Kapitel 2

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Nächster Morgen.

Mein Wecker läutet wie verrückt, lässt meine Ohren bluten. Stöhnend taste ich meinen Nachttisch nach meinem Handy ab und schalte den Wecker endlich aus.

Mit noch geschlossenen Augen zwinge ich mich aus dem weichen Bett, mache mich für die Schule fertig und gehe in die Küche frühstücken.

"Guten Morgen", grüße ich meine schon am Tisch sitzende Familie, meine Morgenstimme deutlich zu hören. "Guten Morgen, Sonnenschein", lacht mein Vater.

Moment.

Dad?

Dad.

Dad!

"Dad!! Du bist wieder da, oh mein Gott!", plötzlich hellwach, schlinge ich meine Arme um meinen Vater und drücke ihn sehnsüchtig und liebevoll. "Ich dachte du kommst erst in zwei Wochen", grummle ich in seine Schulter. "Einige Flüge wurden gestrichen, also habe ich frei bekommen", erwidert er. "Wohl eher viele Flüge", lache ich.

Dad ist Pilot und deswegen ist er fast nie Zuhause, was dazu führte, dass er jeden ersten Schultag von mir verpasst hat. Auch den aller, aller ersten Schultag.

"Ich habe dir etwas aus Puerto Rico mitgebracht", erzählt er während er sich von unserer Umarmung löst und eine grüne Tüte unter dem Tisch hervorholt. Aufgeregt öffne ich sie und hole eine kleine, wunderschöne aus Holz geschnitzte Schatulle. Meine Augen weiten sich während ich diese öffne und mich Ohrstecker aus Smaragd, umrandet mit einem goldenen Ring, anfunkeln.

"Dad.. sie sind wunderschön", hauche ich und bewundere das funkelnde Accessoire. Ich beuge mich zu ihn hinüber und umarme ihn liebevoll und fest. "Danke, Dad. Das wäre gar nicht nötig gewesen." Dad erwidert meine Umarmung und drückt mich näher zu sich. "Das ist das Mindeste, was ich je tun könnte. Ich bin nie Zuhause und verpasse alles, einfach alles. Ich bin es dir schuldig, dir Geschenke zu besorgen", entschuldigt er sich, seine Stimme bestürzt. "Diese Ohrringe sahen für mich angemessen aus. Smaragd ist ja dein Geburtsstein."

Es ist so süß, wenn Dad sich so viel Mühe gibt und versucht all deine Vorlieben zu kennen, um mit diesen dich zu beglücken.

Ich schaue auf unsere Uhr in der Küche und merke, dass ich spät dran bin und den Bus schon längst verpasst habe. "Mist! Ich habe den Bus verpasst! Ich muss sofort los", doch bevor ich mich verabschieden kann, hebt mein Vater die Hand. "Ganz ruhig, Süße. Ich fahre deinen Bruder und dich heute zur Schule." Erleichtert und dankend lasse ich mich auf einen Stuhl am Esstisch fallen. Jetzt, da wir gefahren werden, habe ich sogar noch Zeit, um etwas zu essen.

*

In der Schule angekommen, begebe ich mich zum Englischunterricht, auf den ich mich schon sehr freue, da es das einzige Fach, das Liz und ich zusammen haben. Und Sport. Ugh, Schulsport.
Apropos Liz, mit ihr sollte ich noch etwas be-

"Hey, Rory!"

Wenn man vom Teufel spricht.

Ich halte an und drehe mich langsam um, um Max vor mir stehen zu sehen und gerade wird mir etwas klar.
Ich habe ihm ja gar nicht auf seine Nachricht gestern geantwortet!
Verlegen lächle ich ihn an. "Hey, Max. Was gibt's?"

"Hey, ähm.. du hast mir gestern nicht auf meine Nachricht geantwortet, ich dachte daher, dass ich vielleicht etwas falsches gesagt oder getan habe.. Ähm, ich wollte nur nachfragen, um sicher zu gehen", redet er drauf los. Wieso ist er denn plötzlich so schüchtern und beschämt? Sonst spielt er doch immer den Macho auf seinem hohen Ross, vom dem er nicht herunter kann.

"Nein, nein, alles ist gut. Ich bin gestern Abend nur sofort eingeschlafen bevor ich dir überhaupt antworten konnte", winke ich vom Missverständnis ab. Seine Miene erhebt sich wieder. "Hättest du also Lust auf einen Kaffee oder was du sonst so gerne trinkst? Nach der Schule vielleicht?"

Ich lächle. "Kaffee klingt gut, gerne." Auch wenn mir nicht wirklich danach ist, mit Maxton O'Neil etwas zu unternehmen, kann ich ihm, nicht 'Nein' sagen, da er mir doch irgendwie schon leid tut.

Er grinst. "Super! Wir treffen uns dann am Schuleingang. Bis dann!"

Ich winke ihm noch zum Abschied und begebe mich endlich in den Klassensaal.

*

Nach Schulschluss laufe ich Richtung Eingang, um Max anzutreffen, doch auf dem Weg dorthin werde ich angerempelt und mein Handy, das ich eben noch in der Hand hielt, fällt zu Boden. Bin ich denn so unsichtbar, dass ich von allen angerempelt werde? Ich blicke auf das Stück Leben von mir herab, hebe es wieder auf und muss feststellen dass meine Schutzfolie nun einen riesigen Riss hat. Zum Glück ist es nur die Folie, dennoch bin ich nicht glücklich über diesen kleinen Unfall, wenn man das überhaupt so nennen kann.

Das Gesicht unseres Täters konnte ich leider nicht sehen, doch ich ich habe gesehen was für Schuhe er trägt, als ich mich zu meinem Handy bückte. Ich sehe mich kurz um und finde ihn direkt, sodass ich ihm hinterher laufe und ihn am Arm festhalte. "Hey! Du hast gerade mein Handy runtergeworfen", spreche ich ihn an und halte mein Handy hoch.

Der mysteriöse Täter hält an und dreht seinen Kopf in meine Richtung, mit einer Augenbraue hebend, sieht er mich genervt und fragend an. Mikail McLean, einer der bösen Jungs, vielleicht hätte ich ihn doch nicht ansprechen sollen. Wir kennen uns zwar aus der Grundschulzeit aus der Nachmittagsbetreuung, doch er ist eine Klasse über mir und er ist ein Freund meines Bruders. Wirklich miteinander geredet haben wir noch nie.

Sein Blick sänftigt sich etwas, seine Braue immer noch hebend, als er mich und mein Handy sieht. "Was?", fragt er nur woraufhin ich erstmal schlucke. Ich deute auf mein Handy, doch es scheint ihn nicht wirklich zu kümmern. "Sorry", entschuldigt er sich schulterzuckend, doch er meint es nicht so.

Erstarrt von seiner ausstrahlenden Dunkelheit schaffe ich es nicht auch nur ein Wort hervor zu bringen. Mika dreht sich wieder um und läuft wieder in seine Richtung, von der ich ihn abgehalten habe.

Meine starre Haltung löst sich wieder. Wieso konnte ich ihn denn nicht ansprechen? Sonst habe ich kein Problem damit mit den Freunden von Fynn zu sprechen. Vielleicht liegt es an seinen dunklen Haaren und Augen, wahrscheinlich weil er auch einfach das Aussehen eines klassischen bad boys widerspiegelt.

Ich schaue kurz auf meine Handyuhr. Ich sollte mich beeilen, sonst denkt Max, ich hätte ihn versetzt. Mein Handy verstaue ich sicher in meiner Tasche und schlage den Weg Richtung Eingang an.

Wieso passieren mir eigentlich immer solche Dummheiten und Missgeschicke? Das Schicksal muss mich wohl sehr hassen.

Ein winkender Max springt mir in die Augen und ich muss schmunzeln. "Ich dachte du kommst nicht", meint er ehrlich, während ich nun vor ihm stehe. "Ich wurde aufgehalten", entschuldige ich mich.

Max öffnet mir die Tür. "Wollen wir?"
Ich grinse. "Wir wollen."

ElysianWhere stories live. Discover now