Chapter 6

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"Brooke..." haucht eine Stimme. Sie klingt so fern, aber doch so klar in mein Ohr.

"Brooke?" Auf ein mal wird sie lauter.

"Harry?! Harry verdammt bist du es?" Fluche ich panisch, und suche den Raum ab. Er kann unmöglich hier sein, hier im Klassenzimmer.

"Hier, hier bin ich!" Kommt es von rechts. Ich will mich umdrehen, doch eine weitere Stimme hält mich davon ab.

"Ach Schwesterherz. Bleib doch hier, wir können neu anfangen, ich werde mich ändern." Teuflisch grinsend kommt sie auf mich zu. Näher und immer näher.

Schritt für Schritt weiche ich zurück, und erwarte eigentlich die raue, kalte Wand des Schulzimmers an meinem Rücken. Doch da ich sie nicht spüre, drehe ich mich verwirrt um.

Und was ich sehe, verschlägt mir den Atem.

Auf ein mal sind wir nicht mehr im Schulzimmer. Nein, wir sind auf der Autobahn, und ich habe direkten Blick auf Harry und mich. Wie wir dort liegen, uns unterhalten, wie ich die letzten Sekunden mit ihm, in mich aufgesogen hab.

"Komm schon Schwesterherz, du willst doch zu ihm. Zu ihm, für immer." Am Ende lacht sie höhnisch auf, und das für immer, hallt laut und stark in meinen Ohren wieder.

"Brooke!" Ich spüre, wie jemand rüttelt.

Erschrocken fahre ich hoch, und finde meinen fürsorglichen Vater vor mir.

"Alptraum huh?" Fragt er nur leise und streicht eine in meiner schweissgebadeten Stirn, verwirrte Strähne zurück.

"Mmhm.." Murmle ich und seufze auf.

Und jetzt, jetzt ist er wieder der fürsorgliche Vater. Ja, das ist er sonst auch, und ja, ich kann mit ihm über fast alles reden, aber vor Allison, meiner Stiefmutter, ist er irgendwie anders. Sie hat ihn verändert.

Er bekommt nicht einmal mit, dass ich gemobbt werde, und das von meiner eigenen 'Schwester'

Aber egal. Nein, eigentlich nicht egal, aber das Leben war schon immer schwer. Nein, mein Leben war schon immer schwer.

"Versuche wieder zu schlafen, okay?" Flüstert er leise, während er meine Decke, die vor lauter drehen auf den Boden gefallen ist, aufhebt und wieder über mir ausbreitet.

Leise tapst er zur Tür und will sie öffnen, doch ich halte ihn davon ab.

"Dad?.." frage ich zögerlich.

"Ja?" Murmelt er und lässt wieder von der Tür ab.

"H-Hast du Bilder von Opa? Oder weisst du wie er heisst?" Frage ich während mir Tränen in die Augen steigen, denn ich verbinde Opa, automatisch mit Mom, und so wird es ihm auch gehen.

"Ich-Ich ja.. also Bilder kann ich nachschauen, und Name habe ich, ja." Stottert er Anfangs, doch er kriegt sich wieder ein.

"Wie heisst er?"

"Warum willst du das auf ein Mal wissen?" Fragt er mich, und versucht Zeit rauszuschieben, so wie ich ihn kenne.

"Daad." Das "a" ziehe ich leicht in die Länge, während ich ihn mahnend anblicke.

Da er mich nur unschuldig anschaut, sehe ich ihn wiederum umso abwartender an.

Ergeben seufzt er.

"Hunter-"

"Hunter Jones."

Mit diesen zittrigen Worten dreht er sich um, öffnet leise die Tür, und geht mit schnellen Schritten nach draussen.

"Hunter Jones..." flüstere ich müde, lege mich sanft zurück und starre an die Decke.

Ob es dieser Mann von dem Friedhof war? Aber das ist doch unmöglich, das kann doch nicht sein.

Nichts ist unmöglich.

Seine Worte.

Das wäre ein zu grosser Zufall. Ein viel zu grosser Zufall.

Und Mom, Mom hat ihn immer als jemand schlimmes hingestellt, doch trotzdem, trotzdem ist sie gegangen, obwohl sie wusste, wie sich das anfühlt. Wie alleine man sich fühlt.

Alleine und zurückgelassen.

Vielleicht, vielleicht hätte mein Leben ja noch gut werden.

Vielleicht musste es auch einfach so sein. Denn alles hat einen Grund. Nichts passiert einfach so, und schon gar nicht grundlos.

Jede Person die in dein Leben tritt, ist entweder eine Lektion, oder ein Geschenk. Genauso wie alles was du tust.

Mit diesen Gedanken drifte ich in einen etwas ruhigeren Schlaf ab.

Died.Where stories live. Discover now