Kapitel 20

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Kaum sind wir außer Reichweite, wird Chephe langsamer. Winnetous Griff ist fest um meine Hüfte und ohne diesen würde ich vermutlich längst auf dem Boden liegen. Winnetous Anwesenheit beruhigt mich unfassbar und endlich wiege ich mich wieder in Sicherheit. Wir reiten lange und alles macht mir zu schaffen. Die Hitze, die Bewegungen des Pferdes unter mir und der Schlafmangel. Ich hänge mehr auf Winnetou, als das ich selber sitze, doch ich bin nicht in der Lage, das zu ändern. Schließlich hält der Apache Chephe an und hilft mir vom Pferd. Kaum sitze ich im Schatten des Baumes fallen mir beinahe die Augen zu. Ich bin erschöpft, möchte einfach nur noch in Ruhe schlafen. Die letzten Tage haben meine Kräfte komplett aufgezehrt und ich möchte nur noch zurück zu den Apachen. ,,Ich schwöre dir, er wird seine gerechte Strafe bekommen", sagt Winnetou leise. Und ich weiß, dass er es ernst meint. ,,Schlaf etwas, das hast du dir verdient." Also schließe ich meine Augen, lehne mich an den Stamm und döse direkt weg.

Drei Tage später kommen wir endlich im Lager an. Obwohl wir viele Pausen gemacht haben, würde ich vermutlich sofort einschlafen, wenn ich mich hier auf den Boden legen würde. Mit letzter Kraft und Winnetous Hilfe schleppe ich mich zu seinem Pueblo. Es ist noch ziemlich leer, weswegen ich vermute, dass die anderen Apachen noch nicht da sind. Tatsächlich schaffe ich es noch mich aus dem unbequemen Kleid zu schälen und die leichte Lederkleidung anzuziehen, bevor ich auf das Stück Leder falle und in einem tiefen Schlaf versinke.

Als ich aufwache ist das Pueblo leer. Es ist bereits hell und neben mir steht eine Schale mit Wasser und eine Schale mit verschiedenen Beeren. Das Wasser stürze ich sofort meinen trockenen Hals runter und die Beeren folgen kurz danach. Es kommt mir vor, als hätte ich seit Ewigkeiten nicht mehr so leckere Beeren gegessen. Nach dem kleinen Frühstück ordne ich schnell meine Haare und gehe dann nach draußen. Und direkt bietet sich mir ein grauenhafter Anblick. Die restlichen Apachen sind wohl auch angekommen und haben die komplette Kolonie gefangen genommen, auch den Kapitän. Dieser steht in der Mitte angebunden an einen Pfahl und schaut übel in der Gegend herum. Die restlichen Gefangenen sind entweder mit mehreren an Pfähle gebunden oder in kleinen Gruppen gut bewacht. Winnetou sitzt mit reichlich Entfernung vor den Kapitän und mustert ihn unentwegt. Ich sehe wie Klekih-Petra und Häuptling Sakima aus einem Pueblo treten und in ein tiefes Gespräch verwickelt sind. Die anderen Apachen stehen schaulustig um die Gefangenen herum. Gerade will ich wieder gehen, als mir ein bekanntes Gesicht auffällt. Das ist unmöglich. William. Ohne auch nur eine Sekunde zu verlieren, renne ich los, wühle mich durch die Apachen, bis ich bei William angekommen bin. Er sieht schrecklich aus. Mit geschlossenen Augen hängt er in seinen Seilen, sein Gesicht ist ganz weiß und kalter Schweiß liegt auf seiner Stirn. Fassungslos lasse ich mich neben ihn auf den Boden und streiche ihm durch das Gesicht. Langsam öffnet er seine Augen. ,,Ruby?", krächzt er leise. Ich nicke. ,,Das ist bestimmt nur Einbildung. Ich muss träumen", redet er sich ein und schließt die Augen wieder. Leicht klopfe ich gegen seine Wange und er schreckt wieder auf. ,,Ein schöner Traum. Ich wünschte du wärst hier", murmelt er. ,,Ruby, wer ist das?" Klekih-Petra hockt neben mir. Schnell überlege ich. ,,Wi...", kriege ich raus, doch mehr schaffe ich nicht. ,,Ist das William? Der von dem du mir erzählt hast?" Hastig nicke ich. Schnell winkt Klekih-Petra zwei Apachen zu sich. ,,Macht ihn los und bringt ihn in mein Pueblo." Die zwei Männer schauen erst etwas skeptisch, sagen jedoch nichts und tuen, was ihnen aufgetragen wurde. Gemeinsam tragen sie William zu Klekih-Petras Pueblo und legen ihn dort auf die Liege. Sofort fängt der alte Mann an, Kräuter zu mischen und das Feuer zu entfachen. ,,Er scheint hohes Fieber zu haben. Mach dir keine Sorgen, Ruby, das wird wieder. Warte draußen, ich hole dich rein, wenn ich fertig bin, in Ordnung?" Da mir nichts anderez übrig bleibt, blicke ich ein letztes Mal wehmütig auf William und gehe dann raus. Die Apachen gehen wieder ihrer Arbeit nach und von Häuptling Sakima und Tohon ist nichts zu sehen. Jetzt heißt es wohl warten.

Stolen from Britain, brought to AmericaWhere stories live. Discover now