Chapter 11

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Auf den Boden starrend, und völlig in Gedanken versunken streiche ich durch die Flure.

Als ich angerempelt werde, schaue ich erst gar nicht auf, denn, ich bin es mich gewohnt. Doch den Schmerz in meiner linken Schulter spüre ich trotzdem.

Zischend hebe ich meine Hand, um nach meiner Schulter zu tasten. Es tut weh. Aber noch lange nicht so sehr, wie mein Herz.

Den restlichen Schultag habe ich halbwegs überlebt. Naja, was heisst halbwegs? Ich habe es überlebt, wie immer.

Ich drehe den Schlüssel im Schloss unserer Haustür, und öffne sie leicht hektisch.

„Bin da!" rufe ich kleinlaut, und hoffe insgeheim es haben nicht viele gehört, doch sie mögen es nicht, wenn ich einfach in mein Zimmer husche, ohne was zu sagen.

Da niemand geantwortet hat, gehe ich in die Küche, nehme mir ein Glas aus dem Schrank und fülle es mit Wasser. Die kühle Flüssigkeit rinnt meinen trockenen Hals hinunter und es fühlt sich sofort ein Bisschen besser an.

„Hallo." höre ich eine eher harsche, und doch leicht „freundliche" Stimme. Sie versucht wenigstens freundlich zu sein.

„Hi." sage ich leise und schüchtern. Hektisch trinke ich mein Glas Wasser leer, damit ich schnell in mein Zimmer flüchten kann.

Das Glas stelle ich in die Geschirrwaschmaschine, ehe ich mit schnellen Bewegungen die Küche verlasse, meinen Rucksack schnappe, und mit leisen Schritten, damit ich nicht bemerkt werde, in mein Zimmer fliehe.

Es ist ja nicht so, dass Allison mich schlecht behandeln würde oder so, nein, so viel Anstand hat sie noch.

Aber sie gibt mir jedes Mal aufs Neue zu spüren wie unerwünscht ich bin. Mit ihren durchbohrenden Augen..

Die gleiche wie ihre Tochter, wie meine „Schwester."

Als ich im Zimmer angekommen bin, schmeisse ich meinen Rucksack unachtsam neben meinen Schreibtisch und suche als erstes sofort den Schlüssel.

Erleichtert stosse ich Luft aus, als ich ihn gefunden habe. Leise tapse ich zur Tür, um diese abzuschliessen.

Danach schmeisse ich mich einfach auf mein Bett und starre an die Decke.

Ich liege schon eine Weile hier, einfach an die denke starrend, und wäre bald eingeschlafen, doch ein Rufen und Türzuschlagen von unten reisst mich zurück in diese grauenhafte Realität.

„Mom!" höre ich Alice' unerträglich hohe Stimme. Wahrscheinlich beschwert sie sich gerade, weil ihre Mutter ihr diese neuen hohen Schuhe mit Glitzerabsätzen nicht bekommt.

Über das gibt es schon seit Tagen Diskussionen.

Unverständlich.

Seufzend erhebe ich mich aus meinem Bett und setze mich erstmal hin. Mir fehlt die Kraft um aufzustehen. Die Kraft um das Alles hier zu meistern.

Mir fehlt die Kraft um zu überleben.

Oh ich weiss noch.
Ich weiss noch damals, damals mit meiner grossen Liebe.

Flashback:

Er räuspert sich: „Das ist jetzt gerade nicht dein scheiss Ernst?" fährt er mich leicht an.
Ja, er war bekannt fürs Fluchen.

Er war halt Harry.

„D-Doch." stottere ich und schaue rauf, rauf in seine wunderschön blau funkelnden Augen.

„Du denkst ernsthaft-" beginnt er und unterbricht sich selber.

„-Du denkst ernsthaft du hast keine Kraft? Du seist schwach? Du kannst das nicht meistern?" fragt er mit offenem Munde, da ich gerade meine Gedanken ausgesprochen habe.
Laut.

Ja, er wusste davon.
Ja, er wusste von allem.
Es war ihm auch klar.

Und ich weiss, dass er es ändern will.

„Jetzt sag ich dir mal was." fährt er einfach fort und schaut mir eindringlich in die Augen.

Schüchtern blicke ich zu ihm rauf.

„Wenn du keine Kraft hättest. Kein Bisschen, kein verdammtes Bisschen. Wie, sag mir wie, hättest du dann das alles-" er zeigt mit seinen Armen wild um sich herum, um klar zu machen, dass er den Alltag meint.
„Hier meistern können? Wie könntest du dann jeden Tag überleben? Wie schaffst du es, jedes mal wenn sie dich schubsen, wieder aufzustehen? Wie schaffst du es, jedes mal wenn sie dich zum Weinen bringen, deine verdammten Tränen wegzuwischen? Wie schaffst du es, jedes mal wenn du in ein Loch fällst, wieder rauszuklettern? Wie, ohne Kraft Prinzessin? Es geht nicht. Du hast Kraft, und du brauchst sie. Mehr als du denkst."

Überwältigt von seiner Rede blicke ich ihn an. Ich schaue mit Tränen in den Augen in seine, sehe all die Emotionen, sehe all die Liebe. Die Liebe die ich so lange vermisst hatte.

„Harry?" flüstere ich leise, nehme sein Gesicht dabei in meine Hände.

„Ja?" raunt er eben so leise.

„Es gibt einen einzigen Grund. Und dieser Grund bist du. Du und deine Liebe. Ganz alleine wegen dir, habe ich diese Kraft. Wegen dir Harry..." hauche ich während eine Träne mein Auge verlässt.

Er wischt sie weg und schaut mir leicht stolz in die Augen.

„Ich liebe dich." flüstert er.

„Ich dich auch."

Dann lege ich meine Lippen langsam auf seine. Geniesse überwältigt den Moment. Geniesse seine Liebe.

Geniesse ihn.

Nur ihn.

Died.Where stories live. Discover now