Kapitel 4

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Wir hatten großes Glück mit dem Wind, somit sind wir bereits drei Tage früher am Hafen eingetroffen. Die Hitze erdrückt mich förmlich. Natürlich müssen wir die Kisten ausladen. Nicht, dass sich jemand die Hände dreckig macht. Kaum ist alles draußen, werden wir auf die Planwagen verteilt. Jetzt besteht uns noch eine einwöchige Planwagenfahrt bis zur Kolonie bevor. ,,Ruby, mein Mädchen, du fährst bei mir mit." Bei der Stimme des Kapitäns dreht sich fast mein Magen um. Jetzt soll ich auch noch die gesamte Planwagenfahrt bei ihm verbringen.  Ich schüttel den Kopf und gehe einen Schritt zurück. ,,Wie bitte?" Wieder schüttel ich den Kopf, ohne mich einschüchtern zu lassen. ,,Dir muss wohl jemand zeigen, wer hier der Anführer ist. Das bin ich", sagt er bedrohlich und kommt gefährlich nahe. ,,Auf den Planwagen." Ich bewege mich nicht. Auf einmal fliegt mein Kopf nach rechts. Ein stechender Schmerz zieht sich durch meine Wange. Alle Beteiligten starren interessiert oder erschrocken zu uns. Die Stelle des Schlags pocht, doch ich lasse mir nichts anmerken. Er soll nicht denken, dass ich in irgendeiner Form getroffen bin. So etwas kann ich ab. ,,Wird es bald", zischt der Kapitän. Als ich mich immer noch nicht rühre, packt er meine Arme und stößt mich unsanft in den Wagen rein. Hinter uns wird die Plane runter gemacht. Mein Puls erhöht sich, als er ein Seil rauskramt. ,,Damit du nicht wegrennst", grinst er und bindet meine Handgelenke an einem Stützpfosten fest. Dann setzt er sich nach vorne auf den Kutschersitz. ,,Fertig machen zur Abfahrt", schreit er und lässt die Zügel auf die Pferderücken knallen. Nach und nach setzten sich alle in Bewegung. Verzweifelt versuche ich meine Fesseln loszuwerden, doch alles was ich erreiche, ist das Aufscheuern meiner Handgelenke. Also versuche ich es mir so bequem wie möglich zu machen und die Ruckelfahrt zu überstehen.

Ewigkeiten fahren wir einfach nur geradeaus. Mein Kopf dröhnt auf Grund des unebenem Wegs und dem Wassermangel. Sowohl meine Arme, als auch meine Beine sind eingeschlafen, da ich mich in meiner Position kaum bewegen kann. Der Wagen stoppt und der Kapitän kommt zu mir. Er hält mir eine Schale mit Wasser an den Mund. Obwohl sich alles in mir sträubt, öffne ich meine Lippen etwas um das angenehme Wasser meinen Hals runter laufen zu lassen. Hastig schlucke ich, kann gar nicht aufhören. ,,Langsam, mein Mädchen, langsam. Ich wusste, du kannst dem nicht widerstehen." Ich bekomme Gänsehaut, so sehr ekelt mich dieser Mann an. Grinsend hält er mir ein Stück Brot hin. Das reicht. Ich lasse mich nicht füttern. Meine Lippen fest verschlossen, schüttel ich den Kopf. Er zuckt mit den Schultern. ,,Dann nicht. Gute Nacht." Was? Der kann mich hier doch nicht so hängen lassen. Verzweifelt ziehe ich an den Seilen. ,,Vergiss es. Du bleibst schön hier", brummt er und legt mir eine dünne Decke um. Kurz zucke ich zusammen, als seine Finger meine Haut berühren. Selbst macht er es sich auf Kissen und Decken bequem. So gut es geht versuche ich meine Handgelenke zu ignorieren, um wenigstens etwas Schlaf zu bekommen.

Der Wagen ruckelt und mein Kopf stößt unsanft gegen die Eisenstange. Schell unterdrücke ich das Übelkeitsgefühl, während ich mich umschaue. Die Pferde traben bereits, der Kapitän sitzt auf dem Kutschersitz und die goldenen Strahlen der Sonne scheinen durch die Öffnung. Noch sechs Tage. Sechs Tage voller Grauen, Hitze und Schmerzen. Doch ich mag mir gar nicht vorstellen was danach kommt. Meine einzige Hoffnung ist die Flucht mit den anderen. Wenn die gelingt, hab ich die Möglichkeit wieder nach Brighton zu kommen. Mit geschlossenen Augen lehne ich meinen Kopf gegen die Stange. Ob ich wohl sechs Tage hier angebunden ohne Essen überlebe? Möglich wäre es, doch die Frage ist, ob der Kapitän das zu lässt oder mich bald wieder zu den anderen schickt. Ich mache mir unglaublich Sorgen um William. Bei diesen Männern weiß man nie wie sie ticken, ob sie gerade Lust haben jemanden zu verprügeln oder zu demütigen.

Stolen from Britain, brought to AmericaWhere stories live. Discover now