Begegnung mit Mika nicht erzählen konnte, denn ich habe ihr nicht einmal von unserem Kuss erzählt. Zu meinem Glück reicht Liz diese Antwort aus und ich konzentriere mich wieder auf den Unterricht. Oder besser gesagt ich versuche mich auf den Unterricht zu konzentrieren, da ich ständig das Gekicher von den Bänken hinter uns höre. Als ich dann auch noch meinen Namen zwischen dem Gekicher und dem Tratsch höre, drehe ich mich genervt um und muss eine lästernde Destiny und irgendeine komische Tussi hinter mir erblicken.

"Was?", frage ich laut genug, dass sie mich hören können, der Lehrer aber nicht und hebe dabei eine Augenbraue.

Beide sehen mich kurz an, doch drehen sich wieder um und lachen weiter.

Genervt stöhne ich auf und drehe mich wieder um, in der Hoffnung, dass die Klingel mich von meinem Leid erlöst.

*

"Wollen wir heute auf den Schulhof, anstatt wie jeden Tag in die Cafeteria?", fragt mich Liz flüchtig.

Ich hebe misstrauisch eine Braue. "Elizabeth Connor will also raus? Die Elizabeth Connor? Du bist doch die jenige von uns, die es hasst rauszugehen." Liz spielt mit einer Haarsträhne. "Ja, aber.. heute habe ich Lust frische Luft einzuatmen und die Vögel zu beobachten", antwortet sie. "Ich glaube kaum, dass du Vögel beobachten willst. Wohl eher diesen schnuckeligen Typen mit dem du schon seit Wochen schreibst", lache ich.

Ihre Wangen färben sich rosarot und sie versucht ihre Verlegenheit zu verstecken. "Wann lerne ich ihn eigentlich kennen?", frage ich, da ich ihn immer noch nicht kenne, obwohl sie oft von ihm erzählt. "Bald", sagt sie nur knapp und ich seufze. "Darf ich wenigstens seinen Namen wissen?", schmolle ich.

"Nö."

"Du hast Glück, dass du meine beste Freundin bist, sonst hätte ich dir eine verpasst dafür, dass du mir nichts verratest!"

Wir schlendern durch den Schulhof und irgendwann sehe ich meinen Bruder an einer Wand lehnen mit seinen Freunden. Wenn man sie so betrachtet, in ihren schwarzen Bikerjacken, würde man denken sie wären die härtesten Kerle der Schule, was eigentlich auch wahr ist. Aber die letzten Male als ich mit Fynn trainieren war, waren seine Freunde manchmal auch dabei und ich muss sagen, dass sie alle ziemlich nett, wenn nicht sogar total niedlich sind. Jedenfalls zu mir, vielleicht liegt das aber auch an Fynn.

Mein Bruder bemerkt mich auch, woraufhin er mich lächelnd ansieht und winkt. Seine Freunde drehen sich auf einmal auch um und winken alle lachend. So viel zum Thema böse Jungs, denke ich mir lachend und winke zurück.

Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass Liz der Truppe auch zuwinkt, ihr Lover muss wohl einer von denen sein.

"Aha! Jetzt weiß ich wenigstens, dass es einer von denen ist", lache ich wohlwissend. "Nicht gerade von der feinen Sorte."

"Aber du erst", kontert Liz lachend und nickt in die Richtung der Jungs, auf Mika. Er sieht gerade zu uns rüber, seine Mundwinkel heben sich und er zwinkert mir gelassen zu. Sofort drehe ich meinen Kopf in die andere Richtung und meine Beine bewegen sich wie von selbst, komischerweise habe ich den Drang zu lächeln, doch ich unterdrücke es sofort.

"Genug Vögel beobachtet. Komm jetzt, Liz."

ElysianWo Geschichten leben. Entdecke jetzt