Willow

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"Das perfekte Verbrechen gibt es nicht, da sind wir uns alle einig. Jedoch gibt es Verbrechen die geschehen aus monatelanger Planung, und andere passieren im Affekt. Auch wenn sie uns noch so grausam und erschreckend vorkommen, so wurden sie nicht akribisch geplant, sondern sind das Produkt eines Moments des Ausnahmezustandes. Meine Mandantin war genau einer solchen Situation ausgesetzt und statt sich zu verstecken, hat sie sich für den Kampf entschieden. Eine Entscheidung die ein Menschenleben gekostet hat, aber nicht aus Lust am Töten, sondern, weil die Person sie angegriffen, sie massiv bedroht hat. Ja, Catherine Ellingsworth hat einen Menschen getötet, hat sieben Mal auf ihn eingestochen. Doch sie hat nach der Tat den Notruf und die Polizei verständigt, sie hat ein Geständnis abgelegt. In dem sie all die schrecklichen Details dieser kalten Novembernacht des letzten Jahres offen dargelegt hat. Doch wenn die Jury, sie alle, Catherine Ellingsworth wegen Mordes verurteilen, dann haben Sie eine Unschuldige hinter Gittern gebracht. Einer jungen Frau die Chance auf eine Zukunft genommen, nur wegen einer Entscheidung, die nicht sie, sondern ihr rationaler Verstand getroffen hat. Ich bitte Sie sich zu fragen, wie Sie sich in dieser Nacht verhalten hätten. Hätten sie die Flucht ergriffen, oder hätten Sie sich ihrem Peiniger gestellt? "

Ich schaue die Geschworenen an. Bedenke jeden einzelnen mit einem prüfenden Blick und gehe zurück zu meiner Mandantin. Ihr blondes Haar fällt ihr in sanften Wellen über die Schultern und ihre grauen Augen blicken voller Reue zu der Jury, die in den nächsten Stunden über das Schicksal der einundzwanzigjährigen Kellnerin entscheiden wird. Das Schlussplädoyer zu halten ist der wichtigste Part meines Jobs. Ich bin leidenschaftlich Anwältin, habe schon sehr einflussreiche Mandanten vertreten und jedes Mal gewonnen. So auch vor drei Monaten in Den Haag, wo ich einen Wirtschaftsboss vertreten habe- und was soll ich sagen? Ich habe gesiegt. Der Staatsanwalt war am Boden zerstört und ich verließ triumphierend den Gerichtssaal. 

Die Gegnerische Seite hat bereits ihr Plädoyer gehalten und so entlässt uns die Richterin mit der Bitte, wieder zu erscheinen, wenn die Jury ihr Urteilt gefällt hat. Das kann nur wenige Stunden dauern, aber es kam auch schon vor das die zwölf Personen mehrere Tage diskutierten. Doch bei mir kam das noch nie vor. Da ich meine Geschworenen eingehend prüfe und sie nach einem individuellen System aussuche, mussten meine Mandanten noch nie länger als fünf Stunden auf ihr Urteil warten. Und das war immer ein Freispruch. 

"Keine Bange, Sie werden noch heute eine freie Frau sein", sage ich leise zu Catherine, der neben mir die Handschellen angelegt werden. "Glauben Sie daran?", fragt sie mich und sieht mich hoffnungsvoll an. Ich nehme ihre Hand in meine und lächle sie aufmunternd an. "Oh ja. Daran glaube ich fest, denn Sie haben ihn zwar umgebracht, doch eine Haftstrafe haben Sie nicht verdient. Denn es war Notwehr und das wird die Jury auch so sehen." 

Sie nickt und wird abgeführt, während ich ihr nachsehe, höre ich neben mir eine mir sehr bekannte Stimme. "Du warst wie immer großartig, doch das wird dir nichts nützen. Die Jury wird sie für schuldig sprechen. Sie hat den Mord gestanden, also muss sie auch dafür büssen." Ich drehe mich zu Max um und blicke in seine braunen Augen, die mich siegessicher anschauen. "Ja, sie hat ihn umgebracht, aber es war Notwehr. Ich verstehe nicht weshalb du die Gegenseite repräsentierst. Strafdelikte sind doch unter deinem Niveau", scherze ich und hebe meine Tasche auf. Öffne sie und verstaue meine Unterlagen feinsäuberlich darin, ehe ich sie wieder verschließe und meinen Mantel von der Stuhllehne nehme. "Ich habe den Fall nur wegen dir übernommen", säuselt er mir ins Ohr. Was mich lächeln lässt, mir steigt sein Parfüm in die Nase. 

Wie immer hat er es damit übertrieben, aber meine Nase freut es. 

"Ich fühle mich geschmeichelt", erwidere ich lachend und streiche mir mein dunkelbraunes Haar aus dem Gesicht. Max Gesichtszüge werden durch den leichten Dreitagebart noch markanter, doch das macht ihn nur noch attraktiver. "Gehst du mit mir was Essen?" Seine Stimme klingt hoffnungsvoll und da ich gerade keinen anderen Termin habe, lasse ich mich erbarmen. "Wieso nicht. Aber du zahlst", antworte ich und höre ihn lachen. Zusammen verlassen wir den Gerichtsaals des International Criminal Courts. 

Electric Hearts verliebe dich nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt