19 | Es regnet Getränke

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19 | Es regnet Getränke

„Warst du mittlerweile eigentlich bei der Polizei?", fragte ich Erik, als er die Türen von der Kartbahn abschloss.
„Wegen was?"
„Wegen den Typen im iRoom."
„Oh. Nein. War ich nicht. Das wird doch eh nichts bringen, Mina."
Um auf Nummer sicher zu teuer, ob die Tür auch richtig zu ist, rüttelte er noch mal daran. Zufrieden drehte er sich zu mir. „Bei meinem Glück wird der Typ niemals gefasst und die Anzeige fallen gelassen. Mir ist das auch egal. Es gibt Schlimmeres. Und solange dir nichts weiter passiert ist."
„Hm, dass musst du ja schließlich wissen. Ob eine Anzeige etwas bringt ist natürlich fraglich."
„Eben", nickte Erik und suchte seine Autoschlüssel heraus. „Und? Worauf hast du Hunger?"
„Da bin ich nicht so pingelig. Hauptsache mein Magen wird vollgestopft und es ist nicht allzu teuer."
„Pff, das macht mir nichts. Aber wie du willst. Ich esse eh fast alles."
Während wir auf dem Weg zum nächsten Schnellrestaurant waren, quatschten Erik und ich wieder über sinnloses Zeug. Zwischendurch stellten wir uns gegenseitig fragen über uns, die einen eben interessierten. Hobbys, Lieblingsmusik, Geburtstage und sonstige Themen die einen durch irgendeine Kleinigkeit einfielen. Am liebsten hätte ich Erik auch noch gefragt, wieso er ausgerechnet mich ausgesucht hatte, da ich ja schließlich eine Tochter hatte. Aber irgendwie traute ich mich nicht.
"Da ich Mäcces, Burger King und den Scheiß persönlich Scheiße finde, fahren wir jetzt meiner Lieblings Fressbude an, die 24 Stunden auf hat."
"Hier gibt es eine Fressbude die 24 Stunden auf hat? Wieso weiß ich davon nichts?", fragte ich fassungslos. Erik brachte das zum schmunzeln.
"Jetzt weißt du es."
"Was gibbes denn da zum futtern?"
"Bist du da ein bisschen wählerisch?"
"Ich hasse absolut alles was zum asiatischen Essen gehört, außer Glückskekse die sind voll lecker."
"Wieso magst du die asiatische Küche nicht?", wollte Erik neugierig wissen.
"Es ist einfach nicht mein Geschmack. Ich kann noch nicht mal eine asiatische Reispfanne riechen. Da kriege ich das kotzen. Das Gleiche habe ich auch bei Leber. Wenn Saskia und Leo für ihren Hund Leber kochen, kotze ich die ganze Bude voll. Schon beim Reden wird mir schlecht."
Erik musterte mich. "Ja, du bist schon recht blass gerade geworden. Aber Willkommen im Club."
"In welchem Club?"
"Anti-Asiatisches-Essen. Ich mag das auch nicht. Und Glückskekse sind wirklich toll."
"Boah, kennst du diese komischen braunen, rechteckigen Kekse, die du immer im Eiscafé bekommst, wenn du dir da ein Kaffeegetränk bestellst?"
"Boah ja. Geil. Oder es gab mal von Leibniz die Butterkekse mit Zitronenkäsekuchengeschmack. Wie gesagt, die gab es mal."
"Oh ja, Finja hat die eher inhaliert, als wie gegessen. Meine waren das nicht so."
"Mir ging es genauso. Kauen wird zwischendurch echt überbewertet."
Wir fuhren auf einen kleinen Parkplatz und da stand eine kleine Metallhütte. Lichter waren noch an und es schien dort auch ziemlich gut besucht zu sein.
"Essen", sagte Erik und sprang aus dem Auto. Noch bevor ich die Tür alleine öffnen konnte, wurde die von Erik aufgerissen.
Dankend stieg ich aus und schlenderte mit Erik in Richtung Metallhütte. Wir fanden gerade noch einen letzten Platz, wo wir uns hinbequemten. Dann hielt mir die Speisekarte hin. Nudelgerichte, Pizza, Döner, Hamburger, Salate und noch etliche andere Sachen. "Neeein."
"Was denn?"
"Zu viel Auswahl für mich. Wir kommen hier Übermorgen nicht raus."
"Schränk es doch ein. Entweder was Pizzariges, oder was Nudeliges."
„Wow. Ja. Etwas Nudeliges." Ich suchte die Nudelgerichte ab. Ich nehme einfach das erste Gericht, was mir sofort in die Augen springt. Sonst würde das etliche Jahre dauern, bis ich etwas zu essen finde. „Tortellini mit Käsesahnesauce. Japp", sagte ich und reichte Erik die Speisekarte. Er nahm sie dankend entgegen und schaute nicht rein. Legte sie an den Rand des Tisches.
„Guten Abend", sagte die junge Kellnerin. Sie lächelte Erik an und ignorierte mich völlig. „Habt Ihr schon entschieden?"
„Wie immer die 35", sagte Erik.
„Und ein Malzbier dazu?"
„Ja. Das auch."
Die Kellnerin schrieb das auf und blickte zu mir. „Und für dich?", fragte sie leicht schnippisch.
Sie musterte mich komisch und aus den Augenwinkeln konnte ich sehen, dass Erik seine Augen verdrehte. Boah, was ist denn jetzt los?
„Tortellini mit Käse Sahne Sauce und eine Cola Light."
Sie schrieb das auch auf und ließ und einfach zurück. „Komisches Ding", sagte ich.
„Japp", machte Erik. „Ich mag die auch nicht."
„Wieso isst du dann immer hier?"
„Weil das Essen hier lecker schmeckt und der Laden rund um die Uhr auf hat."
„Den muss ich mir merken. Aber nur, wenn das Essen hier auch schmeckt."
Erik wirkte ein bisschen müde.
„Schon müde, hm?"
„Ein bisschen", gab er zu. „Hab die Nacht eh schon beschissen gepennt."
„Zu laute Nachbarn?"
„Die waren es ausnahmsweise mal nicht. Meinen Opa geht es nicht gut und ich versuche in ein paar Tagen runter nach Pirmasens zu fahren."
„Oh. Tut mir leid. Was hat er denn?"
„Demenz, ist eines von vielen Dingen. Das wird aber immer schlimmer. Wer weiß wie lange er sich noch an mich und meine Schwester erinnert. Bei meinen Eltern wird das alles schon recht schwierig."
„Ach", seufzte ich. „Demenz ist scheiße. Die Mutti von unserem Stiefvater hat das ebenfalls. Aber das kam von mehreren Schlaganfällen. Sie erinnert sich selbst nicht mal an Finja. Vor ein paar Jahren hatte sie sie noch im Arm und mit ihr herumgekaspert. Letztes Jahr ist unser Opa gestorben. Durchs rauchen hatte er keine Beine, dazu kam Diabetes, auf einem Auge war er blind. Dann ein Schlaganfall und ein paar Monate später wurde sein Körper von einem streuenden Darmkrebs befallen. Und genau an dem Tag wo sein jüngster Sohn Geburtstag hatte ist er eingeschlafen."
„Och. Das tut mir leid. Davor habe ich auch Angst, dass Opa nicht mehr ist. Ja, man weiß, dass die irgendwie gehen, aber es ist trotzdem jedes Mal beschissen. Erst dann wenn Anfang des Jahres erst meine Oma gestorben ist."
„Das tut mir leid. Ja. Das ist echt nicht schön."
Automatisch legte ich meine Hand auf Eriks. Dieser verkrampfte sich erst, wurde dann aber lockerer und ließ seine Hand unter meiner.
„So", sagte die Kellnerin. „Ein Malzbier." Sie stellte das Glas vor Erik ab.
„Danke."
„Und eine Cola Liiiiight..."
Die dumme Kuh ließ das Glas doch mit Absicht über mich kippen. Das kalte Getränk sog sich sofort in meinem Kleid ein und ich riss erschrocken meine Hand von Eriks weg, als ich aufsprang. Super. 
„Hoppla. Ich bin auch so ein Tollpatsch. Aber so wirkt die Diätcola wohl am besten."
Gott. Diese Stimmlage ließ es doch eindeutig vermuten, dass es ja wohl mit Absicht war.
„Klar, man hat halt eben Probleme beim Greifen, wenn das rosinengroße und leere Gehirn im Kopf von A nach B rollt", sagte ich, während Erik weiter am fluchen war.
„Anstatt so bescheuert herumzustehen, kann man auch Servietten holen."
„Das Kleid ist eh hässlich."
„Verpiss dich doch einfach. Das Kleid darfst du bezahlen."
Die Gäste am Nachbartisch reichten mir netterweise Servietten. Dankbar blickte ich diese an. Die jungen Typen schüttelten über die Kellnerin nur ihren Kopf.
„Sollen wir den Chef holen?"
„Nee, wir gehen eh", sagte Erik, während ich mit der Serviette die Cola vom Kleid drückte.
„Klar. Bezahle ich es", meinte die Kellnerin und schnipste mir zwei Euro an den Kopf.
Wütend funkelte ich sie an, griff nach Eriks Malzbier und kippte ihr die volle Ladung in die Fresse.
„Na hoppala. Das ich auch immer so ein Tollpatsch bin." Ich stellte das Kleid ab und warf ihr ihren zwei Euro Stück ein bisschen zu dolle ins Auge.
„Dumme Kuh."
„Du bist genauso widerlich wie deine Schwester", zischte Erik, als wir in Richtung Ausgang gingen.
„Tut mir leid."
„Geht schon", sagte ich und fasste an meine klebenden Beine. „Bäh."
„Die dumme Schrabnelle war, wenn ich mit den Jungs da war nie so komisch ekelhaft."
„Wer is'n die überhaupt? Bah. Klebt das Zeug."
„Das ist die jüngere Schwester meiner Exfreundin. Da merkt man wieder, dass der Apfel nicht weit vom Stamm fällt. Genauso widerlich hinterfotzig."
Erik hörte sich glaubwürdig an. Also war das okay. Mehr oder weniger. Auch wenn ich die Olle gerne verprügelt hätte.
„Es gibt solche Leute."
„Hey, an deiner Stelle hätte ich ihr das Glas durchs Gesicht gezogen und nicht nur den Inhalt."
„Ich war kurz davor. Aber wollte es nicht übertreiben. Das sowas überhaupt ein Recht hat auf der Welt umherzuwandern."
„Das frag ich mich auch. Tut mir leid, dass es so geendet ist."
„Ich hab noch Pizza zu Hause. Wenn du willst kannst du mit. Malzbier habe ich auch."
„Solange wir deine Tochter nicht wecken."
„Ich denke eher mal Saskia, wenn sie die Pizza aus dem Ofen riecht."

Als ich zu Hause ankam, schaute ich nach Finja und Saskia. Finja lag in ihrem Bett und Saskia hatte sich in meinem Bett ausgebreitet. Normalerweise schlief sie auf der Couch. Vielleicht dachte sie, dass ich die Nacht nicht nach Hause kam und schmiss sich in mein gemütliches Boxspringbett.
Ich zog die Türen zu den beiden Zimmern zu und die Tür zum Flur die zu den Schlafzimmern führte und ging zu Erik, der in der Küche wartete.
Schnell haute ich die Salamipizzen in den Ofen. „Ich bin mich mal eben kurz umziehen und entkleiden."
Erik hing wie ein Schluck Wasser in der Kurve. Der Arme war hundemüde. Nickend gähnte er und ich verließ seufzend die Küche. Da im Badezimmer noch eine Jogginghose und ein T-Shirt lagen konnte ich in die schlüpfen.
„Bin wieder umgezogen", verkündete ich, als ich zurück in die Küche ging.
Automatisch fing ich an zu Grinsen. Erik war tatsächlich im Sitzen auf meinem Küchenstuhl eingeschlafen. Das wird dann wohl nichts mit der Pizza. Ich stellte den Ofen aus und schmiss die kalte Pizza einfach weg. Dann wandte ich mich zu Erik.
„Willst du dich nicht auf die Couch legen und da weiterpennen?" Keine Reaktion. „Erik. Hey."
„Ich bin wach!", sagte er und riss die Augen auf. „Oh, hey. Hi."
„Willst du dich auf meine Couch schmeißen und da weiterpennen? Ich denke du bist zu müde um noch Auto zu fahren."
Erik gähnte. „Ja. Das wäre nett." gähnend und mit tränenden Augen erhob sich Erik von dem Stuhl und folgte mir immer wieder seufzend ins Wohnzimmer. Als er die Couch in L-Form sah, ließ er sich einfach fallen. Ich lachte leise und deckte ihn mit einer Fleecedecke zu. Nebenbei kämpfte er sich aus seinen Sneakers die am Couchende liegen blieben.
„Gute Nacht."
„Gute Nacht", antwortete Erik müde. Ich verließ das Wohnzimmer, machte überall Licht aus und begab mich dann leicht müde in mein Schlafzimmer. Gähnend schmiss ich mich neben Saskia ins Bett und kämpfte mich mit unter die Decke. Dann ließ ich meinen Kopf ins gemütliche Kissen fallen. Augen zu und einpennen. Ganz einfache Kiste. Wie eigentlich immer.

***
Was zum Henker ist das für ein verfluchtes Spiel schon wieder? 🤬
Ab nach Sochi und ein paar Schellen verteilen. Alter Schwede. 🙄
Noch einen schönen Tag und ich darf morgen auf der Frühschicht verrecken. Yeih 🤭

Nur ein Schuss [ED37] ✔️. Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt