20 | Licht und Dunkelheit

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S A R A

Eine ganze Weile vergeht, in der ich einfach durch die Gegend laufe. Ohne wirklich zu wissen, wohin ich will, setzte ich einen Fuß vor das andere und versuche mit jedem Schritt die aufkommenden Gefühle und Gedanken abzuschütteln.

Ich versuche sie hinter mir zu lassen, doch es funktioniert einfach nicht. Es ist, als würden sie regelrecht an mir kleben. Als würden sie wie Gewicht an mir und meinem Herzen haften und mich mit jedem Atemzug den ich mache, ein kleines Stückchen mehr hinunter ziehen.

"Scheiße..." Ich wische mir das gefühlt tausendste mal über die Wangen und bin wütend darüber, dass ich so sentimental reagiere. Ich bin wütend, weil ich einfach nicht aufhören kann, wie ein erbärmliches Baby zu heulen. Ich kicke mit all meiner Kraft einen Stein weg und sehe ihm dabei zu, wie er ein weites Stück über den Bürgerstein fliegt und dann wieder auf den Boden aufprallt.

Und kurz fühle ich mich, als würde ich mit ihm fallen. Der Aufprall ist der Schmerz, den ich gerade empfinde. Den Schmerz, den ich empfunden habe, als mir klar wurde, dass meine Mutter tatsächlich süchtig ist.

Gott, sie ist Alkohol abhängig....

Wie konnte mir das nicht vorher aufgefallen sein? Bin ich so rücksichtslos? So egoistisch, dass ich noch nicht einmal bemerke, dass meine eigene Mutter eine ernste Krankheit hat?

Was ist nur aus uns geworden?

Neue Tränen kommen hoch und sie brennen wie Gift in meinen Augen. Das Atmen fällt mir wieder schwer, denn es ist, als würde sich mein Hals zuschnüren. Schniefend halte ich mitten in der Bewegung inne und halte mir an meine ziehende Brust. Es fällt mir immer schwerer, Luft zu nehmen und als im nächsten Moment schwarze Punkte vor meinen Augen tanzen, wird mir schwindelig und ich verliere mein Gleichgewicht.

Und kurz darauf mein Bewusstsein.

Ich spüre noch, wie mein Körper auf dem Asphalt aufkommt und wie mich ein stechender Schmerz durchzuckt.

Ich bin wie der Stein.

Ich bin geflogen und gefallen.

Tief...

...Gefallen....

"Hey? Hey!"

Ich spüre, wie jemand an meinen Schultern rüttelt, doch ich kann mich nicht bewegen. Da ist nur diese Dunkelheit und egal was ich tue, ich schaffe es nicht aus diesem endlos wirkenden Loch raus.

"Hey! Hörst du mich?", höre ich die Stimme erneut, doch diesmal ist sie näher. Ich kann sie noch keiner Person zuordnen, geschweige denn kann ich sagen, ob sie männlich oder weiblich ist, dafür bin ich einfach viel zu benommen. Selbst die Wörter verstehe ich nur halb. "Öffne deine Augen, komm schon!"

Der Druck um meine Schultern wird fester und als ich im nächsten Moment spüre, wie mein Oberkörper angehoben wird, ist es ganz plötzlich wieder da. Ein Licht. Erst ist es klein, doch mit jeder Sekunde und mit jedem Wort der unbekannten Person wird es größer und im nächsten Moment komme ich wieder zu mir.

Langsam treten die Schmerzen wieder in meinen Verstand und ich öffne verkniffen die Lider...

...Und blicke geradewegs in eisblaue und nur allzu bekannte Augen.

"Du?", krächze ich und starre den Keksdieb ungläubig an. Ich kann einfach nicht glauben, dass er tatsächlich hier ist. Er hockt da, direkt vor mir. Er hält mich aufrecht... Nein. Das kann nicht sein. Das muss ein Traum sein. Anders kann ich mir das einfach nicht erklären...

One Last ChanceUnde poveștirile trăiesc. Descoperă acum