Kapitel 11

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Die Lederkleidung, welche Winnetou mir gegeben hat ist ungewöhnlich, doch bequem. Anders wie ich es erwartet hätte hält sie in der Nacht warm und tagsüber hängt sie locker am Körper anders wie bei den unbequemen Korsettkleidern, welche ich zu besonderen Anlässen tragen musste. Sonst hat Tante Anne sich mit einfachen Stoffkleidern zufrieden gegeben. Die Arbeit, welche mir gesagt wird ist wirklich einfach und sowohl Klekih-Petra als auch Winnetou unterstützen mich dabei, es mir so einfach wie möglich zu machen und mir bei der Verständigung zu helfen. Ein paar Wörter kann ich  in der fremden Sprache verstehen, doch immer wenn jemand spricht hört es sich so spannend an, dass ich nur der Stimme zuhöre und nicht auf die Wörter achte. Alles, was mir über die Einheimischen erzählt wurde, ist zumindest beim Stamm der Apachen falsch. Bei dem vorherigen Stamm war das anders. Doch die Apachen haben mich vor dem Tod bewart, geben mir Essen und Wasser, eine Arbeit und einen eigenen Schlafplatz. Auch wenn dieser auf dem Boden in Winnetous Pueblo ist, es ist alles besser als beim Kapitän zu sein. Hier wird trotz der misstrauischen Blicke meine Ehre und Würde geachtet.

Ich bearbeite das Leder wie Winnetous Mutter es mir gezeigt hat. Sie bringt mir viel bei und ich bin ihr sehr dankbar dafür. Das Leder vor dem Eingang schiebt sich zur Seite und Winnetou tritt mit einem anderen Mann ein. ,,Ruby." Ich sehe zu den beiden hoch. ,,Das ist mein Bruder Tohon." Ich nicke ihm zu und fahre anschließend mit meiner Arbeit fort. Die Brüder lassen sich am Feuer nieder. Während Winnetou das Feuer schürt, spüre ich immer noch den Blick von Tohon auf mir. Schnell sind die Brüder in ein Gespräch verwickelt von dem ich kein Wort verstehe. Man sieht, dass Winnetou und Tohon Brüder sind, doch sie scheinen sich nicht sehr nahe zu stehen. Man kann dies leicht erkennen, wie sie da sitzen und am Ton ihrer Stimmen. Das Gespräch scheint ernst zu sein, da ich keine Lache höre, wie bei Winnetou und seinen Freunden. Immer wieder sehe ich den skeptischen Blick von Tohon aus dem Augenwinkel. Er mag mich nicht. Da bin ich mir sicher. Und ich bin mir auch sicher, dass sie über mich reden. Zu gerne würde ich es verstehen können.

Schlaflos starre ich an die Decke des Pueblos. Winnetous gleichmäßiges Atmen erfüllt die kleine Hütte, sonst sind draußen nur ab und zu ein paar Schritte zu hören. Schon seit ein paar Tagen überlege ich, ob es Sinn macht weg zulaufen, aber falls ich es an den Wachen vorbei schaffen würde, wäre ich in der Wildnis warscheinlich geliefert. Und warscheinlich werden die Apachen mich dann einholen und was dann mit mir passiert, mag ich mir gar nicht erst ausdenken.

Die Nacht war kaum erholsam für mich und trotzdem zwinge ich mich zum aufstehen, um meine Arbeit zu erledigen. Erneut bearbeite ich Leder, damit die anderen Frauen es dann weiterverarbeiten können. Vertieft in meine Arbeit und meine Gedanken, merke ich erst, dass jemand neben mir steht, als die Sonne verschwindet und ein Schatten auf mir liegt. ,,Ruby." Die harsche, unfreundliche Stimme lässt mich abrupt verharren und hochsehen. ,,Klekih-Petra erwartet dich", sagt Tohon in seinem unfreundlichem Ton und geht wieder. Ich lege das Leder wieder zurück und gehe zu Klekih-Petras Pueblo. ,,Ruby. Setz dich doch", empfängt der alte Mann mich freundlich. Ich sehe zwischen ihm und Winnetou hin und her, unwissend wohin ich mich setzen soll. Ich weiß, dass es hier strenge Regeln gibt, welche eingehalten werden müssen. Klekih-Petra sieht mein Unbehagen und deutet neben sich, wo ich mich dann auch niedelasse. ,,Winnetou wird morgen mit Häuptling Sakima und Tohon zum befreundeten Fort reiten", beginnt der alte Mann. ,,Sie werden einige Tage weg sein und Winnetou bat mich, auf dich acht zu geben." Ganz kurz schaue ich zu dem jungen Apachen, welcher mich ohne Mimik mustert, bevor ich weiter der Stimme von Klekih-Petra lausche. ,,Du wirst in dieser Zeit auch seine Pferde versorgen müssen. Winnetou wird es dir gleich zeigen. Ebenfalls wirst du während seiner Abwesenheit hier wohnen." Ich nicke, um zu zeigen, dass ich alles verstanden habe. Winnetou traut mir nicht. Dies kann ich ihm nicht verübeln. In meiner Heimat würde man ihm ebenfalls nicht trauen. ,,Komm. Ich zeige dir meine Pferde", sagt Winnetou mit starken Akzent, doch es ist gut zu verstehen. Ich folge ihm nach draußen und weiter zu den Pferden. Noch nie war ich hier. So weit weg von den Pueblos. Neugierig betrachte ich die Pferde, welche in einer Felssackgasse festgehalten werden. Erfürchtig betrachte ich die Tiere. Ich habe großen Respekt vor den Tieren, da sie stärker als viele Männer sein können. Wir treten näher an den Zaun aus Baumstämmen, welche die Pferde am weglaufen hindern. Winnetou stößt ein leises Pfeifen aus und kurz darauf kommt ein dunkelgraues Pferd angetrabt. Treu lässt es sich von dem Apachen streicheln und man sieht die tiefe Verbundenheit zwischen den beiden. ,,Sein Name ist Chephe. Auf ihm werde ich reiten." Wir gehen ein Stück weiter. Im Augenwinkel fällt mir ein dunkles Pferd auf, welches ganz alleine dicht an den Felsen gedrängt steht. Es fällt im Schatten des Berges kaum auf. Argwöhnisch betrachtet es mich und seine Ohren zucken immer wieder hin und her. ,,Dieses Pferd ist nicht zu zähmen. Niemand hat es bisher geschafft. Wenn er bis zum nächsten ganzen Mond zu keinem Vetrauen bekommt, wird er freigelassen", erklärt Winnetou mir. Ich wende mich von dem schönen Tier ab und folge Winnetou weiter. Er zeigt mir ein schwarz weiß geschecktes Pony, ein Braunes und zwei beige Pferde. Ich hoffe, ich verwechsel sie nicht, wenn Winnetou weg ist.

Stolen from Britain, brought to AmericaWhere stories live. Discover now