Chapter 9

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Völlig in Gedanken versunken sitze ich lächelnd da, und und starre auf meine blutverschmierte Hand.

Hier könnte jetzt mein Ring sein. Mein Ring, wenn ihn meine Stiefmutter mir nicht weggenommen hätte. Mein Ring, den er mir nochmal kaufen wollte.

Unser Verlobungsring.

Mein Lächeln erlischt.

Doch so weit ist es nie gekommen. Denn der Tod hat uns geschieden. Uns, und unsere Liebe. Wie er gesagt hat:
Bis das der Tod uns scheidet.

Ich hätte nie gedacht, dass es soweit kommt. Nie so früh. Nie. Hätte mir das alles jemand früher erzählt, hätte ich ihn vermutlich ausgelacht.

Meine grosse Liebe, welche ich damals noch nicht hatte, durch einen Autounfall verlieren? Niemals. Wer würde das schon denken, wenn man diese Person zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht kannte? Genau. Niemand.

Doch was passiert ist, ist passiert. Ändern kann das niemand.
Leider.

Das Einzige was ich könnte, wäre zu ihm rauf gehen. Rauf in das Paradies, rauf in den Himmel. Von mir aus in die Hölle, gerne, das wird mir nichts ausmachen, denn ich lebe schon in der Hölle. Und das, Tag für Tag. Hauptsache rauf zu ihm. Scheiss egal ob Himmel oder Hölle. Einfach zu ihm, und meine kleine zerbrochene Welt ist gerettet.

Zusammengeflickt.

Ich blinzle ein Paar mal, und mir wird bewusst, dass ich hier schon Minuten sitzen muss.

"Verdammt." fluche ich vor mich hin, und versuche aufzustehen. Doch das gelingt mir nicht ganz, da ich keuchend vor Schmerzen wieder zusammenbreche. Zusammenbreche unter der Last des Lebens.

Okay. Zweiter Versuch.

Es schmerzt, doch fühle ihn nichts.
Genauso wie ich höre, doch spreche nicht.
Wie ich sehe, doch tue nichts.
Wie ich fühle, doch spüre nichts.

Ich spüre lediglich, dass mein Herz zerbrochen ist, dass ich zerbrochen bin.

Lediglich Schmerz, wenn ich an ihn denke. Schmerz im Herzen.

Vorsichtig stehe ich auf, und sehe mich um. Mittlerweile hat es keine Schüler mehr auf den Pausenhof, nur noch jene, welche schwänzen oder besseres vorhaben als dem Lehrer zu lauschen.

Und ich, ich stehe hier, alleine, verlassen und kaputt, seelisch sowie körperlich, mitten in meinem Leben, und starre regungslos an mir runter. Schaue mich um. Was sehe ich? Meinen grässlichen und von mir verfluchten Alltag, welchen ich keiner Menschenseele wünsche, da es einfach nur noch traurig ist.

Traurig, ich und mein Leben.

Eine leise Träne rollt mir über die Wange. Geschockt von meiner gezeigten Schwäche wische ich sie weg.

"Hoffentlich hat sie niemand gesehen.." murmle ich leise vor mich hin.

Ach was, wer sieht mich schon an, wer interessiert sich schon an mich? Niemand.
Erinnere ich mich.

Ein plötzlicher starker Wind weht durch meine Haare. Er fühlt sich.. aggressiv an, voller Emotionen.

Als- Als wollte man mir widersprechen. Doch, was? Wem? Mir?

"H-Harry?" hauche ich mit zittriger Stimme und schaue mich panisch um, da ich das Gefühl habe, sein Aftershave gerochen zu haben. Da ich das Gefühl habe, er sei hier. Hier bei mir, auf dieser schrecklichen Welt.

Doch, es kann nicht sein. Der Wind.. Wollte er mir was sagen?

Tränen kullern meine Wangen runter und ich schaue aufgewühlt Richtung Himmel.

"Warum? Warum zum Teufel tust du das? Warum gibst du Zeichen? Oder bilde ich sie mir bloß ein? Das kann doch nicht sein.. Bist du es wirklich? Wolltest du mir wirklich widersprechen?" murmle ich durcheinander vor mich hin.

Ach was, wer sieht mich schon an, wer interessiert sich schon an mich? Niemand.

Können Tote Gedanken lesen?

"Harry verdammt. Ich kann nicht mehr. Rette mich. Bitte. Rette mich vor dieser grauen Welt. Rette mich und mach sie wieder bunt. Für mich. Du sagtest doch: Ich werde als Schutzengel über dir achten. Bitte. Beschütze mich, hole mich hier raus, ich kann nicht mehr. Wirklich. Ich kann mich nicht einmal selber umbringen. Denn, ich bin zu feige, zu feige es zu tun, zu feige ein Versprechen zu brechen. Zu feige.." flüstere ich völlig aufgelöst vor mich hin. Verzweifelt. Ich bin einfach nur ein kleines verlorenes, gebrochenes und verzweifeltes Mädchen, welches nicht mehr lebt.
Es lebt nicht mehr.

Nein, schon lange nicht mehr.

Es fängt an zu regnen. Fest, hart, kalt. Was zur Hölle hat das zu bedeuten? Ich kann nicht mehr. Es geht nicht, es geht einfach nicht.

Hektisch sammle ich meine Sachen zusammen, hebe meinen Rucksack hoch und gehe los.

Ich kann nicht mehr.

Died.Where stories live. Discover now