07 | "Ich hoffe mein Trikot ist auch in Ordnung?"

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07 | "Ich hoffe mein Trikot ist auch in Ordnung?"

Nach dem verlorenen Pokalfinale saß ich mit meiner Schwester im Schockraum Nummer 4 in irgendeinem Krankenhaus in Berlin.
"Ob Finja das ganze Hotelzimmer auseinander nimmt, weil der BVB gegen die Bayern verloren hat?", fragte Saskia mich und kaute auf ihrer Unterlippe herum.
Ich lag müde auf der Liege und starrte die flatternde Halogenröhre in der Decke an. "Ich denke eher wenn sie ausgeschlafen hat. Die letzten Minuten hat sie doch eh nicht mitbekommen." Finja war kurz nach der 2:1 Führung der Dortmunder in meinen Armen eingeschlafen. Dann kassierte der BVB noch zwei weitere Tore und das war's dann gewesen. Gut, dass sie das nicht mehr mitbekam. Leo trug sie dann in den Bus und ins Hotel. Von da aus fuhr ich mit Saskia in ein Krankenhaus in der Nähe vom Hotel. Es war mittlerweile zwei Uhr in der Nacht und ich wartete immer noch darauf, dass ich richtig untersucht wurde.
Es kamen immer wieder Notfälle rein. Die eine Krankenschwester die immer nach mir schaute und mit mir zwischendurch Smalltalk hielt, klärte mich immer über die Notfälle auf.
"Ein Bayernfan hat sich mit zwei Bier übersoffen", oder "Ein Dortmunderfan wurde mit einer Bierflasche beworfen und droht ein Auge zuverlieren", oder "Ein Bayerfan hat vor Wut nach der 2:0 Führung des BVB's in einer Bar auf seine Klatschpappe gebissen, diese sei explodiert und vor Schreck hätte er die leere Hülle verschluckt", oder "Ein BVB-Fan hat einen Bayernfan einem mit extrascharfer Sauce berieselten Döner in die Fresse geworfen, nun hatte der Fan Chilli in den Augen und drohte zu erblinden. Weil verblödet ist er ja schon."
Ich war der tratschigen Krankenschwester ziemlich dankbar, dass sie Saskia und mich zwischendurch volllaberte. Wir beide standen nämlich kurz davor einzupennen.
Ich rutschte auf der Liege ein bisschen zum Rand und klatschte dann neben mir auf die mit Papier belegte Liege. "Leg du dich ein bisschen hin", sagte ich und musterte das Gesicht meiner kleinen Schwester. Ihre geröteten Augen fielen immer wieder zu. Und jedes Mal wenn sie kurz vorm Einschlafen war, zuckte sie fürchterlich zusammen.
Saskia gab irgendwelche Laute von sich und schlenderte von dem Stuhl zu mir rüber. Dann legte sie sich neben mich auf die Liege. "Wenn das hier noch länger dauert fahren wir einfach wieder. Dann fahr ich Übermorgen nach der Arbeit zu meinem Hausarzt."
"Da kommen eben Notfälle mit rein", sagte Saskia. "Obwohl das eigentlich hätte schlimmer ausgehen hätte können. Stell dir mal vor, du hast schon ein blutendes Gehirnrinsel im Kopf und durch den Schuss ist das alles noch schlimmer geworden."
"Mir geht's doch gut. Ich habe keine großartigen Kopfschmerzen, noch läuft mir Blut aus den Ohren und der Nase heraus. Schwindelig ist mir auch nicht mehr. Nur meine Nase tut höllisch weh."
"Dann sollen die dich endlich mal Röntgen. Sonst mache ich das."
"Saskia, beruhige dich mal. Es wird alles wieder gut."
"Gut, dass der Leo den ganzen Weg zurückfährt und wir pennen können. Kaum zu glauben, dass wir um neun Uhr wieder nach Hause fahren."
"So schnell geht die Zeit eben um", sagte ich und starrte die nervende und flackernde Lampe wieder an. "In der Zeit habe ich sicherlich das Lager für die Lampen gefunden und diese ausgetauscht."
Saskia lachte leise. "Denk nicht mal daran, Große." Sie musterte mich. "Ach verflucht. Deine Nase fängt schon wieder an zu bluten."
"Ach, Kacke", sagte ich und hielt mir die Nase, wo ich nach ein paar Sekunden schon eine warme Flüssigkeit spürte.
Meine Schwester schaute sich panisch in den Schubladen um, um irgendwas zu finden, dass meine Nasenblutung stoppen, oder aufhalten kann. "Nimm einfach das hier."
Ich konnte nicht antworten, da hatte Saskia die Folie von einem Tampon gedreht und mir das Ding in eines meiner Nasenlöcher geschoben. Der Zweite folgte zurgleich. Entsetzt blickte ich meine Schwester an, die zufrieden nickte. "Sieht zwar albern aus, aber so auffällig ist das auch nun wieder nicht."
"Aha", sagte ich und richtete die Tampons, weil meine Nase leicht schmerzte. „Nicht jeder hat XXXXL-Tampons in der Nase."
„Eben und wenigen steht das. Du gehörst definitiv zu den Menschen die damit gut aussehen."
Um kurz vor vier hatte ein Arzt endlich mal Zeit für mich. Abtasten, mich auslachen weil ich Tampons in der Nase hatte und zum Schluss Röntgen. Das Sahnehäuptchen war, dass meine Nase stark verstaucht war. Das würde alles in 2-3 Wochen wieder weggehen. Vor allen die Schwellung meiner Nase, die bereits auf das doppelte angeschwollen war.
"Keine Schiefstellung der Nase, die Blutung hat aufgehört. Kühlen, kühlen, kühlen und am wichtigsten ist, dass sie nur Ibu oder Paracetamol nehmen, wenn sie Schmerzen haben. Andere Schmerzmittel können das Blut verdünnen und dann kommt es wieder zum Nasenbluten."
"Ich habe Paracetamol immer bei mir. Das haben wir dann schon. Muss ich die Tage zu einem Arzt in meiner Heimat gehen?"
"In drei Tagen gehen Sie noch einmal zum Arzt und lassen Sie da mal rüber schauen. Ich gebe Ihnen den Unfallbefund für Ihren Arzt mit."
"Okay."
"Ich bin gleich wieder da."
"Das Gleich kennen wir", schmunzelte ich.
"Ich kann mich auch beeilen", sagte der Arzt belustigt und verschwand aus dem Schockraum.
Ich hielt mir das Kühlpack an die Nase und blickte zu Saskia. "Siehste, wir sind hier gleich wieder weg."
"Gott sei Dank. Ich will ins Bett."
"Ich auch."
Nachdem ich noch den Fundbericht mitbekam konnten Saskia kurz nach vier Uhr die Klinik verlassen.
Als ich mein Zimmer betrat blickte ich in ein leeres Bett. Finja war nicht da. Aber meine kleine Sorgen verschwanden schnell wieder, als meine Schwester in mein Zimmer kam. "Finja und Leo pennen drüben im Bett. Und ich jetzt bei dir."
"Na gut. Wehe du schnarchst."
"Ich schnarche nicht. Du vielleicht."
"Nö, eigentlich nicht."
Im Badezimmer schlüpfte ich in meine Schlafklamotten und schaute in den Spiegel. Meine Nase war angeschwollen und unter meinen Augen hing ein leichter Fliederton. Super. Ich schluckte eine Paracetamoltablette und putzte mir danach die Zähne. Als ich das Badezimmer verließ, lag meine Schwester in ihrem Pochahontas-Schlafanzug in ihrem Bett und war am pennen.
"Zu viel zum Thema du scharchst nicht", flüsterte ich und machte das große Zimmerlicht aus. Dann legte ich mich neben meine Schwester ins Bett und ließ auch das Nachttischlicht erlischen.

Nur ein Schuss [ED37] ✔️. Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt