29 | Fußball ist nicht meine Abteilung

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Boah, das hört sich gut an. Hab in einer halben Stunde Schluss. Dann bin ich in einer Stunde bei euch.

Finja machte im angrenzenden Wohnzimmer ihre Hausaufgaben, während ich die Lasagne zubereitete. Immer wieder schaute ich auf die Küchenuhr und wunderte mich wo Erik nur blieb. Er meinte, er würde in einer Stunde hier sein. Aber mittlerweile hatte er eine halbstündige Verspätung, was ihn gar nicht ähnlich sah. Ich hasste Unpünktlichkeit und das wusste er auch. Auf meine Nachricht, wo er blieb, reagierte er auch nicht, was mich noch pissiger werden ließ. Grummelnd schmiss ich die Lasagneplatten in die Auflaufform und kippte die Sauce rüber.
Es schellte, was ich anfangs nicht so wirklich mitbekam, bis Finja kreischte, dass sie die Tür aufmachen würde. Da kam ich aus meinen innerlichen Brodeln zu mir und legte die Lasagneplatten bei Seite. Ich schlenderte Finja grummelnd hinterher und blieb hinter sie stehen. Sie drückte den Summer runter und öffnete die Tür. Im Hausflur hörte ich hektische Schritte.
"Sorry, dass ich zu spät bin", hörte ich Erik sagen. Er hatte noch seine volle Trainingsmontur an, als er die Treppen hochgelaufen kam und seine Haare waren noch klitschnass. "Das Training hat sich wegen Marco und Mario verlängert, weil die wieder Streiche spielen mussten und dann wollte mein Berater mit mir sprechen." Finja trat bei Seite. Erik drückte mir einen Kuss auf den Mund und meine kleine Aufregung war vergessen. "Ist schon okay", sagte ich.
Nachdem er auch noch FInja mit einer herzlichen Umarmung begrüßt hatte, hing sie auf seinem Arm fest und wollte da gar nicht mehr runter. Ich schloss die Wohnungstür und nahm Erik die Trainingstasche ab. "Kann da etwas in die Waschmaschine? Ich muss eh gleich eine Ladung waschen?" - "Die Sachen die ich anhabe. In meiner Trainingstasche sind meine normalen Klamotten." Er wandte sich zu Finja. "Ich muss dich einmal runterlassen." 
Diese nickte nur und lief ins Wohnzimmer. "Kannst du mir gleich bei den Hausaufgaben helfen, Erik? Ich habe schon wieder Mathe auf, was ich nicht verstehe."
"Ich helfe dir gleich", rief Erik hinter her und verschwand mit seiner Trainingstasche im Badezimmer. Ich ging wieder in die Küche, um mich der Lasagne zuzuwenden, die noch kein bisschen fertig war. "Ich hab so einen Kohldampf", bemerkte Erik und kam zu mir in die Küche. Er stellte sich hinter mir und schlang die Arme um meinen Bauch. Dann drückte er mir mehrere kleine Küsse auf die Wange und den Hals. "Gut geschlafen?", wollte er von mir wissen.
"Ich konnte ausschlafen. Das tat mir sehr gut", entgegnete ich lachend. "Was ist mit dir?"
"Ich hätte noch länger schlafen können", entgegnete er. Wieder drückte er mir einen Kuss auf die Wange. "Dann helfe ich mal Finja."

Er ließ mich in der Küche alleine und half der aufgebrachten Finja bei den Matheaufgaben. Als ich die Lasagne in den vorgeheizten Ofen schmiss, schlenderte ich zu den beiden ins Wohnzimmer. Sie saßen auf der Couch und schauten gerade über die Hausaufgaben rüber.
"Das hast du richtig. Aber die Aufgabe, die hast du falsch. Schau noch mal nach und rechne nach", sagte Erik und deutete mit den Zeigfinger auf eine Aufgabe in Finjas Heft. "Ich hasse Minus. Plus war noch so einfach."
"Warte mal ab", meinte Erik. "Irgendwann kommt noch Mal und Geteilt und ehe du dich versiehst, musst du auch noch X und Y suchen. Also freu dich aufs kleine 1x1, Große."
"Grauenvoll", seufzte Finja. "Brauch ich wirklich einen Abschluss, Mom?"
"Ja", nickte ich und setzte mich neben Erik auf die Couch. Ich rutschte näher an ihn heran und er legte seine Hand auf mein Knie, während er weiter Finja bei den Hausaufgaben half.
"Was machst du denn da, Finja? Das ist wieder falsch", sagte Erik ruhig.
"Ich hasse Mathe."
"Ich auch. Aber das ist Gott sei Dank noch einfach."
"Ja, super. Das hilft mir auch nicht weiter. Ich finde Mathe ist blöd. Am liebsten würde ich nur Sport haben, wo ich Fußballspielen kann. Oder Pause. Oder noch besser. Schulschluss."
Erik lachte. "So ging es mir damals auch. Aber trotzdem habe ich die Schule weiter besucht und meinen Abschluss gemacht."
"Wie schlau bist du?" Finja blickte ihn fragend an.
"Ich war erst auf der Realschule und bin dann für die letzten zwei Jahre aufs Gymnasium gegangen, um mein Abi zu machen."
"Ach du Kacke", meinte Finja. "Mama, der ist ein Streber."
Ich lachte nur. "Ja und?"
"Ich muss gestehen, ich habe mein Abi auch nur gerade so geschafft, weil ich nur Fußball im Kopf hatte."
"Wie ich", meinte Finja. "Also, Mama. Vielleicht schaffe ich dann doch das Abi."
"Da hast du noch Zeit. Lange", meinte ich. "Ich mach eben dan Salat. Ihr beide macht da weiter."
"Ja, Boss", sagten Erik und Finja gleichzeitig. Ich stand von der Couch auf und verschwand wieder in der Küche, um dort einen Tomate-Mozzarella Salat zu machen.
"Ich schreib dir ein paar Aufgaben hin, einfache, für den Anfang, die machst du als kleine Übung eben kurz fertig, okay?", hörte ich Erik zu Finja sagen.
"Na gut. Wenn wir nachher noch Fußballspielen gehen?"
"Versprochen."
Erik kam zurück in die Küche und half mir sofort dabei den Tisch zu decken. Als ich gerade die Gläser auf den Tisch stellte, zog mich Erik plötzlich zu sich und küsste mich. Einen kleinen Augennblick war ich verwirrt, aber dann erwiderte ich den Kuss und schlang meine Arme um seinen Hals herum. "Ihhh!", quieschte Finja. Erik und ich wichen voneinander zurück und blickten erschrocken zu Finja, welche uns entsetzt anschaute. "Ich sage jetzt das, was Tante Saskia immer sagt", meinte sie. "Nehmt euch ein Zimmer."
Dann schlenderte er sie zurück ins Wohnzimmer. Erik lachte nur, während ich schmunzelnd zu ihm blickte. "Komm. Schau nach ihren Matheaufgaben. Ich mach hier weiter."
Ich gab Erik einen leichter Schubser in Richtung Wohnzimmer. "Na, wenn sie mir noch in die Augen gucken kann."
Ich rollte die Augen und wandte mich wieder dem Mittagessen zu.

"Mama, wie schießt du denn?", fragte Finja fassungslos. Zwei Stunden später befanden wir uns auf einem nahegelegenden Sportplatz und waren am herumbolzen. Das Talent zum Fußballspielen war bei mir völlig vorbeigeschossen, genau wie die Bälle, die ich krampfhaft versuchte ins Metalltor zubekommen. Das sah bei Finja einfach aus und bei Erik, als ob er nichts anderes machen würde. Und schießen konnte ich genauso schlecht. Ich schoß immer mit dem Fuß vorran, was meinen Zeh zum schmerzen brachte, obwohl es einen ganz einfachen Trick gab, den ich nach den fünften Fehlversuch anwandte. Und siehe da. Der neonpinke Fußball landete endlich mal im Tor. Finja und Erik jubelten. "Bei dir ist zwar Hopfen und Malz verloren, Mama. Aber du bist besser, wie die Jungs in meiner Klasse. Du triffst wenigstens das Tor", lobte sie mich und klopfte mir aufmunternd auf die Schulter. Erik lief zum Tor und schoss den Ball zu Finja, die diesen mit den Fuß annahm und dann zu mir rüber schob. "Versuch es noch mal, Mama und bitte nicht wieder mit dem Zeh zuerst. Innenseite deiner Mauken. Das schaffst du jetzt noch mal. Hoffentlich." Ich nickte nur und platzierte den Ball vor meinen Füßen, dann atmete ich tief durch und schoss einfach. Nicht mit dem Zeh, sondern mit der Innenseite. Der Ball knallte an der Latte und von der Latte gegen Eriks Hinterkopf. 
"Boah, Mama. Überlass das mal lieber den Profis", sagte Finja, während Erik sich den Hinterkopf rieb.
"Alles in Ordnung?"
"Der Schuss tat nicht weh. Als wäre eine Hummel gegen meinen Kopf geflogen. Bin Schlimmeres gewohnt", lachte er und schoss den Ball zurück zu Finja. 
"Mama, an die Seite. Steh einfach nur da und seh gut aus. Du hast eh null Plan von Fußball."
"Sieht deine Mom doch immer. Das brauchst du ihr nicht befehlen", hörte ich Erik schleimen. Finja und ich verdrehten gleichzeitig die Augen. Dann tat Finja so, als würde sie auf irgendwas ausrutschen und ließ sich auf den Ascheplatz fallen. "Siehste, jetzt bin ich auf deiner Schleimspur ausgerutscht, Erik", lachte sie. Dann rappelte sie sich wieder auf.
Erik lief auf sie zu und lugste ihr den Fußball von den Füßen ab. "So und den kannst du dir jetzt holen. Ohne zu foulen, Große."
Finja kreischte und ging aufs Kriegsstellung. Sie lief auf Erik zu und wollte sich den Ball schnappen, aber Erik reagierte gut und hob Finja hoch. Diese kreischte nur noch mehr. "Lass mich runter. Das ist infair. Das ist ein Foul. Mama, sag Erik, dass es ein Foul ist."
"Hä, ich dachte ich habe keine Ahnung vom Fußball?", fragte ich gespielt ahnungslos und setzte mich auf die alte Holzbank.
"Mama!"
"Ich kenne die Regeln nicht von diesen Ballfuß. Sorry", ich hob die Hände und griff nach der kleinen Wasserflasche, um etwas zu trinken und schaute dabei Erik und Finja zu, wie dieser ihr versuchte Tricks bei zu bringen. Da ich ja eh null Ahnung von Fußball hatte, kramte ich mein Handy aus der Handtasche heraus und machte davon Fotos, bis meine Schwester mich anrief.
Ich nahm das Gespräch an. "Dortmunder Kampfmittelbeseitigung: Wer suchet, der findet. Wer drauftritt, verschwindet! Wie kann ich helfen?", meldete ich mich zu Wort.
"Hallo Behinderteninstitut Bochum- Bongos für Mongos, hier", entgegnete Leo.
"Wow", meinte ich. "Saskia, bist du im Stimmenbruch?", scherzte ich.
"Haha, mein Handy macht gerade ein IOS-Update und das bei meinem widerlich-schlechten WLAN-Empfang. Saskia und ich kommen nachher mal rum, okay?"
"Wann genau?"
Finja kreischte, weil sie für drei Sekunden den Ball von Eriks Fuß geklaut hatte, aber dieser holte ihn schnell wieder, was Finja zur Weißglut brachte. "Gib mir den Ball!"
"Was hat Finja schon wieder?"
"Erik klaut ihr andauernd den Ball. Wir sind auf dem Bolzplatz. Wann wollt ihr rumkommen?"
"18 Uhr, wenn es dir recht ist."
"Ist in einer Stunde. Machbar. Bis gleich."
"Bis gleich", sagte Leo und hatte aufgelegt.
"Wir sollten in einer Dreiviertelstunde zu Hause sein. Leo und Saskia kommen nachher zu uns!", rief ich rüber. Erik und Finja nickten und wandten sich dann wieder den Fußball zu. Schon war ich wieder abgeschrieben.

Nur ein Schuss [ED37] ✔️. Where stories live. Discover now