Z W Ö L F | Von Blättern im Haar und Fragen im Kopf

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Missmutig lief ich von einem Fahrrad zum Nächsten- entweder waren sie zu teuer oder nicht mein Geschmack. Wie am Wochenende geplant, hatte ich mich heute dazu aufgerafft durch die Fahrradläden zu laufen, denn obwohl es Herbst war, kam man in Münster besser mit dem Fahrrad als mit allem anderen ans Ziel. Schließlich stand ich wieder vor dem ersten Fahrrad, das ich mir in diesem Laden- wohlgemerkt schon der dritte seiner Art- angesehen hatte. Ich wollte kein Fahrrad, mit dem ich auffiel, weshalb die meisten Farben, die leider im Trend lagen rausfielen, und ein Mountainbike oder andere exotische Arten brauchte ich in der flachen Stadt nicht. Außerdem wollte ich auch nicht den Großteil meines Ersparten in ein Fortbewegungsmittel investieren, weil ich quasi kostenlos mit meinem Studentenausweis in ganz Nordrhein-Westfalen fahren konnte.

Enttäuscht drehte ich mich zum Ausgang und wollt gerade den Laden verlassen als ich ein schlichtes Fahrrad, das zusätzlich auch noch im Angebot war, entdeckte. Mir war es egal, dass es nicht das schönste war, denn es erfüllte meine Kriterien, nämlich, dass es nicht zu auffällig und teuer war. Froh nun doch noch ein Fahrrad gefunden zu haben, da ich nach diesem Laden aufgegeben hätte, machte ich mich auf die Suche nach einem Verkäufer.

Glücklich verließ ich eine halbe Stunde später das Fahrradgeschäft mit einem neuen Drahtesel und einem gut geleerten Portmonee. Zum ersten Mal seit gefühlten Ewigkeiten, die eigentlich nur ein Jahr lang gewesen war, da zu dem Zeitpunkt mein altes Rad kaputtgegangen war, schwang ich mich auf den Sattel, rückte den kleinen Rucksack, in den ich vorsichtshalber eine Wasserflasche und sonstigen Kram gepackt hatte, zurecht und trat in die Pedale.

Einige Tritte später hatte ich meinen Rhythmus wiedergefunden und musste dem Gerücht, dass man Fahrradfahren nicht verlernen könne, zustimmen. Leider bemerkte ich erst ein paar Straßen weiter, dass ich in meiner Euphorie darüber wieder Fahrradfahren zu können die falsche Richtung eingeschlagen hatte. Obwohl es mir überaus peinlich war, dass ich jetzt an den Leuten, denen ich gerade schon über den Weg gefahren war, erneut begegnen würde und diese mich vermutlich für dumm oder so halten würden, drehte ich um und fuhr in die richtige Richtung. Lächelnd fuhr ich einen Umweg über meine Lieblingsstraße in Münster.

Die Allee war mit hohen Ahornbäumen gesäumt, die nun ihre Blätter verloren. Während die Räder langsam über den Asphalt rollten und das ein oder andere Auto mich überholte, was mir komplett egal war, flogen immer wieder Blätter in schillernden Orangetönen an mir vorbei und verfingen sich teilweise auch in meinen Haaren, die ich aufgrund des Helmes, den ich auch neu gekauft hatte, offen trug. Ich ignorierte einen weiteren Autofahrer, der mich an hupte und dann überholte. War ja nicht so, dass ich nicht auch lieber auf einem Bürgersteig fahren würde, aber ich hatte die deutsche Straßenverkehrsordnung auch nicht gemacht.

In gewisser Weise wollte ich das aber auch nicht, weil es mich an die Zeit mit Luca erinnerte. Ich konnte nicht mehr zählen, wie viele Tage wir im Sommer aber auch im Frühling, Herbst und manchmal sogar in schnee- und eisfreien Winterzeiten über den Fußweg gebrettert waren- egal ob mit dem Fahrrad oder jeglichen Skateboards. Uns war es komplett egal, was die Menschen von uns dachten oder was die Regeln besagten, bis wir zu alt dafür wurden und der Ernst des Lebens uns einholte.

Als hätte die Fahrt an der kühlen Luft mit den wunderbaren Herbstgerüchen, die leider Großteile der Strecke von Autoabgasen überdeckt wurden, mich motiviert, trug ich das Fahrrad in den Keller nur um festzustellen, dass ich weder wusste welcher Keller meiner war noch, dass ich den zugehörigen Schlüssel mithatte. Und ein Schloss hatte ich auch nicht gekauft. Merda.

Also stapfte ich wieder hoch, bleib kurz zögernd vor dem Fahrstuhl stehen, um dann letztendlich doch die Treppen zu nehmen damit ich den Schlüssel hohlen konnte. Nachdem ich schnell in die Wohnung gehuscht war, den Rucksack in die Ecke geworfen und den kleinen Schlüssel für das Vorhängeschloss aus dem Brief des Vermieters, indem ich den Schlüssel auch vermutet hatte, gefischt hatte, lief ich wieder hinab. Das Hallen meiner Schritte in dem leisen Treppenhaus beruhigte mich und ließ mich mein Tempo drosseln. Ich hatte Zeit und eigentlich nichts dringendes mehr zu tun.

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⏰ Last updated: Oct 03, 2018 ⏰

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fleur de cerisier //Where stories live. Discover now