It's not easy to be me #19

11 2 0
                                    

Als ich heute den Raum betrat, waren alle total aufgebracht. 
Lan hatte eine große Landkarte mitgebracht und die ganze Gruppe saß schon in der Mitte des Raumes auf dem Boden und begutachtete das riesige Stück Papier, als ich herein kam. 
Ich musste zugeben, ich hatte mir nicht viele Gedanken über den anstehenden Ausflug gemacht und eigentlich war es mir auch egal, wo wir hinfuhren oder ob wir überhaupt irgendwo hinfuhren.

"Komm her!" Ally winkte mich zu sich. Ich ließ mich neben ihr auf den Boden fallen. "Hast du eine Idee?", fragte sie mich. "Nein, mir ist das egal", antwortete ich wahrheitsgetreu.

"Wie wäre es mit LA?", fragte Steve in die Runde.

"Wenn wir nach LA wollen, müssen wir vorher schon ein Vermögen angespart haben", gab Lan nachdenklich zurück.

Ich schaute mir die Karte an. Die ganze USA war darauf abgebildet. Wenn ich ehrlich war, war ich noch nicht sehr oft weit gereist. Einmal, um genau zu sein. Ich konnte mich nur noch flüchtig daran erinnern. Ich musste so um die vier Jahre alt gewesen sein. Meine Eltern waren mit mir nach Lyon, Paris geflogen. Ich konnte mich noch an den Flug erinnern, zumindest an die  Landung, den Rest hatte ich verschlafen. Wir waren nur wenige Tage geblieben und obwohl ich mich an kaum etwas erinnern konnte, war die Reise eine der schönsten Erlebnisse in meinem ganzen Leben gewesen. 
Später, nachdem ich zu Ann gezogen war, hatte ich New York nie wieder verlassen. 

Victoria riss mich aus meinen Gedanken, indem sie das Wort erhob: "Wie sieht es dann mit Pennsylvania aus?"

"Pennsylvania ist ein großes Gebiet", meint Ally und zeigte mit ihrem Finger demonstrativ auf den Bundesstaat.

"Philadelphia?", präzisierte sie ihre Aussage.

"Ich wollte schon immer nach Philadelphia!", rief Ally nun aufgebracht.

"Was willst du denn in Philadelphia?", fragte ich sie ungläubig, schließlich war es eine Kulturstadt sowie eine Shoppingmetropole und ich hatte auf beides keine große Lust.

"Ich finde die Geschichte interessant." 

Ich zog die Brauen hoch. Ally verschränkte die Arme vor der Brust und bemühte sich, trotzig zu schauen, scheiterte jedoch kläglich. Sie musste einfach lächeln, do glücklich war sie.

"Ich würde mir dort auch gerne mal ein Spiel anschauen", schaltete sich Steve auf einmal ein.

"Also ich stimme Mick zu, dort ist es doch langweilig. Lass uns doch was Verrücktes machen! Ein Spiel kannst du dir immer noch anschauen", stimmte Ryan zu.

So ging das eine Weile weiter. Ich beschloss, mich nicht mehr zu sehr einzumischen und schaute mich stattdessen im Raum um. Wenn ich ehrlich war, hatte ich ihn mir nie so genau angesehen. Die Wände waren hellgrau gestrichen, jedoch hingen überall bunte Bilder und Bastellein und farbenfrohe Teppiche, die von dem Grau der Wände ablenkten. Durch die vielen Fenster drang helles Sonnenlicht herein. 
Scheußlich, wenn man mich fragte. Zwar fand ich Farben nicht mehr so grässlich wie früher, jedoch würde ich trotzdem nicht in so einem Zimmer leben wollen. Es war alles einfach viel zu... fröhlich. Fröhlichkeit, dich ich im Leben nicht verdient hatte.

Plötzlich blieb mein Blick an Simon hängen. Er schaute traurig drein. Und er beteiligte sich genauso wenig, wenn nicht noch weniger, als ich bei der Planung des anstehenden Ausflugs.

Mit einer kurzen Kopfbewegung fragte ich ihn, was los sei. Doch jedoch schüttelte einfach nur seinen Kopf. Ich rappelte mich vom Boden auf und ging zu ihm hinüber.
"Was ist los, Simon?", fragte ich ihn. 
"Nichts, es ist alles in Ordnung."

Lan, die unser Unterhaltung, vorausgesetzt man konnte die zwei Sätze Unterhaltung nennen , mitgehört hatte, drehte sich zu uns um. "Was habt ihr denn? Wollt ihr Garnichts dazu sagen?" Ich schüttelte nur den Kopf und Simon blieb einfach still. 
Was hat er?, formte sie mit ihren Lippen. Ich zuckte nur die Schultern.

"Simon, rede mit uns", sagte sie nun an ihn gerichtet, "Freust du dich denn gar nicht?"

"Ich... Ich kann ja sowieso nicht mit", presste er hervor und versuchte dabei nicht in Tränen auszubrechen.

"Warum?", erkundigte sich Victoria.

"Nicht genug Geld..."

"Wofür?"

"Ein Hotel oder einen Flug oder was man sonst noch so alles auf einer Reise braucht..."

"Dann machen wir einen kostenlosen Ausflug", beschloss Riley und lächelte Simon aufmunternd zu, "Wir packen das."

"Aber wie sollen wir das anstellen? Wir brauchen doch eine Unterkunft", Simon schien immer noch nicht ganz überzeugt zu sein.

"Steves Dad hat einen Bus, oder?"

"Ja." Steve nickte eifrig.

"Dann machen wir einen Roadtrip!", reif Ryan erfreut.

"Und wohin?", fragte Lan.

"Ins Down Under!"

"Australien?", Ally lachte, "Mit einem Bus?"

"Dann suchen wir unser eigenes Down Under!"

"Ja! Machen wir einen Roadtrip durchs amerikanische Down Under!" Ryans Augen strahlten und auch alle anderen schienen begeistert zu sein. Und auch ich musste zugeben, dass ich von der Idee nicht ganz unbegeistert war.

"Also gut, habt ihr euer Ziel?", fragte Fan am Ende der Stunde.

"Aber sowas von!", schrie Ryan.

"Wir fahren ins amerikanische Down Under!", verkündete Riley feierlich.

"Und womit wollt ihr da hinkommen?", wollte unsere Gruppenleiterin wissen.

"Na mit Steves Bus!", erklärte ich. 

Die Vorfreude in mir wuchs. Das war es erste Mal seit langer Zeit, dass ich mich wirklich auf etwas freute. 

"Wie groß ist der Bus?", fragte Lan nachdem wir gemeinsam das Gebäude verlassen hatten. 

"Groß genug."

Gemeinsam schlenderten wir die Straßen New Yorks entlang. Das hatten wir vorher nie getan. Immer wenn die Therapie vorbeigewesen war, war jeder seinen eigenen Weg nach Hause gegangen. 
Jetzt hatte ich zum ersten Mal wieder das Gefühl, nicht alleine zu sein. Es war ein ungewohntes Gefühl, ein Gefühl, von dem ich lange Zeit nicht mehr wusste, dass ich es empfinden konnte. Aber es war ein unbeschreiblich schönes Gefühl.
Wie wir da alle nebeneinander die Straße hinunterliefen, alle so unperfekt. So musste es sich anfühlen, Freunde zu haben.

"Ich muss hier abbiegen", erklärte Ally, als wir an der Kreuzung angekommen waren, an der sich unsere Wege trennten.

"Bye!", reifen ihr alle wie aus einem Mund hinterher.

Stolz lief sie in eine Seitengasse hinein. Wie konnte ein einzelner Mensch nur so stark, stolz, mutig und nett gleichzeitig sein?
Aline Baker, du bist wirklich eine faszinierende Persönlichkeit.

"Ich biege hier auch ab", sagte ich zu Riley und Simon, die nun einzigen waren, die noch weiter draußen lebten und somit noch mit mir gegangen waren.

"Okay, tschüss, Mick", meinte Simon und die beiden gingen weiter.

Als ich das Haus betrat, hörte ich wie immer als erstes Anns Stimme. Konnte sich diese Frau das nicht endlich einmal abgewöhnen?!
Doch überraschenderweise regte mich ihre Begrüßung heute nicht so sehr auf wie sonst.

"Hi, Ann", antwortete ich so freundlich, wie ich es wahrscheinlich noch nie getan hatte.

"Warum hast du denn heute so gute Laune?", fragte sie verwirrt, als sie mich reden und nicht wie immer einfach nur die Treppe hinauftrampeln hörte.

"Ach, nur so", sagte ich schnell und lief dann doch in mein Zimmer. Schließlich hatten Ann und ich einen Deal. Ich würde in diese Therapie gehen und sie würde sich aus meinem Leben raushalten.
Und das würde ich beinhart ausnutzen.

Hey, ich habe mich beim UndiscoverdAward2018 angemeldet. Wenn ihr Lust habt und euch meine Geschichte gefällt, könnt ihr gerne abstimmen!

It's not easy to be meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt