Kapitel 27

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Mit der stetigen Kälte kommen ebenso die typischen Winterkrankheiten. Husten, Erkältungen und selten auch schlimmere Sachen. Der Medizinmann gibt sein Bestes, seinen Stamm wieder gesund zu bekommen. Bis jetzt wurde ich zum Glück verschont, doch der Winter hat gerade erst angefangen und wird noch viele Wochen dauern. Winnetou hatte nicht so viel Glück, auch wenn er sich nur wegen einer kleinen Erkältung schont. Zu meinem Leidwesen hat es noch nicht geschneit. Ich liebe den Schnee, es sieht dann alles so unbeschwert aus.

Schon etwas länger beobachte ich Winnetou beim schlafen. Was anderes habe ich momentan nicht zu tun. Vielleicht sollte ich ihm Hühnerbrühe kochen. Immer wenn ich krank war, hat Tante Anne das für mich gemacht und es hat Wunder geholfen. Auch wenn es hier keine Hühner gibt, vielleicht geht das auch mit Bisonfleisch. Ich kann es ja mal ausprobieren.

Immer wieder rühre ich in dem leicht kochelndem Sud. Gestern Abend habe ich bereits mit der Brühe begonnen, sie über Nacht ziehen lassen und jetzt muss sie sie nochmal erwärmen und das Gemüse kochen. Gleichzeitig schabe ich das Fleisch vom Knochen ab und werfe die Brocken zurück in den Topf. Ein leises Husten ertönt aus Winnetous Richtung. ,,Ruby?" Kurz unterbreche ich meine Arbeit um zu ihm zu sehen, doch es scheint ihm den Umständen entsprechend gut zu gehen. Lächelnd sitzt er etwas aufrecht und sieht zu mir. ,,Was tust du da? Du kochst schon seit gestern Abend." Ich lächel nur etwas geheimnisvoll und lege die abgeschabten Knochen zur Seite. Es dauert noch ein wenig, dann ist es fertig. Ich stehe von meinem Platz auf und gehe die wenigen Schritte zu Winnetou. Wie jedes mal, fühle ich seine Stirn, doch sie hat wieder eine normale Temperatur. Ebenso sind seine Augen nicht mehr so glasig und er sieht wieder sehr fit aus. ,,Mir geht es wieder sehr gut." Er will aufstehen, doch ich drücke ihn sanft wieder zurück. Wenigstens diesen Tag muss er noch ruhen, sollte er jetzt wieder rausgehen, dann ist er sofort wieder krank. ,,Ach Ruby, ich langweile mich so. Nur kurz möchte ich Chephe sehen." Eisern schüttel ich meinen Kopf. Flehend sieht er mich mit seinen braunen Augen an. Fast schon wirkt er wie ein kleiner Junge auf mich, welcher unbedingt die leckere Süßigkeit aus dem Laden haben möchte. Mit einem kleinem Seufzen legt er sich wieder hin. ,,Obwohl du nicht redest, deine Ausstrahlung ist sehr stark." Er sieht zur Decke des Pueblos. ,,Tohon würde mich verachten. Er würde sich niemals den Anweisungen einer Frau widersetzen. Er ist so anders. Vielleicht wäre er der bessere Häuptling?", fängt der Apache an zu zweifeln. Ich weiß, dass Winnetou der zukünftige Häuptling wird, da er der Ältere ist. Und ebenso weiß ich, dass Tohon neidisch auf diesen Titel ist. Doch er würde den Stamm in den Ruin treiben. Winnetou ist der Richtige. Er geht Probleme ruhig an, überlegt sich stets ganz genau, was zu tun ist, doch im Notfall kann er ebenso kämpfen. Er kommt sehr nach seinem Vater. ,,Ich denke wieder zu viel, nicht wahr, Ruby?" Ich nicke und nehme den Topf mit der Brühe vom Feuer. Dann schöpfe ich etwas mit dem Löffel in eine Schale und reiche sie Winnetou. ,,Was ist das?" Ich nehme die Schale mit Sand und schreibe Medizin und Heimat. Winnetou richtet sich komplett auf und probiert etwas Bisonbrühe. Einen Moment ist er still, so als ob er entscheiden müsste, ob es ihm schmeckt oder nicht. ,,Es schmeckt. Nicht sehr gut, aber ich kenne keine Medizin die gut schmeckt." Er nimmt noch einen Löffel und schluckt die warme Flüssigkeit runter. Ich kann ihn verstehen. Manchen, wie mir auch schmeckt es nicht, wenn das Fleisch so lange gekocht wird und fast zu Brei zerfällt. Ich mag es, wenn man das Fleich noch etwas kauen muss. Tante Anne ist genau das Gegenteil. Sie liebt es, wenn alles so weich und zerkocht wie es nur geht ist.

Es regnet zwar nicht mehr, doch der Regen liegt spürbar in der Luft. Der Himmel ist von schweren Wolken behangen und die Felsplattform, auf welcher sonst immer so fleißig gearbeitet wurde, ist nun nass und rutschig. Winnetou hat auch vom Medizinmann noch eine Nacht Bettruhe verordnet bekommen. Auch wenn das irgendwie die falsche Wortwahl ist. Er weiß, dass er Winnetou nichts verbieten kann. Somit ist es eigentlich eher ein Rat, welchen der junge Apache zum Glück befolgt. Ich habe schon schlimme Sachen in Brighton gehört, ausgelöst durch eine einfache Erkältung wie bei Winnetou. Doch diese Menschen sind dann weiter arbeiten gegangen und nicht wenige mussten wegen diesen Taten ihr Leben lassen. Lungenentzündung sind nur schwer zu behandeln, weswegen ich von Tante Anne früher ebenfalls strenge Bettruhe aufgetragen bekommen habe, sobald ich mich etwas verkühlt hatte. 

Ich hinterlasse tiefe Spuren im Matsch und zum Glück sind die Mokkasins, wie Klekih-Petra die Schuhe aus Leder nennt, mit wasserabweisendem Fett bestrichen. Vielleicht sollte ich Tante Anne den Tipp einmal schreiben. Es wäre bestimmt nützlich für sie. ,,Wie geht es meinen Pferden?", fragt Winnetou sofort, als ich wieder das Pueblo betrete. Ich mache die Handbewegung, welche für das Wort Gut steht. ,,Das freut mich. Diese Suppe scheint wirklich geholfen zu haben. Vielen Dank, Ruby." Ich nicke ihm lächelnd zu und bedecke die Glut dann mit etwas Asche, damit sie morgen neu entfacht werden kann. Es ist schon Abend und sowohl Winnetou, als auch ich, können eine erholsame Nacht gebrauchen. Die letzen Nächte wurde ich oft von seinem Husten wach. Dieser scheint aber schon erheblich abgenommen zu haben.

Stolen from Britain, brought to AmericaDonde viven las historias. Descúbrelo ahora