Dex

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Ihre Stimme zu hören ist genau das was ich jetzt vor dem Start brauche. Keine Ahnung weshalb, aber ich konnte mich einfach auf nichts konzentrieren. Und das kann und darf einem erfahrenen Piloten wie mir nicht passieren. Also musste ich sie einfach anrufen und mit ihr kurz sprechen.

„Musst du nicht gleich los?", fragt sie mich. Ich stehe draussen auf dem Rollfeld und müsste schon längsten zurück im Cockpit sein. Doch ich will noch nicht auflegen, also reibe ich mir mit der freien Hand übers Gesicht und atme tief durch.

„Doch, aber ich wollte deine Stimme hören, weil...naja, ich...", weiter komme ich nicht. Denn mein Co-Pilot streckt den Kopf aus dem Fenster und winkt mir zu, verdreht dabei die Augen und sieht ziemlich angepisst aus. Ich strecke einen Finger in die Luft und forme ein stummes „noch eine Minute".

„Was hast du gesagt?", reisst mich Willow ins Hier und Jetzt zurück.

„Tut mir leid, ich muss jetzt auflegen. War schön deine Stimme zu hören", sage ich und höre wie sie lächelt. Spüre, wie mein Herz einen Salto macht und verfluche mich für mein Teenagerverhalten.

„Kein Problem. Arbeit geht vor. Pass auf dich auf", erwidert sie. Höre ich da so etwas wie Besorgnis in ihrer Stimme? Ich weiss es nicht, aber möglich wäre es. Immerhin kennt sie mein Geheimnis, oder besser gesagt eines davon. Schnell verdränge ich die Gedanken, die sich wie eine dunkle Wolke auf mich herabsetzen möchten und hole tief Luft.

„Immer", damit lege ich auf und gehe zurück ins Cockpit.

„Diese Nummer können Sie vielleicht bei anderen abziehen, aber nicht mit mir. Wenn Sie ein solches Verhalten noch einmal an den Tag legen, dann sehe ich mich gezwungen Sie zu melden", giftet mich mein Co-Pilot an und sieht aus, als würde er vor Wut gleich platzen. Ich setze mich und schüttle nur den Kopf, mache eine abfällige Handbewegung und höre ihn schnauben. Doch das ist mir egal, er mag mich nicht und ich mag ihn nicht. Sieht mir nach Gleichstand aus.

„Geht klar. Wenn Sie mit ihrer Standpauke fertig wären, könnten wir ja anfangen zu arbeiten. Oder müssen Sie das auch zuerst melden?", frage ich ihn und schaue ihn spöttisch an. Mein Kollege mit dem pechschwarzen Haaren und den blassgrauen Augen sieht mich an, als hätte er in eine Zitrone gebissen. Doch er nickt bloss und scheint sich endlich wieder im Griff zu haben. Jämmerlich so ein Verhalten, aber so sind die Menschen. Nicht frei von Fehlern, ich bin da keine Ausnahme. Auch ich habe einen Fehler begangen und somit viele Leben ausgelöscht. Diese Last wird mir niemand nehmen können, aber vielleicht habe ich eine Person gefunden, die mir das Leben mit der Last etwas erträglicher macht.

Nachdem wir den Start hinter uns gebracht haben, befinden wir uns in der Luft und fliegen durch eine dichte Wolkenbank. Ein Spektakel das ich heute noch mag, man hat das Gefühl als gleite man durch einen riesigen Wattebausch. Wieder verspüre ich dieses Glücksgefühl, frei von allen Sorgen. Dieses Empfinden kann mir nur die Fliegerei geben. Als ich noch klein war, wollte ich einmal Kampfpilot bei der Army werden. Doch das hat sich danach im Sand verlaufen. So ist das nun mal mit den Kindheitsträumen, manche verschwinden, andere bleiben und wiederum andere werden wahr. Während des Flugs herrschen perfekte Wetterbedingungen, alles läuft am Schnürchen und wir landen genau im Zeitrahmen in Atlanta.

Die Passagiere verlassen ihre Plätze, die Stewardessen machen sauber und während sich mein Co-Pilot die Beine vertritt, sitze ich da und hänge meinen Gedanken nach. Die sich allesamt um Willow drehen. Noch nie habe ich mich derart mit einer Frau gestritten, aber sie hat mich bis aufs Blut gereizt. Diese Aggressivität zwischen uns ist beinahe unheimlich, denn sie steigert sich bis ins Unermessliche und artet in heissen, hemmungslosen Sex aus. Keine Ahnung wie man das zwischen uns nennen soll, aber eines ist es gewiss nicht, gewöhnlich. Willow Spencer ist heiss, wild und unberechenbar. Eine Frau wie ein Mann sie sich wünscht, naja vielleicht nicht alle Männer, aber die meisten mit Sicherheit. Was auch zu stimmen scheint, denn wenn ich bloss daran denke, dass sie selbst mit meinem Bruder in der Kiste war, könnte ich vor Wut platzen.

Electric Hearts verliebe dich nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt