20.Kapitel: Rot und Schwarz - Lebende und Tote

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Sie verharrte so plötzlich in ihrem Genuss, das Blut des Mannes zu lecken. Ihre Stirn kräuselte sich nachdenklich und sie konnte die Nähe des Menschen hinter sich spüren.

Wie war das möglich? Wie konnte sie einer erkennen oder sehen? Was war er?

Langsam, die Sonnenbrille und ihr riesiger Hut hatte sie immer noch auf, drehte sie sich um, gebannt hielt sie ihr Messer in der Hand, machte sich bereit auf einen ihr nun vorstehenden Kampf. War er vielleicht einer der Leute aus der Klinik? Wer war dieser Mensch? War er denn überhaupt ein Mensch, wenn er sie doch sehen konnte?

Ihr eigentlich schon totes Herz und ihr lebloses Blut fingen an zu brennen, ihr Kopf malte sich jede mögliche Bewegung ihres Gegners aus. Sie war bereit.

Als sie sich nun vollends zu ihm rumgedreht hatte, zogen sich ihre Brauen zusammen und ihre leeren Augen sahen in durchdringend an. Er, der im Vergleich zu den anderen Leuten hier lange Kleidung anhatte und fürchterlich blass und dürr wirkte, sah sie genervt und dann auch noch verwundert an. Genervt, eine Emotion, die sie beim weitesten Willen in einer solchen Situation nicht verstehen konnte. War er vielleicht auch einer wie sie? Ein lebender Toter? Gab es dann noch mehr von uns? In ihrem Kopf ratterte es von Fragen und sie fühlte Überforderung, etwas, was sie verabscheute. Er musste weg.

Sie linste zu ihrem Messer in ihrer Hand, wo das Blut des toten Mannes langsam runter Rinn und mit einem leisen Tropfen auf die trockene Erde, mit dem so saftigem grünen Gras, fiel und alles Rot färbte. Sie umgriff ihre Waffe fester und wollte gerade losgehen, um den jungen Mann das letzte funken Leben zu entnehmen, als er zum Reden ansetzte.

,,Wow, siehst aus wie eine richtige Killerbraut. Alles gut bei dir? Siehst so gar nicht gesund aus."

Er sprach so, als würde er über eine schwere mathematische Lösung spekulieren und nicht so, als stünde vor ihm ein lebloses Wesen, welches gerade das Blut des nun getöteten Mannes leckte. Er war ihr skeptisch. Es könnte eine Falle sein, um sie nun vollends ins Verderben bringen zu lassen, doch sie wollte noch nicht vollends die Erde verlassen, sie wollte doch noch ihre Rache. Ihre Rache an den Menschen aus der Klinik. Das hatte sie sich geschworen und sie hatte auch einen Plan und niemand konnte ihr in die Quere kommen. Auch nicht ein mickriger junger Mann, der lächerlich und viel zu kränklich in dieser Menge wirkte. Abstrakt und das war es, was sie erschrecken ließ.

Also umgriff sie ihr Messer noch fester, ballte ihre beiden Hände zu Fäusten und sie spürte, wie sich ihre Fingernägel in ihre Handinnenfläsche zu Mondsicheln bohrten, sie spürte etwas kaltes hinunter fließen. Ihr Blut, das im Kontrast zu dem des Menschen fast schwarz wirkte. Ihr eigenes Blut schmeckte ihr auch nicht mehr, denn es schmeckte nur noch nach Bitterkeit und verdorbenem, nach dem, was sie war. Die schwärze verbündete sich mit dem Rot und sie fielen zusammen, als abstrakte auf den Boden. Sie war neugierig, wie sich wohl das Blut ihres Gegenübers schmecken musste. Sie wollte das Blut eines Verräters und Mörders trinken. Leute ihresgleichen kosten. Sie wollte es so sehr. Ihre Kehle schien ausgetrocknet zu sein und das obwohl sie den dünnen Rinnsal von Blut an ihrem Mundwinkel runter fließen spüren konnte, obwohl sie doch gerade erst das Blut geleckt hatte. Sie war nun mal wie eine Süchtige, die jede Minute, nein jede Sekunde, ihre Droge nehmen wollte, aus Angst sonst zu vertrocknen.

Der junge Mann vor ihr, der so fürchterlich blass und krank aussah, schien sich nicht vor ihr zu fürchten. Er kam ihr sogar einen Schritt näher und alarmiert hob sie ihre blutige Waffe in seine Richtung. Sie kannte keine Gnade mehr. Kein Erbarmen. Sie war ja tot.

Der junge Mann schien zu verstehen, dass sie auch ihn angreifen würde und er wahrscheinlich neben dem toten Mann hinter ihr landen würde, wenn er so weiter machte. Seine Augen wurden minimal größer und er starrte sie jetzt so an, als wäre er verblüfft von dieser ganzen Sache. Er blieb augenblicklich da stehen wo er war und sie ließ ihn kein einziges mal aus den Augen. Hinter ihrer Sonnenbrille verfolgte sie akribisch jeder seiner kleinen Bewegungen. Skepsis war schon lange in ihrem Körper am ankern.

Unreal     *Pausiert*Onde as histórias ganham vida. Descobre agora