Viel zu oft vergesse ich das, ich vergesse dich, ich vergesse, dass du alles in deiner Hand hast, dass du Philip in deiner Hand hast und alles was in betrifft und ebenso mich und alles was uns einzeln, aber auch zusammen betrifft.

Es ist so verrückt und doch so wunderbar.

Manchmal, da wünschte ich mir, dass er mir keinen freien Willen gegeben hätte, denn dann müsste ich nicht so viele Entscheidungen treffen und du weißt wie sehr ich Entscheidungen hasse. Und doch besteht unser ganzes Leben genau daraus, aus Entscheidungen. Entscheidungen tagein, tagaus.

Stehst du auf oder bleibst du doch lieber liegen? Was isst du zum frühstück? Beginnst du mit deiner Mutter ein Gespräch oder doch lieber nicht? Meldest du dich in der Schule egal ob du die gute Note jetzt brauchst oder nicht. Nimmst du den Bus oder bevorzugst du doch das Fahrrad. Unser ganzes Leben besteht aus Entscheidungen, aus großen und kleinen Entscheidungen.

Die Entscheidung ob ich mich weiter auf Philip einlasse und ob ich diesem Date eine Chance gebe oder lieber doch nicht, ist momentan eine relativ große Entscheidung. Noch größer als jene, die sich die Frage stellt, was ich an besagtem Tag denn anziehen soll. Ich weiß ich bin kein typisches Mädchen, oder vielleicht bin ich das ja doch, aber vielleicht gibt es momentan einfach wichtigere Dinge. Entscheidungen.

Gott soll die Herrschaft über mein Herz übernehmen und das schließt doch auch ein, dass er meine Entscheidungen leiten soll. Du, liebste Betty hast immer gesagt, dass Gott das tut, dass er das definitiv tut. Manchmal aber, da müssen wir selbst Schritte voran gehen und dann wird er wirken. Er wird Türen öffnen und welche schließen. Vielleicht müssen wir manchmal einfach Dinge wagen, ins kalte Wasser springen, vielleicht müssen wir manchmal einfach los laufen, so wie Petrus damals los gelaufen ist, über das Wasser, den Blick stets auf Jesus gerichtet. Wir werden nicht sinken, nicht wenn wir unsere Blick durchgehend auf ihn gerichtet haben. Dann werden wir nicht fallen und wenn doch, seine Hand hält uns, seine Hand hat auch Petrus gehalten. Wir können nicht tiefer fallen als in seine Hand.

Das zu wissen und hier gerade aufzuschlüsseln gibt mir irgendwie Mut. Mut Dinge im Gebet vor Gott zu bringen, etwas was wir beide schon immer gerne und mit großer Leidenschaft getan haben. Beten. In ganzen Gruppen, zu zweit, allein. Wir haben gebetet für die Menschheit, für verfolgte Christen, für unsere Gemeinde, unsere Familie, Freude, Ärzte, dich und mich und ebenso für ganz konkrete Dinge. Für Operationen, Arbeiten, Veranstaltungen, für so viele Dinge.

Ich liebe das Beten und dennoch habe ich es in letzter Zeit etwas vernachlässigt. Ich bete, ab und an, aber nicht so wie du, nicht den ganzen Tag. Nicht während ich durch die Straßen laufe, nicht während ich mit anderen Menschen Kontakt habe, wenig beim Fahrrad fahren und schon gar nicht laut für andere, weil ich das nicht kann, weil ich nicht reden kann und weil ich manchmal das Gefühl habe, dass meine Gebete gar nicht bei Gott ankommen, nicht, wenn ich sie nicht ausspreche und das schmerzt, das tut weh und das demotiviert ziemlich. Doch ich will es versuchen, ich will in den nächsten Wochen wirklich versuchen alles - wirklich alles im Gebet vor Gott zu bringen, so wie du das immer getan hast. Oft jedenfalls. Vielleicht auch nicht immer, weil auch du mal schwach warst, aber du bist mein Vorbild, auch im Bezug auf das Gebet.

Wobei das teilweise echt absurd bist, weil du zwar eine begeisterte Beterin, aber nicht wirklich geduldig. Das hast du jedenfalls immer gesagt und darin haben wir uns super aneinander angepasst.

Unser Pastor hatte dazu mal ein unglaublich tolles Bild. Beten heißt nicht nur all seine Gedanken vor Gott zu bringen, sondern auch auf eine Antwort zu warten. Es ist wie, wenn du dem Arzt einen Besuch abstattest und seien wir mal ehrlich, damit kennst du dich ja bestens aus. Man geht nicht einfach nur zum Arzt und erzählt was einem alles weh tut. Halsschmerzen, Kopfweh und so, bei dir waren es oft ein paar krassere Dinge, man erwartet doch auch eine Antwort, nicht wahr? Man dreht sich nicht kurz nach seiner Erzählung wieder um und verschwindet. Nein, man will doch wissen was los ist.

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