Willow

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„Vierzig Jahre sind genug, finden Sie nicht? Ich habe mein gesamtes Arbeitsleben dieser Kanzlei gewidmet, habe Anwälte kommen und gehen gesehen, aber die Besten sind geblieben und mir ans Herz gewachsen. Jeden einzelnen von Ihnen, auch die die mich zur Verzweiflung gebracht haben, vor allem die", sagt Hegers lachend und wirft belustigte Blicke in die Runde.

Alle seine fünfzehn Mitarbeiter schmunzeln und schauen ihren Nachbarn an, ob Heger damit sie gemeint hat oder doch einen selbst. Ich kann von mir behaupten, dass ich garantiert damit gemeint war. Denn Heger und mich verbindet eine spezielle Verbindung, von ihm habe ich alle Tricks, und sind sie noch so schmutzig, gelernt. Er war mein Mentor, dass er jetzt geht ist ein harter Schlag für mich. Doch ich kann ihn verstehen, mit sechsundsiebzig und mit bester Gesundheit sollte man die Karriere an den Nagel hängen und seinen Lebensabend auf irgendeiner traumhaften Insel verbringen.

Mit einem Cocktail in der Hand und jeder Menge Sonne, die auf einen herab scheint und nicht in einer Kanzlei mit nervenden Anwälten, die in der Midlife Crisis sind und kaum ihrem Job nachkommen, weil sie mit ihrem Leben einfach nur überfordert sind.

„Doch auch wenn Sie jetzt mit einem lachenden und einem weinenden Auge meinem Abschied entgegen sehen, so kann ich Ihnen allen versichern, dass mein Nachfolger Sie fordern wird. Sie werden über glühende Kohlen laufen und das nicht nur die ersten fünfzig Metern, o nein, Sie werden Kilometer um Kilometer zurücklegen müssen. Doch Sie werden jeden verdammten Zentimeter davon geniessen, da bin ich mir sicher. Und mit diesen Worten verabschiede ich mich und mache meinem Nachfolger Platz; John Bishop!"

Alle beginnen zu klatschen, als Bishop die kleine Tribüne, die in aller Hast errichtet wurde, betritt und Hegers umarmt. Alt und Jung nebeneinander zu sehen ist schon beeindruckend, man könnte meinen sie wären Vater und Sohn, so vertraut wirken sie miteinander. Was mich eifersüchtig werden lässt, was total bescheuert ist, doch Heger ist mein Mentor und nicht seiner!

„Ich habe den Worten des Meisters nichts mehr hinzuzufügen, obwohl etwas hätte ich da noch zu sagen; Alles was dieser Mann hier neben mir gesagt hat, ist die Untertreibung des Jahrhunderts. Denn Ihr werdet Höllenqualen erleben und ich werde mit Freude zusehen wie Ihr untergeht. Möge das Glück stets mit Euch sein!", endet Bishop und grinst uns alle frech an. Den meisten bleibt der Mund offen stehen nur ich beginne zu grinsen und als sein Blick auf mir hängen bleibt, zwinkert er mir kurz zu und verabschiedet danach den alten Heger.

Die Menschentraube verstreut sich, als die beiden Männer die Bühne verlassen und gehen ihrer Arbeit nach und kneifen sich mit Sicherheit in den Hintern, um nicht der Erste zu sein, der Bishops Aufsehen erregt. Wobei, das habe ich sicher schon auf mich gezogen, denn er kommt selbstbewusst wie immer, auf mich zu und lächelt mich wissend an.

„Die scheissen sich jetzt bestimmt alle in die Hosen", scherzt er und bringt mich sogar dazu zu lachen.

„Schön dich lachen zu sehen." Ich runzle die Stirn und schaue ihn fragend an, Bishops Finger umfassen meinen Arm und ziehen mich in eine ruhigere Ecke. Die Berührung lässt mich an unseren Kuss zurückdenken und an den Streit, der danach folgte. Was mich wieder wütend werden lässt, doch dieses Mal behalte ich sie für mich.

„Gestern, weißt du nicht mehr?", hakt er nach. Ich schüttle den Kopf, doch ihm kann ihm nichts vormachen. Seufzend schaue ich weg und kämpfe die aufkeimenden Gedanken an meine Mutter und unseren Streit nieder. Doch für ihn bin ich ein offenes Buch, kein Geheimnis bleibt vor John Bishop verborgen. Jedenfalls keines meiner Geheimnisse.

„Ich habe dich gesehen, wie du weinend dein Büro verlassen hast. Wir haben uns in die Augen gesehen und ich konnte deinen Schmerz bis zu mir spüren. Was war also los?" Seine Stimme klingt streng und sanft zugleich, wie ein Wechselbad der Gefühle, welches ich gerade durchlebe. Was will er von mir hören? Das ich mich von meiner Mutter losgesagt habe, weil sie mich wieder und wieder verletzt hat? Ich weiss es einfach nicht.

Electric Hearts verliebe dich nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt