S I E B E N | Fotos, Postkarten und Erinnerungen

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„Nicht dein Ernst, oder?", prustend hielt ich mir die Hand vor den Mund um nicht gleich den Schluck des Milchkaffes wiederauszuspucken.

„Doch, doch", Ginny, die ihre belegte Brötchenhälfte aus der Hand legte, bestätigte, dass es sich nicht um einen Witz handelte, „Ich habe ihn einfach stehen gelassen. Wenn der werte Herr meint er muss dauernd, was an meinem Essen zu mäkeln haben, dann kann er das alleine kochen."

Die Vorstellung eines kleinen, aufgeregten blonden Lockenkopfes passte nur in den seltensten Fällen in meinen Kopf. Was Essen anging war sie echt empfindlich, da sie bereits in jungen Jahren gezwungen war kochen zu lernen und dafür auch mehr als einen Kochkurs zu machen. Ihre Mutter war nämlich die einzige Italienerin, die ich kannte, die überhaupt nicht kochen konnte. Mehr als einmal mussten Ginny und ich uns durch ihre missglückten Versuche quälen und brachten es einfach nicht über Herz der herzensguten kleinen Dame zu sagen, dass ihr Essen absolut ungenießbar sei.

„Das beste war, dass er danach einfach den Herd ausgemacht hat und quasi auf Knien zu mir kam. Idiota!", fuhr sie fort.

„Männer halt. Dauernd am Kritisieren und knatschen, aber sobald man sie's selber machen lässt: Flaute", erwiderte ich lachend und biss herzhaft in mein Brötchen.

„Egal wie viel scheiße er baut, ich werde ihn dennoch nicht aufhören zu lieben", beendete sie das Gespräch über die kleinen Macken ihres Freundes schon fast mit Herzchen in den Augen.

„Und sonst so?", versuchte ich etwas mehr aus ihr heraus zu quetschen, denn was ihr Liebesleben anging war und würde sie vermutlich auch immer ziemlich verschwiegen sein.

„Eri muss ziemlich viel arbeiten im Moment. Sein neuer Boss ist ein Arsch. Immer mehr Arbeit und er soll dieses und jenes noch planen", bedröppelt empörte sie sich über den anscheinend neuen Boss. Ich merkte ihr an, dass es ihr ziemlich an die Nieren ging, dass er so wenig zu Hause war und ich fühlte ich noch schlechter, weil ich sie am Wochenende quasi dazu genötigt hatte zu mir zu kommen.
Das komische war jedoch, dass Erasmus mir gegenüber keinesfalls einen neuen Chef oder mehr Arbeit erwähnt hatte, was mich stutzig machte, da er eigentlich ein recht guter Freund war, mit dem ich auch in Kontakt stand. Vermutlich hatte ich mich in letzter Zeit ein wenig zu wenig auf meine Freunde geachtet und ich mehr auf den Umzug konzentriert- Merda.

Ich schlug vor, dass wir drei doch mal wieder einen Filmabend oder -nachmittag machen könnten, damit ich Erasmus auch mal wiedersah und ihn außerdem ausfragen konnte. Weil wenn wirklich etwas anderes los wäre, weshalb er so wenig Zeit für Nev hatte, könnte er es am Telefon doch recht einfach verschweigen.
Begeistert stimmte mir Ginny zu und überlegte bereits wann und wo wir den Abend oder Nachmittag denn umsetzten könnte.

Froh, dass sie wieder ein wenig aufgemunterter war, musste ich ihre Euphorie leider ein bisschen abbremsen: „Vielleicht sollten wir den dritten im Bunde auch noch fragen, wann und ob er überhaupt Zeit und Lust hat. Denn vermutlich möchte er seine freie rare Zeit lieber mit dir verbringen", sprach ich ein bisschen kleinlaut.

„Jaja. Ich frage ihn nachher, aber ich denke er wird nichts dagegen haben mit seinen Mädels mal wieder einen Abend zu verbringen. Ansonsten ist er ein Cretino", beendete sie die Unterredung um den Termin.

Bevor sie sich einen neuen Kaffee einschenkte, hob sie ihre Tasche, die bis dato über der Stuhllehne hing, auf ihren Schoß und meinte: „Zum Einzug schenkt man ja klassischer weise Brot und Salz, da ich mir aber dachte, dass du vermutlich damit überschüttet werden wirst, habe ich dir was anderes mitgebracht." Sie zog ein in Cellophan eingepacktes flaches Paket heraus und überreichte es mir.

Überrascht sagte ich, dass das überhaupt nicht nötig gewesen wäre und packte vorsichtig aus. Zum Vorschein kam ein selbst illustrierter Kalender.

fleur de cerisier //Where stories live. Discover now