Kapitel 8

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Smollend hockte Samal auf dem Grünstreifen im Park und zerrupfte Gänseblümchen. Nicht um herauszufinden ob irgendein Typ in sie verknallt war, sondern um Frust abzubauen. Ja, Sue war ihr Ersatz für eine große Schwester, ja, sie hatte Sue sehr gern, ja, sie verstand warum Sue sich um sie sorgte. Aber sie konnte die behämmerte Situation doch auch nicht ändern, verdammte Axt!

Missmutig blinzelte Samal in die Sonne, die noch unzählige andere Leute in den Park gelockt hatte. Und scheinbar waren sie trotzdem alle nur dort um Samal auf den Keks zu gehen indem sie ihr, wohl eher unabsichtlich, immer wieder das Detail unter die Nase rieben, dass ihr Leben so außergewöhnlich kompliziert machte. Ein Kind fiel seitlich von der Rutsche und seine Mutter schrie „Oh Gott!", zwei ältere Damen unterhielten sich auf einer Bank und die eine kommentierte die Erzählung der anderen mit „Um Himmels Willen!" und ein älterer Herr schimpfte mit „Himmel, Herr Gott !" seinen sturen Hund aus. Das Motto des heutigen Tages schien zu sein 'bringt mit himmlischen Flüchen Samal auf die Palme'. Hm, eigentlich keine schlechte Idee, wäre es Nacht gewesen hätte Samal ernsthaft darüber nachgedacht zur Küste zu fliegen und die Nacht auf einer Palme zu verbringen.

Seufzend warf sie die zerrupften Gänseblümchen zur Seite und ließ sich rückwärts ins Gras fallen. Sollten die Leute doch denken was sie wollten, durch ihren Aufzug allein dürfte sie in Gedanken der Parkbesucher schon unter Vorurteilen zusammenbrechen. Denn obwohl sie durch ihr Leben bei Sue die Möglichkeit eines Garderobenwechsels gehabt hätte, trug sie noch immer dasselbe weiße Kleid, dass sie nun schon seit über einem Jahr trug. Doch es stank nicht und es wurde nicht schmutzig, was Sue in dem Glauben ließ, dass Samal es selbst wusch. Da Samal keinen Wachstum ihr eigen nennen konnte, bereitete auch die Größe keine Probleme. Und auch Schuhe hatte Samal bis zum heutigen Tage verweigert. Warum genau, wusste sie selbst nicht. Nur, dass ihre Füße genauso wenig schmutzig wurden wie ihr Kleid.

Über ihre Grüblerei musste Samal schon wieder mal eingeschlafen sein, denn als sie die Augen wieder öffnete stand die Sonne so tief, dass es zwischen vier und fünf Uhr nachmittags seien musste. Abrupt setzte der Engel sich auf und blickte sich um. Der Park war leer bis auf einen jungen Mann der ihn gerade mit einem Hund, der mehr an ein Frettchen als an einen Hund erinnerte, durchquerte und zwei identisch aussehende Jungen im Vorschulalter, die auf dem Klettergerüst herumturnten. Wahrscheinlich hatten sich die anderen Leute an den Strand verzogen, es war inzwischen fast unerträglich heiß in der Sonne. Für Menschen, versteht sich, Samal konnte ja nicht mal die Hitze eines Hausbrands etwas anhaben.

Tja, was nun? Bis zum Abendessen war es noch mindestens zwei Stunden hin. Sollte sie solange im Park hocken bleiben? Samal sah dem jungen Mann hinterher als er mit seinem Hund den Park verließ. Jetzt waren nur noch sie und die kleinen Kinder hier. Wobei...war es nicht seltsam, dass zwei kleine Jungen im Vorschulalter Nachmittags alleine im Park spielten? Es war zwar Sommer und würde erst spät dunkel werden, aber waren die Jungs nicht trotzdem zu klein um alleine hier zu sein? Wo waren die Eltern, die beiden waren doch noch keine sechs Jahre alt! Langsam stand Samal auf und schlenderte betont desinteressiert zu den Jungs herüber. Als sie näher kam konnte sie deutlich erkennen, dass es sich um eineiige Zwillinge handelte. Sie verschränkte die Arme hinter dem Rücken und trat noch einen Schritt näher, sodass die Zwillinge auf sie aufmerksam wurden. „Sagt mal, wo sind denn eure Eltern?" „Ähm... Also..." „Mom hat gesagt wir sollten vor dem Laden auf sie warten, aber..." Die kleinen Jungs waren etwas verlegen. „Naja, wir haben den Spielplatz gesehen und dann..." „Aber das ist ja auch gar nicht schlimm, schließlich haben wir nur ganz kurz hier gespielt!" „Ja genau, wir werden gleich zurück zu Mom gehen!" Samal zog die Augenbraue hoch. Wenn die Jungs tatsächlich ohne Abmeldung verschwunden waren, war ihre Mutter bestimmt auf der Suche nach ihnen. Und die einzige Erklärung dafür, warum sie sie noch nicht gefunden hatte konnte nur sein, dass sich die Beiden doch weiter von dem Laden und ihrer Mutter entfernt hatten als sie vielleicht realisiert hatten. Schließlich würde eine Mutter von zwei kleinen Kindern doch zuerst auf einem Spielplatz nachsehen, wenn sie ihre Sprösslinge vermisste, oder?
Innerlich seufzte Samal, sie bekam leider schon eine ziemlich gute Ahnung auf was das hier hinauslaufen würde. Samal als Babysitter. Na klasse, sie kriegte sich ja gar nicht mehr ein vor Freude! Am Rande notierte Samal, dass weder ihr Zynismus noch ihr Sarkasmus gesund waren und wendete sich mit einem zuckersüßen Lächeln an ihre neue Verantwortung. „Wisst ihr was, ihr beiden? Ich werde euch helfen eure Mom zu finden, wie heißt ihr denn?"

Samal: The Angels SinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt