Kapitel 12

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Plötzlich überdekte mein Rücken ein schauer. Mir kamen die Tränen und ich fing an leise zu jauchzen. Vor Scham hielt ich mir die Hände vor die Brust und versuchte mich an der Wand so klein wie möglich zu machen. Die Tränen kamen schneller und ich fing an laut zu heulen. Verzweifelt suchte ich auf dem Boden nach meinem Kleid. Als ich es fand, nahm ich es schnell in die Hand und bedeckte damit meinen Körper. Dann ging ich in die Ecke und nahm mir meine Schuhe. Ich rannte ins Badezimmer und schloss schlagartig die Tür ab. Sobald die Tür zu war, lehnte ich mich mit dem Rücken an die Tür und heulte noch lauter. Dann ging ich runter zu Boden. Mir kamen die ganzen Erinnerungen hoch. All das, was ich durchmachen musste. Der Tod von meinem Vater, die Sache mit den Diamanten und dann noch die Bedrohung von Davut. Es war mir alles zu viel. Ich saß nun auf dem Boden und heulte mich aus. Dabei dachte ich über alles nach. Es wurde mir noch klarer, in welcher Situation ich steckte. Nach langem Weinen kam ich wieder zu mir. Ich stand zittrig auf und zog mir das Kleid wieder an. Dann stellte ich mich vor den Spiegel und betrachtete mich. Meine Haare waren schon kapputt und standen oben etwas ab. Mein Make-Up war verwischt, sodass meine Augenringe wieder zum Vorschein kamen. Für einen kurzen Moment war ich still. Ich lauschte ins Schlafzimmer, doch konnte nichts hören. Ich drehte den Wasserhahn auf und wusch mir mein Gesicht. Als ich wieder zu mir kam, öffnete ich vorsichtig die Tür und trat heraus. Ich sah mich um. Mert saß auf dem Ledersessel und hatte die Stirn in die Innenfläche seiner Hand gestützt. Als er bemerkte, dass ich wieder draussen war, schaute er hoch und machte eine leicht geschockte Mimik.

"Melek..?" fragte er besorgt.

Ich schaute ihn kurz an, drehte mich und verließ das Zimmer. Ich kam nicht weit, da hörte ich schon die Schritte von Mert hinter mir.

"Melek, bitte bleib stehen! Es tut mir leid wenn ich etwas falsches gesagt hab."

"Es hat doch garnichts mit dir zutun! Ich hab einfach keine Kraft mehr, verstehst du?" sagte ich flennend.

"I-Ich versteh nicht." sagte er mit einem fragenden Blick.

In meinem Hals bildete sich ein Kloß. Ich konnte es einfach nicht mehr aufhalten, denn alles staute sich in mir. Plötzlich fiel ich hin und fing an zu weinen. Mert reagierte sofort und kam zur Hilfe. Er hob mich hoch und brachte mich in seinen Armen zurück ins Zimmer. Dabei wurde ich ruhig und schließte die Augen...

Die Sonne schien durch die bodenlangen Gardinen hindurch und blendete mir ins Gesicht, sodass ich wieder zu Sinnen kam und die Augen öffnete. Da ich noch müde war, half mir das reiben an den Augen, um wieder zu mir zu kommen. Ich sah mich um und erkannte das Hotelzimmer. Ich sah hinüber zum Ledersessel wo Mert eingeschlafen war, dann zu mir. Ich lag im großen Ehebett und hatte das knappe enge Kleidchen an. Jetzt erinnerte ich mich wieder an alles. Alles was gestern geschah. Plötzlich kriegte ich ein Schamgefühl und zog die weiche Decke über mich. Panisch suchte ich nach dem Ausweg, um schnell hier rauszukommen, doch es war zu spät. Das leichte Geräusch der Decke ließ Mert zusammenzucken. Er erwachte, reibte sich kurz die Augen und stand auf.

"M-Melek..?" fragte er besorgt und setzte sich neben mich.

"Ja.." sagte ich meine Blicke senkend.

"Mert, hör zu! Es tut mir wirklich sehr leid für alles was gestern passiert ist!" gab ich hinzu.

Er sah mich an. Dann nahm er die Sträne aus meinem Gesicht und steckte sie hinter meinem Ohr.

"Nein Melek, es muss dir nicht leid tun. Du warst besoffen und es ist normal, dass man sich dann auch daneben benimmt." sagte er verständnisvoll.

"Aber ich will trotzdem wissen, wer dir das angetan hat." fragte er.

"Mert..." sagte ich schlagartig.

"Nein Melek, ich will die Wahrheit wissen!" unterbrach er mich.

Ich war am nachdenken. Sollte ich ihn die Wahrheit sagen? Letzendlich entschied ich mich dazu, ihm alles zu erzählen.

"E-Es waren diese Männer!" sagte ich mit vollen Augen.

"W-Wie, welche Männer?" sagte er panisch.

Ich erzählte ihn alles! Alles was passiert ist seit dem Tod meines Vaters.

"Melek, das ist..." sagte er panisch.

Er kratzte sich kurz am Nacken und war am Überlegen. Dabei sank er seine Blicke und hielt sein seine Hand vor seinen offenen Mund. Ich verstand nicht was auf einmal mit ihm passierte.

"Was ist denn los? Warum bist du aufeinmal so komisch?" fragte ich und weckte ihn aus seinen Träumen.

"N-Nichts! Steh auf, ich fahr dich nach Hause!" sagte er entschlossen.

Wir verließen gemeinsam das Hotelzimmer und gingen nach unten zur Rezeption. Nachdem Mert bezahlt hatte, stiegen wir in sein Auto und fuhren los. Während der Fahrt verhielt er sich sehr komisch. Er fuhr mehrmals über rot, bremmste ab und zu mal ganz doll an der Ampel oder ging mit den Fingern nervös durch sein Haar.

Als wir ankamen stieg ich aus.

"Ich hol dich morgen ab und fahr dich zur Arbeit, einverstanden?" sagte er dann.

"Wieso kommst du nicht mit hoch? Wir könnten auf dem Balkon sitzen."

"N-Nein! Ich muss ganz schnell was erledigen, wir sehen uns morgen."

Ich knallte die Tür zu und ging wütend ins Gebäude.

Am nächsten morgen war ich schon ganz aufgeregt und konnte es nicht erwarten Mert zu sehen. Ich hatte sehensucht nach ihn bekommen, obwohl wir uns am Tag vorher schon gesehen hatten. Ich zog mir rasch was schickes an und glättete meine langen schwarzen Haare. Dann schnappte ich mir meine Tasche, zog mir aufgeregt die Schuhe an und ging runter. Nun stand ich vor der Haustür, aber es war noch kein Mert in Sicht. Ich sah auf meine Uhr. Es war erst Viertel vor sieben. Ich war viel zu früh dran. Doch als ich mich umdrehen und wieder nach oben gehen wollte, erkannte ich Merts Auto in der Ferne. Aufgeregt lief ich zum Rande der Bordsteinkante. Als er anhielt, stieg ich ein. Gerade als ich ihn ein Küsschen auf die Wange geben wollte, bemerkte ich einen riesen großen blauen Fleck an seinem Auge. Geschockt sah ich ihn an. Er senkte die Blicke.

"Mert! Was ist das!" fragte ich.

"Nichts."

"Wie nichts? Wer hat das gemacht?"

"Keiner."

"Mert! Antworte auf meine Fragen! Du bist gestern einfach abgehauen, weil du dringend wohin musstest... Und heute hast du aufeinmal diesen blauen Fleck."

"Melek! Es reicht! Du nervst, verstehst du? Frag einfach nichts mehr!" brüllte er mich an.

Ich hielt inne. Meine Augen füllten sich, denn ich konnte es echt nicht verkraften.

Ich machte langsam die Tür auf und verließ das Auto...

Liebe mit HindernissenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt