T R Z Y D Z I E Ś C I D Z I E W I Ę Ć

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„Was hat denn da so lange gedauert?", will Valentin sogleich erfahren, nachdem ich mich zu ihm gesellt habe. Sein Gesprächspartner hat mich kurz angesehen, ehe er sich die Zigarette zwischen die Lippen geklemmt und einen knappen Zug betätigt hat. „Ich meine, ich habe kein Zeitgefühl und so, aber ich glaube, dass bestimmt eine halbe Stunde vergangen ist." Er holt den Becher ein und kippt sich etwas von dem Getränk hinein, bevor er den Becher zurückstellt.

„Sag' mal, ist das deine Freundin?" Die Stimme klingt schleifend. „Die sieht doch nicht hübsch aus. Schaut ja wie so'n halber Kerl aus." Der andere hat sich in das Gespräch eingeklinkt. Ich blicke Valentins Bekanntschaft an. Halte die Anspannung von mir fern. „Nee, die sieht nicht gut aus." Er nimmt die halbaufgerauchte Zigarette zwischen seine Finger und lässt die Asche zu Boden rieseln.

Der Blonde wirkt für eine Sekunde erstaunt. Kann sich schnell wieder fangen und will soeben eine Gegenantwort zustande bringen. Ich ergreife die Initiative und komme ihm somit zuvor.

„Um die Sache gleich klarzustellen; ich bin nicht seine Freundin oder sonst 'was", gebe ich zurück und blicke ihn unverwandt an. Dieses Mannes waltet eine ungepflegte Impression. Ich hebe etwas die Augenbrauen und ergänze: „Und wie ich aussehe, sollte für dich keine Rolle spielen." Ein wenig angewidert wende ich mich von ihm ab und verleihe Valentin meine Aufmerksamkeit. „Na ja, das lange Warten, und es hat eine Weile gedauert, die Toiletten zu finden." Die Lüge ist mir problemlos von den Lippen gewichen. Ich habe mich nicht schwergetan. „Na ja, aber jetzt bin ich wieder da." Ich schaue an dem Blonden vorbei. Schaue einer Schar aus Schülern hinterher. „Wo sind Nael und Zoë? Haben sie dich etwa verlassen?" Nicht, dass ich mir Gedanken um meine Schwester machen muss. Ich will sie ungern suchen müssen.

Valentin zuckt mit den Schultern. Ich sehe ihn voller Erwartung an.

„Anscheinend wohl schon, wenn sie nicht mehr hier sind", spricht er und setzt ein kurzes Grinsen auf die Lippen. Ich gehe nicht auf dieses ein. „Ja, keine Ahnung, wo sie jetzt sind. Kann sein, dass Nael es mir gesagt hat. Falls ja, habe ich es vollständig vergessen." Aus ihm weicht ein Gelächter. Im Moment stelle ich mir die Frage, was ihn dazu veranlasst hat. Nichts an dieser Situation ist lustig. „Aber ich weiß eine Sache."

„Und welche wäre das?" Der Ton hat eine genervte Richtung eingenommen. Ich mache mir keine Mühe, ihn zu verbergen. Weswegen auch? Es gibt genügend Gründe. Mein Abend ist wortwörtlich für die Tonne, Zoë ist irgendwo auf der Kirmes, zusammen mit einem mir fremden Kerl. Und dann ist da noch Valentin. Er zieht ebenfalls mit viel Kraft an meinen Nerven, welche kurz davor stehen, zu reißen.

„Die sind noch hier. Nur irgendwo." Der Fünfundzwanzigjährige schnappt sich seinen Becher, den er vor wenigen Sekunden auf die Theke platziert hat. „Fahren bestimmt mit irgendwas." Valentin erlaubt sich einen Schluck, ehe er ergänzt: „Wie wär's, hast du Lust, mit mir 'ne Runde zu fahren?"

Ich brauche meine Zeit, um zu realisieren, dass er mir diese Frage gestellt hat. Schaue ihn an. Ich kann schnell eine Entscheidung treffen. Mein Abend ist ohnehin schon schlecht gelaufen, da muss ich diesem keine Krone auf das Haupt setzen.

„Gewiss nicht", verneine ich sein Angebot und setze etliche Schritte Richtung Weg. Ich will von hier weg. Für mich alleine sein. Soll meine Schwester hier ihren Spaß haben; ich will nicht die Spaßbremse spielen müssen. „Außerdem habe ich keine Lust mehr, hier zu sein. Und nein, das liegt nicht an dir, ja? Nur, damit wir uns nicht falsch verstehen." Der Blickkontakt bleibt bestehen. „Vielleicht sieht man sich irgendwann wieder. Also, dann. Übertreib's nicht und mach's gut." Ich kehre Valentin den Rücken zu. Blende seine Versuche, mich zum Bleiben zu animieren, aus. In einem latenten Tempo setze ich mich in Bewegung und steuere den Weg an.

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