8.Kapitel

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Wir verplombten die Quelle und riefen uns ein Nachttaxi. Auf der Heimfahrt sagte Lockwood kein Wort und auch George blieb stumm. Ich bekam ein schlechtes Gewissen.
Als wir zu Hause waren, setzten wir uns zuerst an den Küchentisch und George setzte Tee auf. Ich hatte ein Donnerwetter erwartet, doch Lockwood blieb still. Ich schöpfte schon Hoffnung, doch dann meldete er sich doch zu Wort: „George, könntest du Lucy und mich bitte kurz alleine lassen?" George sah ihn an und stand auf. Als er an mir vorbeiging murmelte er: „Viel Glück!", und ging auf sein Zimmer.
Ich atmete einmal tief durch, drehte mich zu Lockwood um und wartete. Zuerst rührte er sich nicht, doch plötzlich begann er mit ruhiger Stimme, die immer lauter wurde:
„Okay, was hast du dir dabei gedacht?"
„Lockwood, ich..."
„Nein, Lucy! Deine Gabe wird dich irgendwann noch in ernsthafte Schwierigkeiten bringen! Verdammt! Diesmal hast du sogar das Leben eines Kollegen aufs Spiel gesetzt!"
Er machte eine kurze Pause, die ich natürlich sofort nutzte
„Du weißt ja gar nicht, wie das ist! Du hast sie nicht gehört! Sie tat mir einfach leid!"
Lockwood hatte sich derweil von mir abgewandt und starrte aus dem Fenster. Frustriert schlug ich mit dem Fuß nach meinem Stuhl:
„Hättest du sie gehört, würdest du anders denken..."
Sofort drehte sich Lockwood zu mir um und baute sich drohend vor mir auf:
„Ich habe mit keinem Geist Mitleid! Mit keinem!"
Ich schaute trotzig zu ihm hinauf:
„Du kannst dich einfach nicht in meine Lage hineinversetzen! Du verstehst das nicht!"
Lockwood blickte mich mit zusammengekniffenen Augen an:
„Ob du's glaubst, oder nicht. Ich weiß ganz genau, wie du dich fühlst!
„Ach ja?", gab ich sarkastisch zurück.
„Ja! Du kannst Geistern nicht vertrauen! SIE SIND GEFÄHRLICH! Egal, ob du einer alten Oma, einem Kleinkind... oder einem Familienmitglied gegenüberstehst!"
„Woher willst du das wissen? Ich glaube nicht, dass mich meine Mutter angreifen würde!"
Lockwood schnaufte auf: „Aber genauso ist es!"
„Woher willst du das wissen?", wiederholte ich.
„WEIL MIR GENAU DAS PASSIERST IST, OKAY! Ich bin als Kind fast an der Geistersiche abgekratzt. Und jetzt rate mal, wer mich berührt hat! MEIN. EIGENER. VATER!"
Ich sah ihn überrascht an. Das war das erste Mal, dass ich sah, dass Lockwood völlig die Fassung verlor. Er brach über seinen Stuhl zusammen und vergrub das Gesicht in seine Hände. Zögernd setzte ich mich zu ihm.
„Was glaubst du denn...", begann er, „... wieso ich so verbissen gegen die Geisterplage ankämpfe!"
Er blickte auf und sah mich sehr erschöpft an.
„Die Geister haben mein Leben zerstört, Lucy! Als Jessica starb, fasste ich den Entschluss, dass es das Beste wäre, wenn ich selbst gegen die Plage kämpfe und lies mich ausbilden. Ein Jahr später brachte ich es endlich über mich, das Grab meiner Eltern zu besuchen. Ich saß lange da, und achtete nicht auf die Zeit. Tja, da es Winter war, wurde es schon früh dunkel und als ich das bemerkte, war es schon zu spät! Ich stand sofort auf und wollte wegrennen, aber die Geisterstarre hatte mich schon erreicht. Wie gesagt, ich hatte gerade mal den ersten Grad erreicht, war leider bei noch keinem Auftrag dabei gewesen und besaß keinen Degen. Meine Gabe war jedoch schon immer sehr ausgeprägt und deshalb erkannte ich sie sofort...", er stockte, fuhr dann aber fort, „... Zuerst war ich natürlich froh, sie wiederzusehen, doch meine Eltern erinnerten sich offenbar nicht an mich... Mein Vater kam ohne zu zögern auf mich zu und berührte mich am Arm. Das löste mich dann aus der Starre. Ich riss eine Salzbombe von meinem Gürtel und warf sie direkt unter die Geister. Sie verschwanden und ich nutzte die Chance und rannte zum nächstbesten Krankenhaus."
Er verstummte.
Weil ich nicht wusste, was ich darauf erwidern sollte, hielt ich einfach den Mund, trat zu ihm und nahm ihn in den Arm. Das überraschte ihn zunächst, denn er blieb stocksteif stehen, doch dann erwiderte er die Umarmung. Ich weiß nicht, wie lange wir so dastanden, doch schließlich löste sich Lockwood von mir und sah mir tief in die Augen.
„Lucy, das darf mir nicht noch einmal passieren. Verstehst du jetzt, warum ich mir solche Sorgen um dich mache? Ich könnte mir ein Leben ohne dich nicht vorstellen!"
Ich starrte ihn verblüfft an und mein Mund öffnete sich von ganz alleine:
„Auch ich könnte ohne dich nicht leben, Lockwood!"
Er lächelte mich an und dann, ohne irgendwelche Vorwarnung, beugte er sich zu mir hinunter und küsste mich. Das kam so überraschend, dass ich zuerst einfach nur dastand, doch dann erwiderte ich.
Als wir uns voneinander lösten, starrte ich Lockwood überrascht an. Der fuhr sich zerstreut mit der Hand durch die Haare. Schließlich seufzte er:
„Lucy, ich muss die was sagen, was ich schon lange für mich behalten habe..."
Er atmete einmal tief durch.
„Ich mag dich, also ich mag dich sehr! Schon als ich dich das erste Mal sah, da wusste ich, dass du was Besonderes bist und das hat sich dann im Laufe der Zeit immer wieder bestätigt. Ich... also..."
Er brach frustriert ab.
„Oh Mann! Ich bin darin echt schlecht! Ich mach's einfach kurz..."
Ich sah ihn gespannt an.
„Ich liebe dich, Lucy! Ich liebe einfach alles an dir! Und hätte ich das noch länger für mich behalten, dann wäre ich vermutlich zusammengebrochen!"
Er sah immer noch zerstreut aus und wartete, ziemlich nervös, auf meine Antwort.
Sofort schossen meine Mundwinkel nach oben. JA!!!
„Lucy, ich... also ich verstehe, wenn du jetzt einfach gehen willst und..."
Ich unterbrach ihn, indem ich meine Arme um seinen Hals schlang, ihn zu mir hinunterzog und nochmals küsste.
„Ich liebe dich auch, Anthony!"

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Am nächsten Morgen wachte ich mit einem Glücksgefühl im Bauch auf. Fröhlich pfeifend setzte ich mich auf, und schlug mir prompt den Kopf an der Schräge. Murrend fluchte ich ein paar Schimpfwörter und zog mich an. Das morgendliche Blackout konnte meine Stimmung aber nicht ganz senken. Gut gelaunt schlenderte ich hinunter in die Küche, wo Lockwood schon auf seinem Stammplatz saß und Zeitung las.
„Guten Morgen!", flötete ich.
„Morgen", kam es von Lockwood nebenher, bis er bemerkte, dass ich es war, die gerade in die Küche gekommen war.
Er legte die Zeitung weg und grinste mich an.
Ich lies mich neben ihn auf den Stuhl fallen:
„Wollen wir es George sagen?"
Lockwood machte ein nachdenkliches Gesicht und zog eine Augenbraue hoch.
„Ich weiß nicht. Findest du nicht, dass er sich dann ausgeschlossen fühlen könnte. Ich würde sagen wir warten noch ein bisschen!"
„Ja, du hast Recht!"
Lockwood beugte sich vor und wollte mich gerade küssen, da sauste George in die Küche. Sofort beugte sich Lockwood weiter vor und hob eine Serviette vom Boden auf.
George, der offenbar nichts bemerkt hatte, blickte uns kurz an und ging dann zum Kühlschrank:
„Oh, ihr versteht euch also wieder! Ich hätte eisiges Schweigen erwartet, aber das ist natürlich besser!"
Lockwood und ich schauten uns kurz an, dann lehnte sich Lockwood lässig zurück und setzte seine Unschuldsmiene auf.
„Jap, alles perfekt!"
Ich musste grinsen.
„Okay", George pflanzte sich auf seinem Stuhl, „Da wir ja jetzt den Fall hinter uns haben... darf ich dann über das Mausoleum recherchieren?"
Er sah uns erwartungsvoll an.
Lockwood verdrehte seine Augen und nickte: „Ja, darfst du!"
Mit leuchtenden Augen sprang George hoch und rannte zur Haustür.
„So schnell werden wir ihn nicht mehr sehen", meinte ich und drehte mich zu Lockwood um, der mich anlächelte.
„Also ich hab damit kein Problem!"
Ich grinste zurück:
„Ich auch nicht!"

Lockwood & Co  Das Geheimnis von Penelope FittesWhere stories live. Discover now