Etwa drei Wochen nach Milenas Herzstillstand bat ich die Krankenschwester um ein Stück Papier und einen Stift. Sie brachte uns gleich einen ganzen Collegeblock und mehrere Stifte. Damit war der Grundstein für unsere erste Unterhaltung gelegt.

Seit diesem Tag an, redeten wir wieder öfter miteinander. All die beschriebenen Zettel nahm ich jeden Abend mit nach Hause und las sie vor dem Schlafengehen noch einmal durch. Dir, liebste Betty, will ich hier nun ein, zwei unserer Kommunikationen aufschreiben.


18. Januar:

Ich: Ich weiß nicht ob es angebracht ist, sich jetzt nach Wochen des Schweigens wieder zu unterhalten, aber ich habe eine Frage: Seit wann spielst du Gitarre?

Philipp: Ich habe es weit vor der Zeit gelernt, als ich mein Gehör verloren habe, schon als Kind habe ich Unterrichtsstunden genommen, jedoch kaum geübt. Mein Lehrer hat sich ständig darüber aufgeregt. Vielleicht war er froh, nachdem ich schließlich aufgehört habe. Ich konnte ja nichts mehr hören. Ich sah keinen Sinn mehr dahinter.

Ich: Und dann hast du wieder angefangen? Warum?

Philipp: Ja, ich habe irgendwann begonnen dauernd vom Gitarre Spielen zu träumen. Ich hatte immer das Gefühl, während ich in meinen Träumen spielte, könnte ich hören. Der Gedanke es einmal im echten Leben zu versuchen lies mich nicht mehr los.

Ich: Und dann? Erzähle weiter...

Philipp: Dann habe ich mich eines Tages hingesetzt und gespielt und es war so als hätte ich nie eine Pause gemacht...

Ich: Du kannst aber doch nicht hören was du da spielst? Fühlt sich das nicht komisch an?

Philipp: Nein, es ist überhaupt nicht komisch. Rein theoretisch kann ich die Töne nicht hören, aber ich kenne die Töne ganz genau, ich weiß wie sie sich anhören müssten und ich weiß welche Note ich gerade spiele. Es mag komisch klingen, aber beim Gitarre spielen habe ich das Gefühl zu hören. In meinem Kopf höre ich die Melodien ganz genau, so als wären sie real da. Mein Inneres Ohr hört, so wie ich früher gehört habe, letztendlich ist es nur meine eigenen Wahrnehmung, meine eigenen Realität. Ich liebe es trotzdem, es macht mich frei und ich bin dankbar, von Gott diese Gabe geschenkt bekommen zu haben.

Ich: Es klingt wunderschön.

Philipp: Danke!

[Die Gespräche waren so sanft, so fließend, so absolut normal. So als hätte es unser Streit nie gegeben.]


21. Januar.

Philipp: Danke, dass du einfach da bist. Mit mir betest und mit mir schweigst. Du hast keine Ahnung wie wertvoll das ist.

Ich: Du brauchst dich nicht zu bedanken. Ich bin gerne hier.

[Sie haben in der Zwischenzeit versucht Milena wieder aufwachen zu lassen. Rein körperlich geht es ihr etwas besser. Unsere Hoffnungen wurden dennoch enttäuscht, sie ist in ein Wachkoma gefallen.]


22. Januar:

Ich: Glaubst du sie kann uns hören?

Philipp: Ich weiß es nicht. Vielleicht. Ich hoffe es.

[Seit diesem Tag beteten wir viel öfter und konsequenter laut]


28. Januar:

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