C Z T E R N A Ś C I E

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Ich bin immer noch nicht zur Ruhe gelangt. Alles in mir rast, wenngleich das Tempo ein wenig schwächer geworden ist. Jedoch habe ich nicht den Fokus auf diesen Rausch gerichtet. Habe mich eher von ihm abgewandt. Es taucht kein Grund in meinem Kopf auf, weshalb ich mich auf ihn konzentrieren soll. Ich habe meinen anfänglichen Spaß gehabt und habe im Anschluss eine erfahrende Tänzerin auf ihrem eigenen Verlangen sitzen gelassen. Kaum denke ich an dieser Situation zurück, macht sich Unwohl in mir breit. Ich habe es nicht zum Ende gebracht, habe ihre Ungeduld extrem herausgefordert und mit ihr ein übles Spielchen getrieben. Ich habe Kontrolle gehabt. Bin diejenige gewesen, welche Dominanz ausgestrahlt hat.

Die Erkenntnis erreicht meinen Gefallen. Ich lehne mich zurück. Der Rücken berührt das weiche Leder. Ich habe den Blick auf eine junge Frau mit asiatischen Wurzeln gerichtet, welche sich mit viel Eleganz um die Stange bewegt. Mal vollführt sie kleine Drehungen oder lässt sich vollständig zu Boden gleiten, sodass ihr recht kleiner Vorbau in den Vordergrund rückt. Ich achte nicht sonderlich darauf, eher setze ich mich mit dem speziellen Anfang, der sich in dem Zimmer angespielt hat, auseinander. Ich stelle mir weiterhin die Frage, ob ich nun richtig gehandelt habe oder nicht. Es spricht mehr für ersteres. Cessy hat mich, als ihr gesamter Körper in der anfänglichen Leidenschaft aufgegangen ist, gebeten, sie zu kontrollieren. Ich bin ihrer Bitte nachgegangen, indem ich ihr gesagt habe, dass sie erst einmal ihren eigenen Körper beherrschen muss.

„Doch, doch", rede ich leise zu mir und beuge mich nach vorne, um das Cocktailglas von dem Tisch zu nehmen. Eine rot gefärbte Flüssigkeit mit Erdbeeren, welche oberhalb des Getränks schwimmen. „Ich habe mich korrekt entschieden – Sie muss erst einmal diesen Schritt lernen. Ganz einfach." Ich führe das Glas zu meinen Lippen und nippe an der Flüssigkeit. Schwache Anzeichnen von Überraschung zeichnen sich in meinem Gesicht ab, und ich mustere das Glas. Das Getränk trägt sogar den Geschmack von Erdbeeren mit sich und bedeckt beinahe den des Alkohols. Er kann sich kaum durch die gefärbte Flüssigkeit drängen. Ich nehme einen nächsten Schluck zu mir, ehe ich das Glas zurückstelle und mich auf die Tänzerin konzentriere.

Irgendwie bin ich nicht dazu in Lage, mich auf die Show einzulassen. Ich offenbare ihr keine Emotionen, die ihr Tanz bei mir auslöst. Die Anspannung ist längst verschwunden, ich spüre, wie der Rausch nach und nach abklingt. Selbst der Puls hat endlich den Erfolg auf seiner Seite. Er hat sich verlangsamt.

Ich schwimme eher durch meine eigenen Gedanken. Es will mir keine Ruhe geben. Ich habe ein Spiel mit einer erfahrenden Stripperin geführt und habe die Regeln nach meinen Vorstellungen geändert, sodass Cessy nur verlieren kann. Ich habe für einen winzigen Augenblick ein unglaubliches Gefühl gehabt. Habe erfahren, was es heißt, Macht und Kontrolle auszuüben.

Ein angenehmer Schauer rennt mir den Rücken herunter. Ich sehe die Tänzerin unverwandt an, welche sich zu Boden gleiten gelassen hat und etwas auf mich zukommt. Ich zucke mit keiner Wimper. Fälle die Entscheidung, an ihr vorbeizusehen, um den hinteren Teil des Lokals im Auge zu haben. Auch dieser ist gut gefüllt, nur wenige Plätze sind nicht eingenommen worden. Irgendein Gast hat einen Pfiff ausgestoßen, in einem unregelmäßigen Abstand ertönt ein kehliges Gelächter. Ich halte nach Vincent Ausschau. Entdecken kann ich ihn aber nicht. Er scheint verschwunden zu sein.

„Er geht bestimmt seinem Anliegen nach"; setze ich die Vermutung in das Leben und sehe einer knapp bekleideten Kellnerin nach, welche auf einem glänzenden Tablett eine Bestellung balanciert. Auch sie besitzt recht lange Beine, die sie zur Geltung gebracht hat. „Wetten, er steckt in irgendeinem Raum und hat mit einer Sex? Ich würde ihm dies zutrauen."

Augenblicklich verstumme ich und klappe den Mund zu. Starre direkt zu der schwach beleuchteten Bar hin. Höchstens eine Lichterkette, welche unter der Theke angebracht worden ist, taucht sie in Licht. Dennoch reicht die Lichtquelle aus, um den Barkeeper zu erkennen und die Männer, welche sich dort angesammelt haben. Sie sind nicht der Grund, warum ich jetzt dort hinsehe.

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